„Miauuuuuhuhuhuhuhuiauhuhuhuhuuuuu!“, tönte es hinter der verschlossenen Wohnzimmertür. Wie eine kleine Sirene, die eine Gesangsausbildung bei einer italienischen Belcanto-Sängerin gemacht hat. „Miauuuhuhuhuhuuuuhu. Huhu! Hört mich denn niemand?“
Frycek Fritołowski trommelte ungeduldig mit den Pfoten gegen die Tür und warf sich schließlich mit dem ganzen Körper dagegen, dass es schepperte. Das hat ihm der kleine freundliche Hund aus Bremen beigebracht, dem es offensichtlich angeboren war, geschlossene Türen einfach einzutreten. Leider hielt die Tür seinen Anstrengungen stand, aber es lärmte sehr ordentlich.
„Lass das, Fritte“, hörte er eine Stimme aus dem Schlafzimmer. „Ich lass dich gleich raus. Nur noch einen kleinen Moment!“ Die Stimme klang undeutlich, und das nicht nur, weil die Schallwellen sich an einer geschlossenen, aber noch vibrierenden Wohnzimmertür brachen.
„Esst ihr da etwa?“, rief Fritte empört, so laut er konnte. „Was esst ihr da? Ohne mich?“
„Natürlich nicht!“, kam es zurück, aber weil es eher klang wie „Mapürmich michd“, glaubte Fritte der Stimme kein Wort. „Lasst mich sofort raus! Ich habe auch Hunger!“
„Ich komme ja schon“, verkündete die Stimme, nun wieder unverzerrt und Fritte hörte, wie sich Schritte näherten. Dann öffnete sich die Zimmertür und die dicke freundliche Frau begrüßte ihn fröhlich mit: „Hallo, Kleiner! Wo warst du denn die ganze Zeit?“
„Haha“, machte Fritte und drückte sich an ihr vorbei in den Flur und ins Schlafzimmer, wo er sofort den Nachttisch und den Papierkorb auf Essensreste kontrollierte. Nichts. Fritte hüpfte aufs Bett, wo Frl. Leonie Mau gemütlich auf ihrem Kissen in der Ecke lag und sich putzte. So als ob sie gerade etwas gegessen hätte.
„Hauch mich mal an!“, rief Fritte und sprang mit einem großen Satz auf Leo zu.
„Kchchchchchchchchch!“, machte Leo wütend. „Komm bloß nicht noch näher, sonst muss ich dich leider verprügeln.“
Ohne eine erkennbare Bewegung hatte Leo plötzlich die Krallen ihrer beiden Vorderpfoten ausgefahren, die ziemlich spitz aussahen, wie Fritte fand. Was sicherlich daran lag, dass die dicke freundliche Frau Leo niemals die Krallen kürzte – im krassen Gegensatz dazu, dass sie ihm, dem armen kleinen Fritzekater, mindestens einmal pro Woche mit der Krallenschere zu Leibe rückte. Und nicht nur Krallen zeigte Leo, sondern auch ihre Zähne. Was unfair war, fand Fritte, denn die Krankenkasse hatte seinen Antrag auf ein Vampirgebiss aus dem Kaugummiautomaten noch immer nicht bewilligt, sodass er nach wie vor zahnlos wie ein Stofftier durch die Gegend lief und gefährlich zu sein versuchte. Er würde es Leo niemals sagen oder gar zeigen, aber vor ihrer gut bewaffneten vorderen Hälfte hatte er durchaus Respekt. Wenn sie ihm aber den rundlichen Streifenpopo zuwandte, dann konnte er einfach nicht widerstehen und musste rumtatzen.
Da der weniger bewaffnete Streifenpopo gerade außer Sicht war und Leo mit ihren stechenden Argumenten angab, saß Fritte nun, harmlos aussehend und mit einem gewissen Sicherheitsabstand, mitten im Bett und versuchte es mit schönen Worten.
„Liebste Leo“, säuselte er, „wir haben uns so lange nicht gesehen. Ich war mindestens drei Stunden eingesperrt. Was habt ihr denn bloß so lange gemacht?“
„Es waren siebzehneinhalb Minuten“, gab Leo unbeeindruckt zurück, „und wir haben gegessen. Wie du auch, nur nicht ganz so hastig.“
„Gegessen!“, rief Fritte. „Ich habe es doch gewusst. Was gab es denn?“
„Trockenfutter, Käsebrot und Gemüse“, sagte Leo. „Rate, was ich gegessen habe.“
„Wieder nur das langweilige Trockenfutter?“
„Natürlich.“
Fritte würde niemals begreifen, warum sich Leo nichts aus dem Essen der dicken freundlichen Frau machte. Kaum, dass sie ihr mal die Butter vom Brot leckte oder eine Olive vom Teller klaute.
„Ich hätte alles gegessen!“, behauptete Fritte. „ALLES.“
„Womit sich die Frage, warum du alleine und hinter verschlossenen Türen essen musst, mal wieder von selbst beantwortet hätte“, stellte Leo gelassen fest.
„Na, ihr Kätzchen“, sagte die dicke freundliche Frau, die das Schlafzimmer betrat. „Spielt ihr schön?“
Leo winkte nur gelangweilt ab, während Fritte die Frau begeistert begrüßte: „Da bist du ja endlich. Darf ich in deinem Gesicht liegen?“
„Weißt du eigentlich, was für ein Tag heute ist?“, fragte die dicke freundliche Frau, während sie es sich auf dem Bett gemütlich machte und Fritte davon abhielt, sich direkt in ihr Gesicht zu kuscheln.
„Nein“, sagte Fritte aufgeregt. „Was ist denn für ein Tag? Ist etwa mein Geburtstag? Bekomme ich eine Torte? Und Geschenke?“
„Das glaube ich eher nicht“, erwiderte die dicke freundliche Frau und strich ihm beruhigend über Köpfchen. „Aber heute vor einem Jahr, beziehungsweise morgen, beziehungsweise am ersten Februarwochenende 2024, bist du hier eingezogen. Bei Leo und mir.“
„Wirklich?“, fragte Fritte begeistert. „Vor genau einem Jahr? Ist ja toll. Bekomme ich eine Torte? Und Geschenke?“
„Bekomme ich Schmerzensgeld?“, fragte Leo, als Fritte kurz Luft holen musste.
„Die Torte haben wir leider beim Bäcker vergessen“, sagte die Frau. „Aber wir haben tatsächlich ein Geschenk für dich.“
Und wirklich, da hielt sie doch tatsächlich ein bunt verpacktes Päckchen in ihrer Hand.
„Mein Geschenk!“, schrie Fritte begeistert, „ich bekomme ein Geschenk! Los, gib her!“
Und schon riss er der dicken freundlichen Frau das Päckchen aus der Hand und begann damit, das Einwickelpapier zu zerfetzen. Was angesichts der Tatsache, dass er keine Zähne und gut gekürzte Krallen hatte, etwas länger dauerte als erwartet. Aber schließlich hielt er einen hübschen bunten Karton in der Hand und las laut vor, was in großen Buchstaben darauf stand: „Cat Activity – Strategie-Spiel. Wow, ein Spiel. Ich habe ein Spiel bekommen. Guck mal, Leo, ist das nicht toll?“
„Toll“, sagte Leo, „ich hätte ja das tausendteilige Puzzle genommen, aber das hier ist sicher auch eine schöne Beschäftigungstherapie für dich. Viel Spaß!“
Fritte konnte es kaum glauben, aber die dicke freundliche Frau hatte tatsächlich Leckerlis dabei. Die sie jetzt auf der runden Scheibe mit den Dellen und Deckeln und Hebeln, die Fritte gerade ausgepackt hatte, verteilte. Dann stellte sie es vor ihm auf den Fußboden. „Bitte schön.“
Fritte stürzte sich sofort auf sein neues Spielzeug. Schließlich hatte er genau gesehen, wie die dicke freundliche Frau es mit Leckerlis bestückte. Nur … wo waren die Leckerlis? Fritte konnte sie riechen, ganz deutlich, aber nicht sehen. Verwirrt blickte er zu der dicken freundlichen Frau und Leo, die neben ihr auf der Bettkante sah, auf: „HÄH?“
„Ein bisschen Mühe musst du dir schon geben“, erklärte die dicke freundliche Frau, „dann ist es ganz leicht. Guck mal, diese Deckel, die kann man zur Seite schieben und darunter …“
„Darunter liegt ein Leckerli!“, schrie Fritte begeistert. „Haps.“
Und schon rüttelte er am nächsten Deckel auf der Scheibe. Auch der glitt zur Seite und gab ein Leckerli frei. Juhu. Auf zum dritten Teil und schnell mit der Pfote … Oh, dieses Teil ließ sich nicht verschieben. Fritte rüttelte kurz an der Klappe, die die Vertiefung mit dem Leckerli verschloss, herum. Ja, da lag es. Er konnte es sehen, aber nicht erreichen, weil die Klappe sofort wieder zufiel.
„Pass auf, Fritti“, sagte die dicke freundliche Frau. „Das ist für Fortgeschrittene. Du musst hier den Hebel umlegen, dann geht die Klappe auf.“ Sie tippte kurz auf einen halben Plastikfischschwanz, der neben der verklappten Vertiefung aus der großen Scheibe ragte. Der Fischschwanz bewegte sich und die Klappe öffnete sich. Fritte war schon fast mit der Tatze dran, da ließ die dicke freundliche Frau los und die Klappe schloss sich wieder.
„Ha!“, sagte Fritte. „Das kann ich.“ Und er begann, entschlossen an dem Fischschwanz zu rütteln. Das war einfach und tatsächlich ging die Klappe auch gleich ein kleines Stück auf. Es dauerte aber einen Moment, bis der aufgeregte Fritte es schaffte, die notwendigen Schritte in der richtigen Reihenfolge auszuführen: Hebel, Klappe, Tatze, Leckerli. Beim sechsten Versuch klappte es und er schnappte sich vergnügt das Leckerli. „Mehr, mehr!“
„Heute nicht“, erklärte die dicke freundliche Frau, „aber morgen wieder. Und dann nehmen wir auch noch die Hütchen, unter denen man was verstecken kann, dazu.“
„Ist das nicht ein tolles Geschenk?“, fragte Leo und Fritte nickte begeistert. „Ja, ganz toll!“
„Dann alles Gute zum Jahrestag!“, gratulierte Leo. „Mir ist, als wäre es erst gestern gewesen!“
Fritte wusste nicht genau, was sie damit meinte, aber da er die feste Absicht hatte, zur Feier des Tages auch noch an Leos rundlichem Streifenpopo rumzugrabbeln, wollte er keinen Streit anfangen. „Das ist ein schöner Tag. Und ein tolles Geschenk!“ Zufrieden hüpfte er aufs Bett, wo er sich gemütlich einrollte und die Augen schloss. Vorübergehend natürlich nur, aber sehr zufrieden.
Happy homecoming day and many happy returns, handsome Mr. Fritte!