Wahl- und Wahnvorstellungen

Ein erstaunlich ruhiger Samstagnachmittag in Hamburg-Neustadt. Von der angesagten großen Demo gegen den Rechtsruck ist nichts zu hören. Das ist ungewöhnlich, normalerweise hört man hier immer was, wenn sich mehrere Zehntausend Demonstrierende von der Willy-Brandt-Straße aus in die Innenstadt bewegen. Später kommt ein vereinigter Zug aus zwei Demonstrationen noch dichter hier vorbei, die Abschlusskundgebung findet auf dem Heiligengeistfeld statt, aber momentan herrscht noch Ruhe. Was ich irgendwie seltsam finde. Vielleicht sind weniger Menschen unterwegs als erwartet? Aber wie kann das sein, einen Tag vor der Bundestagswahl? Nachdem die letzten Umfragen ergeben haben, dass noch 27 Prozent der Wahlberechtigten unentschieden sind?

Gut, Hamburg hat die Sache mit den vorgezogenen Bundestagswahlen schwer getroffen, denn gleich am nächsten Sonntag geht es ja mit den regulären Bürgerschaftswahlen weiter. Die vorgezogenen Bundestagswahlen haben sich einfach im Kalender vorgedrängelt und den Sonntag vor den Bürgerschaftswahlen besetzt. Ganz schön nervig, zwei Wahlsonntage hintereinander. Kein Wunder, dass offenbar viele Menschen ihre Stimmen schon vorab in den bereits geöffneten Wahlstationen und per Brief abgegeben haben. Ich ja auch.

Ob das Ergebnis der Bundestagswahl die Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft beeinflussen wird? Vermutlich. Andersherum, also erst Hamburg, dann Bundestag, wäre deswegen eigentlich günstiger gewesen. Schließlich wird in Hamburg ziemlich sicher davon ausgegangen, dass die SPD und die Grünen zusammen die Mehrheit der Stimmen erhalten werden. Davon können die Bundes-SPD und die Bundes-Grünen wohl nur träumen.

Ich kann mich noch daran erinnern, dass es in Hamburg mal eine schwarz-grüne Regierung gab, nicht sehr lange, zwischen 2008 und 2010, und dass ich über diese Koalition so entsetzt war, dass ich am liebsten von den Grünen meine Stimme zurückgefordert hätte und diese Partei dann auch, brutal konsequent wie ich damals noch war, dann erstmal nicht mehr gewählt habe.

So ändern sich die Dinge: Eine schwarzgrüne Bundesregierung wäre aus meiner Sicht bei der morgigen Wahl noch beinahe der bestmögliche Ausgang, wenn auch – vor allem wegen des Kanzlerkandidaten der Union – an sich keineswegs wünschenswert. Oder der zweitbestmögliche nach Rot-Grün-Rot, was ich im Prinzip sehr okay fände, was die Zahlen aber wohl nicht hergeben werden, auch wenn die Linke ja in den letzten Tagen noch kräftig aufgeholt hat. Seufzpopeufz.

Der Gedanke an FM als Bundeskanzler, egal in welcher Koalition, erfüllt mich mit Brechreiz. Auch wenn er die Wahl ohne die Kumpels vom rechten Rand für sich entscheiden kann. Schlicht und einfach Brechreiz. Wie kann man dem Typen bloß diesen Job zutrauen? Einem berufspolitischen menschenverachtenden Stehaufmännchen, dessen Moral auf einen Bierdeckel passt und das keinen Satz sagen kann, den es nicht anschließend auf irgendeine Weise relativieren oder gänzlich zurücknehmen muss? Hauptsache Schlagzeilen? Örks.

Noch immer ist keine Demo zu hören. Seltsam, aber dann eben nicht. Dann mache ich es mir jetzt mit den Katzen und einer Tüte Kekse gemütlich. Rückzug ins Private, das können wir gut und Kekse haben wir da. Immerhin.

 

 

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