Osternpopostern, gerne frohe.

Endlich Ostern. Endlich ein langes Wochenende mit viermal Ausschlafen ohne Wecker. Darauf freue ich mich schon seit Weihnachten, das letztes Mal ja leider so lag, dass nur drei freie Tage dabei rumkamen. Vier Tage am Stück. So viel freie Zeit hatte ich seit dem letzten Sommer nicht. Was man da alles machen kann! Vor allem, wenn es draußen arschkalt ist und regnet. Ein bis zwei Serien gucken oder endlich mal wieder ein gutes Buch lesen.

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Aus gegebenem Anlass: Spezial-Lesefutter.

Ostern an sich feiere ich nicht. Haben wir eigentlich nie so richtig gemacht in der Familie. Also, Ostereiersuchen schon, aber ansonsten waren wir weder zu irgendeinem Gottesdienst in der Kirche noch sonst irgendwie durch religiöse Vorschriften in Denken und Tun eingeschränkt. Auch nicht in der Zeit, in der mir Kirche und Glauben noch viel bedeuteten (in Teenagerzeiten). Dafür war mir diese Verleumdungs- und Kreuzigungsstory immer zu unangenehm und eklig. Ich habe Hinrichtungen aller Art immer abstoßend und unmenschlich gefunden und der Erlösungsgedanke und die Behauptung, Jesus hätte sich für uns alle also auch mich geopfert, war und ist mir da beileibe kein Trost.

Also: Kein heiliges Osterfest für mich. Damals wie heute. Ansonsten hat sich die Lage definitiv verbessert: Ich habe Netflix und Amazon Prime und werde nie wieder vor einem sterbenslangweilig-heiligen öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm verzweifeln. Falls ich Zeit zum Glotzen und Chillen habe. Mein Freund und ich sind uns beide darüber einig, dass wir uns an diesem Wochenende so gut wie möglich erholen und entspannen wollen, was aber die To-Do-and-Do-it-now-Liste nicht unbedingt kürzer macht.

Mein Freund und ich hatten uns ansonsten als eine der wichtigsten Aufgaben für dieses Wochenende vorgenommen, von Donnerstagabend bis mindestens Montagmittag durchgehend zu trinken. Ein großartiger Plan, der leider daran scheiterte bzw. vorübergehend ausgesetzt werden musste, dass uns schon am Karfreitagabend der Wein ausging. Die Frage, ob man auch von Lakritzlikör hinreichend betrunken werden kann oder ob man auf jeden Fall vorher kotzen muss, ist noch nicht abschließend geklärt, denn gestern waren die Geschäfte ja wieder geöffnet und wir haben noch etwas Wein und Bier nachkaufen können.

Eine weitere gute Nachricht ist, dass seit gestern der Pool im Fitness-Studio wieder geöffnet ist. Eine Woche war er wegen Wartungsarbeiten geschlossen und ich kann Ihnen sagen, ich weiß jetzt, wie so ein an Land gespülter Wal sich fühlen muss. Furchtbar und unbeweglich und gefangen in einer schlechten Welt. Mit letzter Kraft schleppte ich mich also gestern zum Pool, plumpste hinein und erfuhr die wunderbare Wandlung durch Wasser: Von einem unbeweglichen Klumpen träger Masse wurde ich in Sekundenschnelle zu einem nassen unbeweglichen Klumpen träger Masse! Unglaublich.

Klar übrigens, dass April die Giraffe den Moment, in dem ich nach einer Woche Entzug endlich wieder ins Wasser durfte, nutzen musste, um endlich ihr Baby zur Welt zu bringen. Ich saß schon im Bus zum Fitness-Studio, als die Twitter-Benachrichtigung einer Followerin (der ich dafür natürlich ewig dankbar sein werde) mich freundlich darauf aufmerksam machte, dass bei Twitter die Fruchtblase zu sehen sei! Sie können sich vorstellen, dass ich den größten Teil meines April-Datenvolumens verbrauchte, um April, aus deren Hinterteil zwei Hufe ragten, zu beschwören, sich entweder jetzt mit ihrer Niederkunft zu beeilen oder zu warten, bis ich zumindest aus dem Wasser wieder raus war. Was sie netterweise auch tat. Dies führte zu weiteren Beschwörungen meinerseits, das Baby bloß nicht im Bus zu bekommen. Also, während ich im Bus saß. Sie lief ja währenddessen in ihrem Stall auf und ab. Weil April eine ungewöhnlich freundliche und zugewandte Giraffe zu sein scheint, konnte sie es tatsächlich so einrichten, den spannenden Teil des Geburtsvorgangs erst einzuleiten, als ich wieder – noch leicht feucht und nicht so gut eingecremt, wie meine Haut es gerne gehabt hätte – auf meinem Sofa angekommen war und alle internetfähigen Geräte meines Haushalts Aufnahmen aus dem Giraffenstall zeigten.

Nachdem die Hufe des Giraffenbabys fast zwei Stunden lang zu sehen waren, sich aber außer Aprils Zunge, die die Füßchen sorgsam saubergeleckt hatte (so ein langer Hals ist irgendwie echt nützlich!), sonst nicht viel bewegt hatte, ging es dann irgend auf einmal recht schnell weiter. Irgendwann sah man eine spitze Giraffenschnute, dann den vollständigen Kopf, dann zwei Ohren und dann gab es kein Halten mehr und das Baby kam mit einem vorbildlichen Doppelsalto vorwärts gänzlich ans Licht und landete relativ weich im vorher vom menschlichen Personal noch rasch nachgestreuten Spezial-Giraffenstreu, das übrigens viel Ähnlichkeit mit Sägespänen hat.

April war die ganze Zeit über unfassbar ruhig und wusste offenbar ganz genau, was sie zu tun hatte und wie. Das Baby war gerade erst aus ihr herausgepurzelt und schon stand sie über ihm, leckte es trocken und begrüßte es zärtlich in dieser Welt. Es dauerte dann auch nicht lange, bis das langbeinige kleine (naja, für Giraffenverhältnisse) Kerlchen den Kopf hob, etwas später seine Beinchen bewegte und noch etwas später auf seinen wackeligen Stelzen stand und auch nicht aufhörte zu suchen, bis es die mütterliche Milchquelle gefunden hatte. „All is well“, postete der Animal Adventure Park kurz darauf mit einem Foto vom ersten Baby-Trinkvorgang.

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„All is well.“ – April the Giraffe und ihr Neugeborenes.

„All is well“, könnten wir uns jetzt auch sagen und uns, nach Wochen des Wartens auf das Giraffenbaby, wieder anderen, zweifelsohne wichtigeren Fragen zuwenden. Aber es ist Wochenende, Ostern sogar. Warum also die Eile? Wer hindert uns denn, noch eine Weile der glücklichen Giraffenmama und ihrem Baby, das wohl ein kleiner Giraffenbulle ist, zuzusehen? Die erste Kontaktaufnahme zwischen Baby und seinem Giraffenpapa Oliver in der Box nebenan war schließlich auch ein ganz besonderer Moment, den ich nicht gerne versäumt hätte. Und das Wichtige und Schlimme auf der Welt läuft uns schließlich nicht weg. Es wird auch nicht schlimmer – und erst recht nicht wichtiger oder unwichtiger – nur weil eine Million Menschen den Livestream von der Giraffengeburt verfolgte. Und ganz bestimmt nicht, weil Menschen sich über den guten Ausgang dieser verrückten Internetgeschichte freuen.

Vorgestern (zum Glück, denn gestern zur selben Zeit wäre ich zwischen meiner Familie und der Giraffenfamilie hin- und hergerissen gewesen) war ich mit meinem Bruder bei meiner Mutter, die das Leben nach wie vor sehr und zu anstrengend findet und darüber nachdenkt, aus der Wohnung, in die sie vor nicht mal einem Jahr eingezogen ist, wieder auszuziehen. Es fragt sich nur, wohin. Na ja, die Möglichkeiten sind überschaubar. Mein Bruder und lesen uns gerade quer durchs Internet und verschiedene Druckerzeugnisse und nächste Woche lassen wir uns in einem der Hamburger Pflegestützpunkte beraten. Meine Mutter ist uns sehr dankbar für diese Vorarbeiten, sie hat dann hoffentlich genug Energie, um sich mit unseren Forschungsergebnissen dann auch mal zu befassen und letztendlich auch selbst die wichtigsten Entscheidungen zu treffen.

Um unserer Mutter das Leben direkt etwas weniger unübersichtlich zu machen, haben wir ihren ganzen Papierkram, Ordner, zu erledigende Ablage und halberledigte Post, eingesackt und zu mir gebracht. Etwas einschüchternd wirkt der Haufen schon und ich frage mich, wo ich den ganzen Kram eigentlich unterbringen soll. Aber Hauptsache, meine Mutter ist den Papierkrieg los. Ich muss wohl, um etwas freien Regalplatz zu bekommen, Bücher aussortieren. Das hasse ich. Ablage hasse ich übrigens auch und meine eigene mache ich höchstens einmal im Jahr. Eine Superidee also, mir auch noch die Ablage meiner Mutter mitzubringen. Aber: Sie ist halt meine Mutter und hat vor vielen Jahren mal mich zur Welt gebracht. An einem Karfreitag. Ich war ihr erstes Kind und sie war noch nicht ganz so entspannt mit der ganzen Sache wie April heute. Aber sie hat es hingekriegt (und noch einiges mehr). Ich musste noch nicht einmal kopfüber und aus zwei Metern Höhe auf den Boden plumpsen und eine halbe Stunde später schon aufstehen und laufen. Insofern: Das bisschen Papierkram werde ich ja wohl bewältigen und den ganzen anderen Mist auch. Darauf noch einen Lakritzlikör!

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„Das bisschen Papier kriege ich schon unter. Kein Problem.“

Ich wünsche Ihnen frohe Ostern. Mit Kirche oder ohne, mit Ostereiern oder ohne, mit Ihrer Familie, mit anderen Menschen, Tieren und von mir aus auch Außerirdischen, mit einem Giraffenlivestream, mit Kunst, Musik, Theater, Netflix oder Amazon Prime, mit einem guten Buch, mit Wein, Bier, Cocktails, Kaffee, Kakao oder Rhabarberschorle, mit dem Lieblingsmenschen, gerne ohne Lammbraten, mit guten Erinnerungen, mit ausführlichen Mittagsschläfchen und mit Wasser im Pool oder unter dem Kiel. Mit der Gewissheit, dass auf dieser Welt nicht alles gut ist, dass Auszeiten aber nicht nur erlaubt, sondern notwendig sind. Dass es wichtig ist, sich auch mit belanglosen, albernen und nicht unbedingt nützlichen Angelegenheiten zu beschäftigen, wenn man daraus Kraft ziehen kann für die wichtigen, schwierigen und unangenehmen Angelegenheiten.

Ich wünsche Ihnen frohe Ostern.

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„Hör jetzt mit dem Unfug auf und fütter mich endlich!“

4 Kommentare

  1. Ach. Hach. Das mit Dir und der Giraffe – so wunderschön!

    Und das mit dem Lakritzlikör: so tragisch, mensch, das hätte voll ins Auge gehen können! 🙂

    Fröhliche Ostern Euch allen und tolle weitere freie Tage!

    1. Ich weiß.Lakritzlikör ist lecker, aber tückisch. Und ich vertrage doch nicht wirklich viel Alkohol… nun ja. Bisher ist noch alles gut gegangen und ich bin sogar endlich mal ausgeschlafen! Frohe Ostern dir! Und natürlich den Damen!

  2. Vielen Dank für die guten Wünsche. Die traurige Wahrheit ist: Selbst ein unsortierter Schuhkarton sieht besser aus als meine Ordner! Aber egal. Hauptsache, meine M utter muss sich um den Kram keine Gedanken mehr machen. Um den Lakritzlikör habe ich bisher einen Bogen gemacht, aber es sind ja noch zwei Tage übrig. Dir auch schöne Ostern!

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