So langsam nähert sich das Jahr 2025 seinem Ende. Wir sind schon in der zweiten Hälfte des Monats November, es ist drei Viertel des Tages (mindestens!) dunkel und bei Netflix sind die Cover von etwa 80 Prozent der neu hochgeladenen Filme und Serien in dunkelgrün, rot und weiß gestaltet. Es dürfte also klar sein, was da auf uns zukommt.
Das Kirchenjahr endet übrigens schon an diesem Wochenende, also heute, mit dem Ewigkeitssonntag, der früher Totensonntag hieß, jedenfalls da, wo ich groß geworden bin. Und dann, ab Montag, beginnt die Adventszeit: Kürbisse, die eben noch im Hauseingang dekorativ aussahen, verschwinden in Ausnahmefällen in Kochtöpfen, in den meisten Fällen aber im Kompost oder im Restmüll, Lichterketten und Herrnhuter Sterne in allen Größen und Farben werden eingeschaltet, Spekulatius werden zum Tee gereicht und auch die Weihnachtsmärkte dürfen endlich aufmachen. Oh. Wait. Die Weihnachtsmärkte, zumindest in Hamburg, sind zum allergrößten Teil längst geöffnet, einige schon seit Anfang oder Mitte November.

Warum? Tja, da treffen die Interessen der Wirtschaft auf die Traditionen und Regeln der Kirche. Wobei die evangelische Kirche in dieser Hinsicht offenbar nicht so streng oder nicht so durchsetzungsfähig sind wie die katholische Kirche in den Städten und Bundesländern, in der diese dominiert. Denn an der Schwäche der Wirtschaft in eben jenen Regionen kann es wohl nicht liegen, dass dort – so sagt es zumindest das Internet – die allermeisten Weihnachtsmärkte erst am Montag, 24. November 2025, aufmachen dürfen.
Die evangelische Kirche weist dezent, aber völlig korrekt darauf hin, dass der Totensonntag zu den stillen Feiertagen gehört, also zu den Tagen, die eher der inneren Einkehr als der Einkehr am Glühweinstand gewidmet sein sollten. Auch findet sie – ebenfalls völlig zurecht aus meiner Sicht – dass die Adventszeit durch die erzwungenen Verlängerungen beziehungsweise einen früheren Beginn ein bisschen von ihrem Zauber und ihrem Glanz einbüßt.
Mal davon abgesehen, dass ich keinen Glühwein mag und den Gedanken, zwischen Betonpollern und Bereitschaftspolizisten ruhig und besinnlich über einen Weihnachtsmarkt zu schlendern, für mich persönlich sowieso eher abwegig finde, halte ich das tatsächlich für ein bedenkenswertes Argument. Wenn die Weihnachtszeit inklusive der Weihnachtsmärkte schon im September, sobald die Weihnachtsleckereien in die Supermärkte einziehen, losgingen, hätten wohl nicht wenige von uns sie spätestens Mitte November so was von satt… Ich meine, die meisten von uns haben doch, in der Schule oder auch einfach so, die schöne Erzählung „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ von Heinrich Böll gelesen und wissen, was zwei Jahre Weihnachten nonstop mit einer Familie machen.

Vier Wochen Advent sind Standard und sozusagen garantiert und wenn die Glühwein- und Herrnhuter-Verkäufer*innen auf den Weihnachtsmärkten Glück haben, kommen noch ein paar Tage bis zum Heiligabend als Bonus dazu. Das muss doch wohl reichen! Ich meine, irgendwann muss es doch auch wieder möglich sein, Innenstädte ganz normal vorzufinden. Aber das ist natürlich nur meine Meinung.
Lustig fand ich es, als diese Woche in der Trauergruppe eine Teilnehmerin beschrieb, wie sehr sie es genießt, es sich abends zu Hause mit Kerzen gemütlich zu machen. „Und die Lichterkette stöpsele ich dann auch schon ein“, gab sie etwas verschämt zu. „Aber nur, weil das Licht so schön ist.“
Eine kurze Diskussion entspann sich und zum Glück waren alle Beteiligten einer Meinung: Im eigenen Zuhause kann man sehr wohl eine Lichterkette schon vor dem Beginn der Adventszeit einschalten. Ebenso darf man schon Weihnachtsfilme gucken und Spekulatius mampfen, wenn es dem eigenen Wohlbefinden dient. Und man muss deswegen auch nicht unbedingt blickdichte Rollos runterlassen.
Mit Kerzen bin ich, seit Fritthelm Frittrichsen hier wohnt, ja sehr sparsam geworden. Ich mag einfach den Duft angekokelter Katzenhaare nicht. Aber einen Weihnachtsfilm habe ich auch schon gesehen, am Donnerstag dieser Woche, als ich spät zu Hause und völlig durchgefroren war, so dass mein Hirn und Frl. Leonie Mau sich sofort für ein dunkelgrün-rot-weißes Filmcover entschieden haben. Das Stollenkonfekt, das der große freundliche Mann mir mitgebracht hatte, habe ich schon vor Wochen aufgegessen, nicht unbedingt, weil ich die Weihnachtszeit vorziehen wollte, sondern weil ich wusste, dass ich in der Weihnachtszeit Diät machen würde.
Gutes Timing, sagen Sie? Seufz. Ich weiß. Aber es ging nicht anders und musste sein. Für mich gibt es dieses Jahr die doppelte Menge Weihnachtsfilme (Empfehlungen nehmen wir gerne entgegen) und dafür keine Süßigkeiten, überhaupt keine. Weihnachtsmärkte umfahre ich großräumig – und ich freue mich, wenn der Zauber im Januar vorbei ist.
