Eigentlich mache ich derzeit ja um Krankenhäuser einen möglichst großen Bogen. Nicht, weil ich mich während der letzten Wochen meines Vaters, der ja vier Wochen auf einer Krankenhaus-Palliativstation und dann noch fünf Wochen im Hospiz war, dort unwohl gefühlt hätte, das war ganz und gar nicht der Fall. Mein langfristiger Plan ist ja sogar, mich in diesem Bereich, also der Sterbe- oder Trauerbegleitung, ehrenamtlich zu engagieren. Ich hatte und habe aber das Gefühl, dass ich, um in meinem persönlichen Trauerprozess voranzukommen, jetzt erstmal etwas Abstand brauche und mich wieder auf andere Dinge in meinem Leben konzentrieren sollte, die im letzten Jahr zwangsläufig in den Hintergrund getreten sind. (Zu einem Ausbildungskurs für ehrenamtliche Mitarbeit im Hospizbereich wird man ohnehin erst zugelassen, wenn man nicht mehr in einem akuten Trauerprozess steckt.)
Also bemühe ich mich gerade, nicht nur mein Leben organisatorisch wieder auf die Reihe zu kriegen und endlich unter meinem Bett Staub zu saugen, sondern auch darum, auch mal wieder Sachen zu machen, die auf der To-Do-Liste nicht unbedingt ganz oben stehen, aber doch wichtig und auch schön sind
So war ich gestern doch wieder in einem Krankenhaus, und zwar auf der Geburtsstation. Dort hat nämlich meine Kollegin am 22. Dezember Zwillinge zur Welt gebracht. In der 32. Schwangerschaftswoche, was etwas früher war, als sie und ihre Ärzte gehofft hatten, aber zum Glück nicht super-dramatisch früh. Obwohl der Plan mit der natürlichen Geburt sich dann doch nicht durchführen ließ und die Kleinen per Kaiserschnitt geholt werden mussten, ging alles gut und Mutter und Zwerge, ein Mädchen und ein Junge, stabilisierten sich rasch.
Nun, zehn Tage nach der Geburt, sind die Zwerge schon von der Säuglings-Intensivstation auf die normale Frühchenstation verlegt worden. Dort wohnen sie in einem ziemlich spacigen Inkubator-Raumschiff bei hoher Luftfeuchtigkeit und gemütlichen 33 Grad. Obwohl diese Behausung sehr gemütlich gestaltet ist und grandiose technische Möglichkeiten bietet (ich bin allerdings nicht sicher, ob sie WLAN hat), sind die Babys aber natürlich noch lieber bei ihrer Mama.
Mehrmals am Tag wird also ge-känguruht. Dazu wird die Mama auf einem gemütlichen Liegestuhl platziert und bekommt auf ihren nackten Bauch die ebenfalls nackten Babys gelegt. Da diese natürlich noch mehrfach verkabelt und verschlaucht sind, eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, aber natürlich ist das Stationspersonal genau dafür perfekt ausgebildet und meine Kollegin scheint sehr schnell gelernt zu haben, wie es für sie am besten funktioniert. Wenn sie und die Kleinen dann bequem gebettet sind, werden die Kinder von oben zugedeckt, so dass sie es schön warm und auch nicht zu hell haben. Und dann wird gekuschelt.
Das Känguruhen ist, wie der Name schon andeutet, einer Tierart abgeschaut, bei der Frühgeburten quasi die Norm sind und die Jungtiere nach der Geburt im Beutel der Mutter „nachreifen“*. Und wirklich überraschend finde ich nicht, dass – amerikanische Wissenschaftler haben es herausgefunden! – diese Methode für die Entwicklung von Frühchen und auch für die Eltern-Kind-Beziehung gegenüber der althergebrachten Brutkasten-Aufzucht die besseren Ergebnisse bringt. Dass möglichst unkomplizierter und großflächiger Haut-auf-Haut-Kontakt gesünder für Körper und Seele (bei den Kindern ebenso wie bei den Eltern) ist als ein durch den Inkubator und die ganzen Sonden, Zugänge und Messgeräte limitiertes vorsichtiges Berühren, leuchtet doch unmittelbar ein.
Meine Kollegin geht mit ihren beiden Kleinen, die übrigens wirklich winzig sind (zu zweit wiegen sie weniger als eine mittelgroße Katze), nun schon sehr entspannt und unbefangen um – und es ist deutlich zu sehen, dass die Babys auf alles, was sie von ihr sehen, hören und fühlen, auch schon reagieren. Einen Kindsvater gibt es nicht, so dass die Mama die einzige Bezugsperson für ihre Kinder ist – in diesem Bewusstsein verbringt sie natürlich mehr oder weniger den ganzen Tag in der Klinik. Wobei die beiden, doof sind sie anscheinend nicht, auch schnell gelernt haben, dass sie sich keine Sorgen machen müssen, wenn ihre Mutter mal weggeht, denn: „Mama kommt immer wieder!“ Und außerdem sind sie ja zu zweit, das hilft ihnen sicher auch.
Die derzeitige Bonsaigröße der Kinder erlaubt es, sie zusammen in einen Inkubator zu stecken, so dass sie niemals alleine sind. Das ist natürlich schön und erinnert mich sehr an Katze 1 und Katze 2, die ja auch oft auf engstem Raum zusammengekuschelt liegen und deutlich signalisieren, dass sie sich gegenseitig genug sind.
Normalerweise habe ich es nicht so sehr mit Babys, aber die beiden Zwerge sind schon sehr entzückend. Anfassen musste bzw. durfte ich sie ja nicht, das war mir auch sehr recht. Aber angeschaut habe ich sie und ihre Mama schon sehr gerne. Und dass ich mich dabei in einem Krankenhaus befand, war überhaupt nicht wichtig. Also werde ich wieder hingehen. Sobald es mir gelungen ist, die gewünschten Strampelanzüge in der Größe XXXXXS zu besorgen. Vielleicht nehme ich Katze 1 zum Anprobieren mit. Wenn die Strampler ihr zu eng sind, sollten sie den Babys wohl passen.
* Außerdem hat das Känguruhen wohl mit „ruhen“ zu tun, denn seit der Rechtschreibreform schreibt sich das Känguru ja ohne „h“. Also, wenn es schreibt. Ich schätze, viele Kängurus sind Analphabeten und es ist ihnen völlig egal, wie wir sie schreiben!