Mein Essen – dein Essen

Ja, ich bin auch schon früher in Situationen gewesen, in denen meine Katzen mich nicht in Ruhe essen ließen. Natürlich. Früher, als ich noch Fleisch aß, zum Beispiel, da waren selbst sehr friedliche und satte Katzen in meinem Haushalt über Gebühr an meinen Mahlzeiten interessiert. Das ist allerdings mittlerweile so lange her (über 30 Jahre), dass die Erinnerungen ein wenig verblasst sind. Ein wenig … ich kann mich noch gut an einige Wochen Ende der 80er-Jahre erinnern, als ich selbst nur einen Kater, den wunderbaren und riesigen Otello, hatte, aber zwei Kater eines guten Freundes, der in der Reha war, uns besuchen kamen.

Mohrle und Garfield waren wunderbare Kater, groß, sanft und selbstbewusst. Sie kannten von zu Hause, weil ihr Mensch grundsätzlich auswärts aß, um jede Art von Hausarbeit zu vermeiden, gar kein Essen, das nicht für sie bestimmt war, und schon gar nichts Selbstgekochtes. Während ihres Aufenthaltes bei mir zeigten sie sich interessiert an meinen Mahlzeiten, egal ob Fleisch drin war oder nicht. Otello war sowieso ein gefräßiger Gierschlund, vor dem man auf der Hut sein musste. In der Kombi mit Mohrle und Garfield verlor er auch noch die letzten Hemmungen. Da ich damals in einer Wohnung wohnte, in der die Küche quasi ein Durchgangszimmer war, war es nicht einfach, Türen so zu schließen, dass ich mich nicht doch mindestens mit einer hungrigen Katze auf dem Teller wiederfand. Es gibt Fotos, auf denen auf meinem Bett sitze, einen Teller hoch in die Luft halte und drei gierige Kater auf mir und um mich herum alles geben, um mir die Beute abzujagen. Keine Fotos, aber für immer eingebrannte Erinnerungen fördern Bilder zutage, auf denen ich – ohne Wasser – in der Badewanne sitze und und zu essen versuche, während drei Kater auf dem Badewannenrand balancieren und gierige Krallenhände nach meinem Teller ausstrecken.

Nach Otello wurde es ruhiger. Sein Nachfolger Kinky war schon interessiert, aber nicht besonders gewalttätig, Maggie war zu faul – außer es ging um Oliven. Für Oliven hätte sie alles getan, Mundraub, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Mord, Brandschatzung. Alles anderes, was ich aß, war ihr egal. Ich gewöhnte mir an, zu Hause nichts mit Oliven zu essen.

Olga und Ida war mein Essen völlig egal. Weder wollten sie Tofu noch Käse noch Eis. Mit Frl. Lotti und Frl. Leo war und ist es ähnlich: Mein Essen gehört mir und wird meist keines Blickes gewürdigt.

Sie ahnen es bereits: Mit dem Fritzekatz ist es anders. Er gehört zu den Katzen, die an irgendeiner Stelle der Wohnung unter mehreren Bettdecken tief und fest schlafen können, so tief und fest, dass sie wirklich auf nichts reagieren. Außer Sie führen an irgendeiner Stelle unserer gemeinsamen Wohnung – und das kann ebenfalls unter mehreren Bettdecken sein – irgendeine Handlung aus, die vielleicht mit Essen zu tun haben könnte. Also, so etwas wie eine Bestell-App auf dem Smartphone öffnen oder an Essen denken oder so.

Diese Art Handlung führt umgehend, und mit umgehend meine ich so was von sofort, dazu, dass der Fritzekatz sich neben Ihnen oder auf Ihnen materialisiert, mit einem Blick die Lage erfasst und seinerseits beginnt, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um ALLES ESSBARE vollständig und ohne irgendwelche Reibungsverluste sofort in seinen Besitz zu bringen.

Dass es in meiner Wohnung keine Küchentür gibt, habe ich ja schon mehrfach erwähnt. Dass die Küchentür mir aber seit dem Einzug der Fritte mehr fehlt als jemals zuvor, habe ich meines Wissens noch nicht hinlänglich thematisiert. Ist aber so: Vielleicht wünsche ich mir zu Weihnachten einfach mal eine Küchentür.

Schon die Zubereitung von Essen ist in Frittes Gegenwart eine Herausforderung, weil Sie, um dabei irgendetwas auf die Reihe zu kriegen, schlicht mehr als zwei Hände benötigen. Allein zwei bis drei Hände brauchen Sie nämlich, um den Kater abzuwehren. Und Essen mit minus einer Hand zuzubereiten, ist mühsam und dauert verdammt lange. Wenn er nicht um Ihre Beine streicht und in unregelmäßigen Abständen eine Pfote oder seinen Schwanz unter Ihren Hausschuh schiebt, um dann bei Ihrem nächsten Schritt gequält aufzuschreien, springt er auf die Arbeitsplatte. Immer einmal häufiger als Sie ihn wieder runterheben oder -werfen. Immer. Wenn Sie ihn von der Arbeitsplatte nicht entfernen, klaut er Ihnen ungehemmt den Käse vom Brötchen und das Brötchen gleich mit. Vegane Wurst findet er toll, Hummus und Guacamole schlabbert er so weg, auch in der scharfen Variante, und selbst die Gurkenscheiben leckt er zumindest ab, bevor er sie Ihnen beleidigt zurückgibt: Das kann man doch nicht essen!

Kochen habe ich mir mehr oder weniger abgewöhnt, weil es fast unmöglich ist, Fritte davon abzuhalten, auf den Gasherd zu springen. Und ich mag den Geruch von brennendem Katzenfell einfach nicht besonders.

Wenn ich gut bin, sperre ich also den Fritzekatz im Wohnzimmer ein, bevor ich überhaupt in die Küche gehe. Idealerweise mit seinem eigenen Essen, dann kann Leo auch in Ruhe im Schlafzimmer speisen, während ich in der Küche meinen eigenen Kram fertigmache. Das klappt aber nur abends. Morgens essen die Katzen ja viel früher also ich, sie bekommen also ihre Näpfe in den verschiedenen Zimmern, ich schließe die Türen und gehe zurück ins Bett.

Wenn ich an Homeoffice-Tagen oder am Wochenende aber mal am späten Vormittag zu Hause frühstücken möchte, dann läuft Fritte natürlich längst wieder frei in der ganzen Wohnung herum. Er liebt schließlich Gesellschaft und mag es gar nicht, lange im Wohnzimmer festzusitzen.

Da ich erstens weichherzig (meine Einschätzung) und zweitens weich in der Birne (Einschätzung des großen freundlichen Mannes) bin, arbeite ich an solchen Tagen eben um Fritte herum. So gut es eben geht. Was meistens dazu führt, dass ich meine Mahlzeit gehetzt und stehend einnehme. Sobald ich mich setze, werde ich von Fritte attackiert. Er macht das ziemlich professionell, hat offenbar jede Menge Übung. Pro Mahlzeit gibt es mindestens eine Szene, wie man sie sonst im Internet bei den ach so lustigen Katzenvideos findet, bei denen Katze und Mensch sich um ein Stück Essen streiten und keiner von beiden loslassen will. Im Internet handelt es sich bei dem Stück Essen normalerweise um Fleisch, bei uns im Allgemeinen um Käsebrötchen oder Kuchen oder Gemüse. Fritte versucht, sich in den Dingen festzubeißen – keine Ahnung, wie er das ohne Zähne macht – und lässt dann nicht mehr los, egal was ich mache. Meine Verteidigungsversuche sind meistens nicht sehr effektiv, weil ich vor Lachen überhaupt nicht mehr zielgerichtet agieren kann. Fritte findet das alles überhaupt nicht lustig, das macht es nicht weniger komisch.

Leo guckt sich unsere Balgereien meist aus sicherer Entfernung an und ist froh, dass sie nicht mitmachen muss, glaube ich. Wenn sie an meinem Frühstück interessiert wäre, könnte sie natürlich eine lachende Dritte sein und meinen Teller abräumen, während Fritte und ich uns um die vegane Fleischwurstscheibe kloppen, aber sie ist nicht interessiert. Kluge, kleine Leo.

 

2 Kommentare

  1. Damit scheint es klar zu sein, dass die Fritte wohl der Meister aller Fressräupchen ist.
    Pino war zwar auch ein ausgewachsenes Fressräupchen aber eben nur hinsichtlich Katzenfutter, -leckerli und das was ich gelegentlich dazu gereicht hatte.
    Mein Essen war zwar durchaus interessant, hat aber kein „haben wollen“ bei ihm ausgelöst obwohl er gerne beim Koch dabei war und auf seinem Hocker herum geflätzt ist.

    Ich wünsche euch, dass ihr mit der Zeit einen Weg findet, wie ihr dir wieder mehr Raum schaffen könnt beim Essen und Kochen.

  2. Was soll ich sagen? Matze und Rudi waren Kater. Also fraßen sie Katzenfutter (bis auf sehr wenige Ausnahmen). Punkt.
    Der spanische Teufel ist konditioniert auf das ‚Flupsch‘ der Gummidichtung der Kühlschranktür. Er beherrscht auch Teleportation aus dem Tiefschlaf und schmust mit Feldsalat. Grundsätzlich habe ich gute Nerven und Humor. Neulich rannte er über den Esstisch an meinem Teller vorbei, spießte in vollem Lauf ein Stück Hühnchen auf die Mittelkralle und humpelte auf drei Beinen von dannen. Und ja – natürlich war das irre lustig!
    Seitdem steht eine Blumenspritze immer in Reichweite. Sie lenkt ihn für einen Moment ab. Das reicht meistens schon. Ein erzieherischer Effekt ist quasi nicht vorhanden.
    Es ist einfach wie es ist.

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