Gastbeitrag von @esistok: Der kleine Hund und der Jagdtrieb

Der kleine Hund hat Jagdtrieb. Und zwar einen recht ausgeprägten. Während er sich mit dem Wohnungskater Friedjof Frittsen in Hamburg gut versteht, findet er Katzen, die ihm draußen begegnen, klasse, weil er dann hinterherlaufen kann. Die Katzen sehen das nicht so und freuen sich, dass der kleine Hund angeleint ist. Dies verhindert recht nachhaltig sämtliche Verfolgungen von Haustieren, die auch nach draußen dürfen.

Dass der Hund nicht zu unterschätzen ist, habe ich im Sommer letzten Jahres auf einem Bremer Hundeplatz gemerkt. Dieser Platz ist sehr cool, weil er an einen See anschließt, wo alle anderen Hunde gern baden.

Der kleine Hund allerdings nicht. Er scheint kein Wasser zu mögen. Sei’s drum. Eigentlich soll er auch eher Kontakte knüpfen, denn da sehe ich Defizite.

Nun denn. Ich hatte meine Sonnenbrille im Auto vergessen und brach auf, sie aus dem Auto zu holen. Den Hund ließ ich auf dem eingezäunten Platz.

Während ich also zum Fahrzeug ging, überholte mich mein Hund, der den Platz offensichtlich ohne Schwierigkeiten unter der Gittertür hindurch verlassen konnte. Und er erblickte ein Kaninchen.

Sieh an, dachte ich, der Kleine kann also unter der Tür durch. Sieh an, da ist ein Kaninchen. Sieh mal einer an, der kleine Hund ist ja ziemlich schnell. Sieh an, der kann ja Haken schlagen, genau wie das Kaninchen. Da schau, eine Verfolgungsjagd. Und weg ist das Kanin.

Und weg ist auch der kleine Hund. So was.

Ich merke an dieser Stelle mal an, dass mir, wenn der kleine Hund abgängig ist, sofort das Herz stehenbleibt und ich sicher bin, den kleinen Scheißer zum letzten Mal gesehen zu haben.

Mittlerweile geht, sobald mein Herz wieder schlägt, mein Blick zur Uhrzeit. Das Kaninchenabenteuer dauerte 11 Minuten, dann brach der kleine Hund aus dem Unterholz und kam direkt zu mir zurück.

Das macht er übrigens immer. Ich kann mich auch von der Stelle, an der er abgehauen ist, wegbewegen, der Kerl hat mich offensichtlich im Blick und kommt auch zu mir, wenn ich mich auf der Suche nach ihm nun ganz woanders befinde. Das beruhigt natürlich, aber an meinem Schrecken über den weggepesten Hund ändert das erstmal nichts.

Im heimatlichen Park habe ich inzwischen eine kleine Strecke, wo ich ihn ableinen kann. Schließlich soll er ja auch das Kommando „Hier“ verinnerlichen. Das klappt erstaunlich gut – nur nicht, wenn the Jagdtrieb kicks in.

Diese Strecke zu finden war nicht so einfach. Es gibt einen (Matsch-)Weg an ein paar Feldern entlang, den ich auch probiert habe. Dort erschnüffelte (oder sah?) der kleine Hund Rehe, und ist quer über den Acker, um sie zu erlegen. Gut, es hat nicht geklappt. Es entbehrte auch nicht einer gewissen Komik, wie ein 10 kg Hund 3 ausgewachsene Rehe am anderen Ende des Feldes jagte. Die armen Tiere. Aber sie waren auch schnell, und der kleine Hund gab dann am Rand des einen Ackers auf. Sie waren auf dem angrenzenden Feld in Sicherheit. Und der kleine Jäger kam in einem Affenzahn zu mir zurück. Abgesehen von den verfolgten Rehen fand ich diesen Ausflug nicht ganz so schlimm, weil er zum einen aufgegeben hat und ich ihn zum anderen die ganze Zeit sehen konnte.

Ab diesem Zeitpunkt kontrollierte ich die Felder und Äcker erstmal gründlich auf Rehe, ehe ich ihn ableinte. Eine Zeitlang ging das gut. Bis er über ein leeres Feld in einem dahinter gelegenen Rapsfeld Rehe erschnüffelte.

Die hab‘ ich natürlich nicht gesehen, ich hab nicht mal geahnt, dass die da waren. Der Hund schon. Ansprachen meinerseits wie „Sean“ und „Hier!“ verhallten ohne Wirkung, allein das Rapsfeld bewegte sich ein wenig. Und es fing auch an zu bellen. Der kleine Hund blieb erstmal unsichtbar. Ein Blick zur Uhr: Sonntagmorgen, 7.52 Uhr.

Dann brachen Rehe aus dem Rapsfeld, machten sich auf zum nächsten und dann zum übernächsten Feld in Sicherheit. Das bekam der kleine Hund nur partiell mit. Er rannte fröhlich bellend auf dem freien Feld hin und her, suchte Rehe, die gottseidank längst woanders waren. Schließlich überquerte er auch noch einen asphaltierten Weg, wo durchaus mal Autos längskommen. Um dann erneut über den Graben zu springen und weiter im Affenzahn Rehe zu suchen.

Mittlerweile war es 8.01 Uhr und 2 Hundebesitzer, die ihre Tiere natürlich super im Griff hatten, näherten sich unabhängig voneinander. Der kleine Hund rannte immer noch bellend hinter mittlerweile imaginären Rehen her und beide Hundebesitzer, der eine hinter mir, der andere auf der anderen Seite des Feldes, fingen an rumzumeckern.

„Der Hund gehört an die Leine!“, „Das gibt’s ja gar nicht! Anleinen!“ „Wenn man den Hund nicht im Griff hat…!“

Die Sache wurde richtig peinlich. Der kleine Hund allerdings lebte weiterhin seinen Jagdtrieb aus, wetzte wie von der Tarantel gestochen mal hierhin mal dahin und freute sich. Meist konnte ich ihn sogar sehen.

Ich vermutete, dass ich ihn auf der anderen Seite des Feldes am ehesten zu packen kriege. Die beiden Hundebesitzer waren weitergezogen, immer noch tolle Ratschläge zum Anleinen brummelnd. Und zu packen bekam ich den Hund natürlich nicht. Stattdessen fetzte der kleine Dackelmix am Graben entlang bis er eine Stelle zum Überqueren ausgemacht hatte und kam dann um 8.08 Uhr zurück zu mir.

Schmutzig, nass und bereit zu neuen Abenteuern.

Und ich, sauer über den Ausreißer, beschimpft von den Hundebesitzern, deren Hunde stets auf ihr Kommando hören, war selbstverständlich glücklich, dass er wieder da war. Der canine Verbrecher.

 

 

3 Kommentare

  1. Ich entschuldige mich vorab: ich musste doch sehr lachen.
    Und verstehe das Herzstehenbleiben etc. nur zu gut!.
    Liebe Grüße, Martina
    Einen schönen, entspannten Sonntag Euch allen.

    PS: das FB*C*I-Fahndungsfoto von Sean am Schluss des Textes sieht aber auch zu goldig aus, den würde ich niemals verraten!

  2. Ich will ja jetzt kein Spielverderber sein, aber manche Kommunen verstehen bei so etwas keinen Spaß:
    Wenn Hunde Wildtiere verletzen oder töten, ist das keine Bagatelle, sondern eine mögliche Straftat. Dabei muss es gar nicht zu Verletzungen kommen, damit ein Verstoß vorliegt. Hundebesitzer können bereits belangt werden, wenn der Hund Wild aufscheucht oder ihm nachsetzt.
    Der Schutz des Wildes ist hoch angesiedelt. So sieht z.B. das Hessische Jagdrecht vor, dass Jagdausübungsberechtigte, in der Regel die zuständigen Jäger, befugt sind, „Hunde, die im Jagdbezirk außerhalb der Einwirkung von Begleitpersonen Wild nachstellen, … , zu töten.“
    Hunde sollen, so sagen Jäger, demnach aus einer Entfernung von 100 Metern unverzüglich auf Zuruf hören und reagieren.
    Ich wünsche Hund und Herrchen, dass es beim Spaß bzw. Schreck bleibt.

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