Vierter Advent. Noch zwei Tage arbeiten, dann ist Heiligabend. Dann Weihnachtsfeiertage, dann Wochenende, dann nur zwei Tage Urlaub, dann Silvester und Neujahr. Am 2. Januar arbeite ich dann wieder. Das Fest fällt günstig bzw. arbeitnehmendenfreundlich in diesem Jahr. Alle Feiertage fielen auf Arbeitstage und Weihnachten grenzt direkt ans Wochenende. Das hätte ich schon früher, zu Staatsopernzeiten, toll gefunden, weil ich dann – sofern ich nicht gerade an dem Samstag Bürodienst gehabt hätte – auf fünf freie Tage am Stück gekommen wäre.
Heute freue ich mich, dass ich endlich das tun kann, was andere Menschen im Berufsleben schon immer getan haben: Ihre Urlaube strategisch planen, mit Brückentagen und dem großen Ziel, mit möglichst wenig verballerten Urlaubstagen auf lange freie Perioden zu kommen. Endlich kann ich das auch und es tröstet mich sogar locker darüber hinweg, dass ich mich ansonsten eher überfordert damit fühle, meine Urlaube im Voraus für ein ganzes Jahr einzureichen. Im Gegensatz zu einem Opernhaus ist ein Hospiz schließlich immer geöffnet, 365 Tage im Jahr jeweils 24 Stunden lang (auch wenn Google mir das einfach nicht glauben mag und immer wieder fragt, ob ich vielleicht unsere Öffnungszeiten für die Feiertage anpassen möchte). Keine Betriebsferien mehr oder spielfreie Zeit im Sommer oder so ein Unsinn. Freie Auswahl, was den Urlaub angeht.

Wobei es auch sehr schön und besonders sein kann, Weihnachten oder Silvester im Hospiz zu verbringen. Das habe ich früher als Ehrenamtliche das eine oder andere Mal gemacht und fand es immer toll. Heute brauche ich die freien Tage tatsächlich zur Erholung, aber zum Glück machen die diensthabenden Kolleg*innen immer Fotos von ihren Aktivitäten, aus denen ich dann später stimmungsvolle Social-Media-Beiträge basteln darf. Das macht auch Spaß. In der vergangenen Woche zum Beispiel haben unsere hospizlichen Weihnachtsplanerinnen auf der Hospiz-Terrasse einen kleinen Weihnachtsmarkt aufgebaut, der nur für die Hospizgäste und ihre Zugehörigen war: Es gab eine Popcornmaschine, eine Crêpepfanne, Würstchen vom Grill, Glühwein und Punsch, Weihnachtsmusik und einen riesigen aufblasbaren Weihnachtsmann plus Rentiergespann. Es duftete im ganzen Haus außerordentlich köstlich und viele Gäste kamen aus ihren Zimmern, einige sogar im Bett, um bei diesem Ereignis dabeizusein. Es herrschte eine ganz spezielle Atmosphäre, als am späten Nachmittag langsam die Sonne unterging und der Himmel auf einmal tausend Farben hatte. Dann wurden die Feuerschale und eine Reihe von Fackeln in Betrieb genommen und tauchten alles in ein weiches Licht. Wunderwunderschön.

In einem Hospiz geht es nicht zu wie in einem Seniorenheim oder in einer Reha-Einrichtung. Es gibt keine regelmäßigen Bespaßungsaktivitäten wie Bingo, Chorsingen oder Gedächtnistraining. Nicht nur, weil man normalerweise mit Hospizgästen nicht unbedingt langfristig planen kann, sondern vor allem auch, weil es im Hospiz nicht vorrangig um Freizeitgestaltung geht.
In der Weihnachtszeit ist aber alles ein bisschen anders, denn Weihnachten, vielleicht oder wahrscheinlich ein letztes Weihnachten, das hat schon für viele Menschen eine Bedeutung. Und so wird das Hospiz zu Beginn der Adventszeit wunderschön geschmückt, es gibt Adventskalender, mehrere Weihnachtsbäume, fast jeden Nachmittag eine Weihnachtsgeschichte, Bastel- und Backnachmittage, musikalische Einlagen und noch einiges mehr. Manchmal in ganz kleinem Kreis, manchmal, so wie der Weihnachtsmarkt, mit einer ganzen Schar von Gästen und Zugehörigen. Das macht Freude und schafft Erinnerungen.
Gezwungen wird natürlich niemand. Wer Grinch sein möchte, darf auch Grinch sein und bekommt statt Crêpes und Popcorn einfach ein ganz normales Stück Kuchen. Oder eine Gewürzgurke oder was auch immer.
Natürlich wird auch in der Adventszeit und sogar an den Feiertagen gestorben im Hospiz. Das ist gar nicht so selten und gehört dazu, denn Sterben ist ein Teil des Lebens.
Vor dem Sterben aber wird gelebt und die Freude auf Weihnachten bzw. der Wunsch, das Fest noch einmal zu erleben, lassen manchmal Dinge geschehen, die man eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. Das macht die kleinen Bastelrunden, die frischgebackenen Kekse und das aufblasbare Rentiergespann so wertvoll und besonders. Ich bin wieder und wieder dankbar dafür, diese besonderen Tage im Hospiz miterleben zu dürfen.
