Tage ohne Blogidee, dafür mit Angst vor einem leeren, weißen Blatt Papier. Genauer gesagt, einem leeren Word-Dokument, das weiß wäre, wenn der Monitor nicht von einer dünnen Staubschicht bedeckt wäre. Diese wächst von Woche zu Woche und ich vergesse immer, etwas dagegen zu tun. Entweder ich will schreiben bzw. arbeiten oder ich habe ein Staubtuch in der Hand. Beides gleichzeitig – Fehlanzeige. Offenbar ist der Leidensdruck noch nicht hoch genug, um im Schreiben innezuhalten, ein Tuch zu holen und den Staub zu entfernen. Oder vielleicht weiß ich auch nicht, wo ich in dieser leicht verlotterten Wohnung ein Staubtuch finden würde. Eben weil ich so lange keins benutzt habe.
Früher, als noch alle zwei Wochen die beste Putzfrau von allen kam und erstaunlicherweise Zeit fand, meine Wohnung grundzureinigen, obwohl sie eigentlich vor allem mit Olga und Ida gespielt hat, war irgendwie alles einfacher. Die Putzfrau putzte wirklich sehr effektiv und ich war auch viel weniger schlampig als heute, schon weil ich ja vor jedem ihrer Besuche schon mal ein bisschen vorgeputzt habe, damit sie sich nicht gar so sehr gruseln muss.
Schöne Zeiten, dahin, dahin. Über zehn Jahre ist es her, dass die Putzfrau sich endlich zur Ruhe setzte. Das entsprechende Alter hatte sie auf jeden Fall und ich hatte ihr schon untersagen müssen, in meiner Bude auf Leitern oder Stühle zu steigen. Sie zog dann auch um, zu ihrer Tochter, noch weiter raus aus der Stadt, und die Reise zu mir und vor allem Olga und Ida war ihr zu weit und beschwerlich geworden. Der Abschied von den Katzen fiel ihr ziemlich sicher schwerer als der Abschied von mir, aber trotzdem. Zu meinen Eltern ging sie nach wie vor, aber von allen anderen Kund*innen verabschiedete sich. Zum letzten Mal gesehen habe ich sie bei der Beerdigung meines Vaters, vor ziemlich genau zehn Jahren.
Zehn Jahre ohne Putzfrau, dafür aber mit dem Themenkomplex „Sterben, Tod und Trauer“ im Leben. Zehn Jahre, das ist ein Sechstel meines bisherigen Lebens. Gar nicht so wenig, aber auch längst nicht so lang, wie es sich meistens anfühlt. Zehn Jahre ist es her, dass mein Vater gestorben ist. Ziemlich genau zwei Jahre später, im Herbst 2017, fing ich mit dem Qualifikationskurs für das Ehrenamt im Hospiz an. Drei Jahre später, im Herbst 2020, habe ich meinen Job bei der Staatsoper gekündigt. Dann die eigenartige Corona-Zeit, in der ich meine neuen Weiterbildungen absolvierte, immer hübsch alleine zu Hause und draußen mit Maske. Eine Trauergruppen-Hospitation im Winter, wo alle mit Maske und Abstand im Kreis saßen und trotz Minusgraden alle 20 Minuten gelüftet werden musste. Eine weitere Trauergruppen-Hospitation, die komplett online stattfand, immerhin mit Bild und Ton (eine reine Telefongruppe hatte es auch gegeben, aber da war ich zum Glück nicht dabei). Dann meine ersten eigenen Trauergruppen, während meine Qualifikationskurse noch liefen. Ganz schön schräg und aufregend, aber trotzdem wusste ich, dass ich hier eine neue Bestimmung gefunden hatte. Noch etwas später kam dann die Erstellung der Website für das neue Hospiz auf Honorarbasis dazu und dann endlich, im Februar 2022, die Festanstellung. Wahnsinn.
Seitdem mache ich diesen Job, Trauer- und Öffentlichkeitsarbeit – so langsam weiß ich sogar gelegentlich, was ich da gerade mache. Alles in allem zehn Jahre, nur zehn Jahre. Ohne Putzfrau. Ohne Olga und Ida. Ohne meinen Vater und schleichend nach und nach auch ohne meine demenzerkrankte Mutter, die mittlerweile nicht mehr kommuniziert, sondern seltsam verrenkt und wortlos in ihrem Pflegebett liegt. „Auf sehr niedrigem Niveau stabil“, so nannte es die Wohnbereichsleitung in einem Gespräch neulich.
Ich bin sicher, dass man in meiner Wohnung noch Dreck aus dem Jahr 2015 findet, auch ohne sehr gründlich zu suchen. Haare von Olga und Ida bestimmt auch. Ich würde nicht sagen, dass mich meine Schlampigkeit nicht stören würde, denn das tut sie. Aber eben offenbar nicht genug, um häufiger mal den Staubsauger rauszuholen. Und dabei haben Frl. Leonie Mau und Fryttki Fritkuwiak gar nicht so viel Angst vor dem Ding wie Olga und Ida. Andererseits stören sie sich aber auch nicht an Unordnung und Staub in der Bude. Sie fühlen sich hier wohl. Sie kennen mich ja gar nicht anders und eine Putzfrau, die nur für sie Leberwurstbrot mitbringt, haben sie auch nie kennengelernt. Die tapferen kleinen Tiere.
Ja. Das kann ich so nachfühlen..
Alles. Aber krass, wie lange ich Dir und den Katzen eigentlich schon folge..
Das war auch mein erster Gedanke – verdammt, so lange ist das alles schon her! Irgendwie gruselig.
Und etliches davon … breiten wir lieber eine Staubschicht darüber.
Aber mal ehrlich: Mit Katzen und den entsprechenden „Katzeklos“ hast du einfach mehr Staub und Haare in der Wohnung. Das ist Sisyphusarbeit.