Wochenende in Hamburg

Ein sommerlicher Samstagnachmittag in Hamburg. Nach einigen Tagen mit viel Regen und Wind scheint heute wieder die Sonne und das, obwohl draußen vor dem Balkon die Bettwäsche hängt und zu trocknen versucht – das reicht normalerweise immer, um die Wettergötter zu einem kleinen Schauer zu inspirieren. Draußen auf der Straße sind viele leichtbekleidete Menschen unterwegs; schlecht sitzende Freizeitkleidung ist auch in Hamburg immer wieder ein Thema.

Irgendwas ist anders als an den letzten Wochenenden. Wir fühlen es genau, aber haben noch Schwierigkeiten, den Finger auf die Fakten zu legen. Bis ein kurzer Blick in die Hamburg-Nachrichten Klarheit schafft: Na klar. Es ist wirklich alles anders als an den letzten Sommer-Wochenenden in der Stadt: Es findet heute und morgen keine Großveranstaltung statt.

Keine sportlichen Wettkämpfe, keine Demos (obwohl es doch wirklich genügend Gründe zum Demonstrieren gäbe) und kein musikalischer Umzug mit Menschen in noch schlechter sitzender Freizeitkleidung aus ca. 200 Prozent Polyester. Keine gesperrten Straßen, keine nicht angefahrenen Bushaltestellen und keine Hubschrauberstaffeln, die so tief fliegen, dass sie den im Hinterhof liegenden Staub aufwirbeln und es notwendig machen, die Bettwäsche von der Leine gleich wieder zurück in die Waschmachine zu stecken.

„Was ist los?“, möchte man den Entscheidern der Stadt zurufen. „Gab es denn wirklich überhaupt niemanden, der an diesem sonnigen Samstag die Stadt für irgendeinen guten Zweck oder wenigstens lukrativen Zweck oder als völlig sinn- und zweckbefreite Kulisse für irgendein Spektakel nutzen möchte?“

Noch nicht einmal der Hamburger Dom zieht Menschen in die Stadt und sorgt dafür, dass auf allen Gehwegen und Plätzen Autos unerlaubt abgestellt werden. Aber, immerhin und oh Vorfreude, schon nächstes Wochenende beginnt der Sommerdom. Außerdem geht nächstes Wochenende die Pride Week los und am ersten August-Wochenende steht der Christopher Street Day an. Außerdem folgt im August noch das große Radrennen, und das, obwohl ich eigentlich ziemlich sicher bin, dass es dieses Jahr schon eins gegeben hat. Aber vielleicht gibt es da auch wichtige Unterschiede, also zwischen Radrennen, so ähnlich wie beim Triathlon und dem Ironman (merke: Jeder Ironman ist auch ein Triathlon, aber nicht jeder Triathlon ist auch ein Ironman).

Ich kann mich noch an die 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnern, in denen ich erwachsen wurde und nach einer behüteten, aber langweiligen Jugend im Hamburger Umland endlich wieder in die große Stadt zurückzog. Da wurde von Seiten der Stadt alles Mögliche und auch einiges Unmögliche versucht, um Touristen anzulocken. Weil zu wenig Menschen Städtereisen zu uns machten und die Stadt irgendwie vor allem für ihre Bewohner*innen da war. Bewohner*innen, die aber zu selten in Hotels übernachteten und auch grundsätzlich einfach zu wenig Geld ausgaben. Gierig und neidisch schaute man vom flachen Norden aus nach (West-)Berlin, zum Kölner Dom, auf Weinberge und Winzergemütlichkeit am Rhein und natürlich nach München, wo es im Grunde auch nicht viel zu sehen gab, aber die Alpen ganz in der Nähe waren. Und so begann man, auch in Hamburg mit aller Macht und schönen Anreizen, touristische Sehenswürdigkeiten zu erfinden.

Gut vierzig Jahre und eine Handvoll Musical-Theater, eine Elbphilharmonie und ein Miniator-Wunderland später, lässt sich feststellen, dass jetzt tatsächlich sehr viel mehr Reisende in die Stadt strömen als früher. Und wahrscheinlich geben sie auch Geld aus und darüber freuen wir uns doch alle, oder? ODER?

Hat übrigens schon wieder jemand was von Hamburg als Austragungsort für irgendwelche Olympischen Spiele ins Gespräch gebracht? Kann sich denn niemand erinnern, wie das beim letzten Mal gelaufen ist? Und nein, das ist noch keine 40 Jahre her, sondern gerade mal zehn.

Aber klar, Hamburg braucht dringend weitere Großveranstaltungen, damit es im internationalen Schwanzvergleich mithalten kann. Schließlich möchte sich niemand damit zufriedengeben, dass eine Stadt nur für die dort lebenden Menschen attraktiv und lebenswert ist. Das wäre ja wohl noch schöner. Genießen Sie also, sollten Sie sich gerade in Hamburg aufhalten, das ruhige Wochenende. Es könnte eines der letzten sein.

 

 

1 Kommentar

  1. Eine historische Altstadt gibt es leider nicht mehr. Das würde mich interessieren .

    Wie aufregend ist das Hamburg Dungeon?

    Herzliche Grüße an die Fellnasen.

    Andrea

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