Ist das eigentlich eine Alterserscheinung, dass jede Aufforderung, rauszugehen und aktiv zu werden, meine Stimme zu erheben in einer Zeit, in der sich viel zu viele gefährliche Deppen Gehör verschaffen und in der Gegenstimmen von Menschen mit Durchblick oder zumindest gesundem Menschenverstand dringend gebraucht werden, mich auf eine Art und Weise unter Stress setzt, die dazu führt, dass ich mich am liebsten noch weiter von der Welt zurückziehen würde? Oder geht es nur mir so?
Ja, ich werde natürlich bei den anstehenden Bundestags- und Hamburger Bürgerschaftswahl meine Stimme abgeben. Wobei mir schon das Anfordern der Briefwahlunterlagen so auf die Nerven geht, dass ich nicht sicher bin, ob ich das heute noch hinkriegen werde. Hoffentlich. Falls nicht, muss ich eben zweimal in kurzer Folge persönlich wählen gehen, was mich total nervt, weil man in meinem Wahllokal fast immer anstehen muss und das mögen meine Füße, meine Knie und mein Rücken gar nicht.
Ja, ich unterschreibe Online-Petitionen, beispielsweise für ein Verbot der blauen Partei oder die Sache mit der bröckelverdächtigen Brandmauer. Ich schaffe es sogar, im Anschluss meine Mailadresse zu bestätigen. Das Anschreiben meiner Bundestagsabgeordneten zu ähnlichen Zwecken, selbst mit Mailvorlage und einfacher Suchfunktion der richtigen Adressaten, ist mir schon wieder zu viel. Wenigstens heute, denn ich muss ja auch noch einen Facharzttermin machen (nachdem ich eine/n passenden Arzt/Ärztin ausfindig gemacht habe) und einen Blogpost schreiben. Das reicht doch eigentlich für einen Samstag, an dem ich mich von einer anstrengenden Woche erholen möchte, oder?
Bestimmt ist es eine Alterserscheinung (und eine Folge meines Lebenswandels, wobei der eigentlich nie sehr spektakulär war), dass ich gerade so viele gesundheitliche Baustellen habe, dass ich kaum noch hinterherkomme. Und das, obwohl ich nicht mehr in Vollzeit arbeite und eigentlich mehr Zeit für diese Dinge haben müsste. Fakt ist aber, dass ich einen großen Teil der gewonnenen Zeit mit Schlafen verbringe – oder mit dem Versuch zu schlafen. Das wird aber erschwert durch regelmäßiges Grübeln über die Weltlage und durch Füße, Knie und Rücken, die neuerdings auch im Liegen noch Schmerzen verursachen. Und so kommt es, dass ich neuerdings endlich auch mal ein Antidepressivum nehmen darf, eins von der Sorte, das schlafanstoßend und schmerzdistanzierend wirken soll. Empfohlen von der Psychotherapeutin, verschrieben vom Hausarzt. Nach zwei Wochen merke ich immerhin schon eine Verbesserung der Schlafqualität. Bis sich das Medikament auf die Schmerzen auswirkt, kann es aber ein bisschen länger dauern. Bin gespannt.
Was mich auch mehrere Wochen schwer beschäftigt hat, sind meine ersten Kompressionsstrümpfe. Es sind nur Kniestrümpfe, aber sie haben viel mehr Wirkung als ich erwartet hatte. Was sich zu Beginn nicht unbedingt schön anfühlt. Die Druckverhältnisse im Körper scheinen sich komplett verändert zu haben und außerdem musste ich in den ersten Tagen noch häufiger pinkeln als ohnehin schon. Außerdem fühlten sich meine Füße an, als würde ich Boxhandschuhe tragen, so schön. Das hat sich inzwischen gebessert, aber allein die Tatsache, dass ich morgens und abends genau planen muss, wann ich die Dinger an- und ausziehe, um möglichst wenig ohne Strümpfe rumzulaufen oder gar zu sitzen, ist eine echte Herausforderung. Und eigentlich, so sagte die nette Angiologin, die mein Lipo-Lymphödem diagnostiziert hat, bräuchte ich mehr als nur Kniestrümpfe, also lange Strümpfe oder noch eine Kompressions-Caprihose, aber ich solle mich ruhig erstmal langsam an die Sache gewöhnen. Juhu. Zur Lymphdrainage muss ich natürlich auch jede Woche (an zweimal wöchentlich ist momentan nicht zu denken, auch wenn es sicherlich sinnvoll wäre), ein Riesenspaß.
Zum Orthopäden müsste ich wohl auch mal wieder, denn meine Füße tun trotz der neuen Einlagen noch weh, was wohl an meinem Os peroneum (das ist ein kleiner zusätzlicher Knochen im Fuß) liegt. Dagegen hatte er mir ein Schmerzmittel, das ich nicht vertragen habe, und Schockwellentherapie, die aber eine IGEL-Leistung ist und für die ich keine Zeit habe, verschrieben. Immerhin scheint der Fersensporn ein bisschen besser geworden zu sein.
Es ist alles ganz schön mühsam gerade. Ich werde dieses Jahr 61 und frage mich gelegentlich, ob ich wohl bis zur normalen Verrentung mit 67 durchhalten werde, was das Arbeiten angeht. Eigentlich arbeite ich immer noch gerne, aber es strengt mich auch sehr an und verbraucht viel Kraft, die ich manchmal morgens so gar nicht in mir finden kann. Manchmal arbeite ich dann von zu Hause aus, aber meistens schleppe ich mich doch an meinen Arbeitsplatz. Und robbe dann abends auf dem Zahnfleisch wieder nach Hause, obwohl gar nichts Besonderes vorgefallen ist.
Die Katzen geben sich die größte Mühe, mich dann bis zum nächsten Morgen wieder halbwegs fit zu kriegen: Sie kochen mir Essen bzw. bestellen uns eine Pizza, sie putzen das Badezimmer (oder liegen faul in der Dusche rum), sie halten das Bett 24 Stunden am Tag warm und kontrollieren jede Lebensmittellieferung auf das Genaueste. Am Wochenende kommen dann meist der große freundliche Mann und der kleine freundliche Hund dazu und dann machen wir es uns alle gemütlich. Aber der Montag kommt immer viel zu schnell.
Für die Weltlage und irgendeine Art von Engagement bleiben mir gerade weder Zeit noch Energie. Das bedaure ich sehr, aber es ist halt so und dazu muss ich wohl stehen. Dass ich das kann, ist vielleicht auch eine Frage des Alters. Ich bin dankbar für alle, die gerade genug Energie haben, um ihre Stimme zu erheben. Sehr dankbar. Und irgendwann bin ich vielleicht auch wieder dabei.
Liebe Bettina, ich wünsche dir, dass deine Energie und Gesundheit sich verbessern. Deine Worte tragen bei mir zu einer besseren Weltlage bei. Danke
und viele Grüße an Lotti, Fritte, Sean und den freundlichen Mann
Ich kann dich gut verstehen. Bin auch lieber zu Hause mit meiner Katze an meiner Seite als draußen. Leider ist Gewalt und Pöbeln das heutige tagesbild was ich fast jeden tag den ich zur arbeit gehe erlebe. manchmal bin ich froh das meine mutter das alles nicht mehr miterleben muss.
Liebe Bettina, same here, einiges seit jungen Jahren schon…
In Warteschlangen stehen, mit das Schlimmste, zum Glück gibt es Briefwahlen.
Ich wünsche Dir, dass einiges hilfreich ist und es Dir besser gehen möge!
Durchhalten.
Liebe Grüsse, an Euch alle, Martina
du gute, es ist doch nicht zuletzt deine sehr wohl erhobene stimme, die uns jeden sonntag aufs neue kraft für die ahnstehende woche gibt