Kennen Sie diesen starken unstillbaren Drang, Weihnachtsplätzchen zu backen? Der von ganz tief drinnen kommt und, wenn er erst einmal an der Oberfläche angekommen ist, fast Ihr ganzes Sein bestimmt?
Nein? Ich auch nicht. Mein unstillbarer Drang, Weihnachtsplätzchen zu backen, ist erstens nicht unstillbar: Füttern Sie mich einfach mit Weihnachtsplätzchen aller Art und schon lege ich mich still und friedlich zurück in meine Ecke und schnaufe zufrieden vor mich hin. Zweitens kommt mein Drang ganz sicher nicht von innen, sondern ist erworben bzw. zwangserworben.
Also. Mein starker unstillbarer Zwang, Weihnachtsplätzchen zu backen. Ist jetzt aber da. Wie könnte es auch anders sein? Von allen Seiten wird man mit Abbildungen köstlichster Weihnachtsplätzchen bombardiert. Viele Twitterer dokumentieren jeden einzelnen verdammten Schritt ihrer Weihnachtsbäckerei in Bild und Ton – Rezepte und Gegengiftempfehlungen gibt’s gratis dazu. Und ich mag Weihnachtsgebäck! Plätzchen, Kekse, Schmalzkuchen, Spritzkuchen, Krapfen, Pfannkuchen, Stollen, Honigkuchen, Früchtebrot, Lebkuchen, Printen, Baumkuchenspitzen und vieles andere mehr… her damit. Nur Dominosteine mag ich nicht so (wegen der Glibberschicht), aber die übernimmt mein Freund.
Backen kann ich diese ganzen Köstlichkeiten natürlich nicht. Meine Küche ist klein, unordentlich und unhygienisch. Es gibt keinen Tisch und die Arbeitsplatte ist, wenn sie komplett freigeräumt ist, etwas kleiner als ein Backblech (das ich auch nicht habe) und immer noch voller Katzenhaare. Platz, um Teig auszurollen und Kekse auszustechen, gibt es definitiv nicht und irgendwas Essbares in die Nebenräume auszulagern, empfiehlt sich nur, wenn man Plätzchen mit Katzen-Fußabdrücken drauf mag.
Mein uralter Gasherd hat eigenartige Sondermaße, für die es kein Backblech mehr zu kaufen gibt. Außerdem lässt sich leider die Temperatur im Ofen nicht regeln: Er ist entweder an oder aus. Wenn er an ist, fängt ab und zu das Backpapier Feuer – das erklärt den eher rustikalen Geschmack der von mir zubereiteten Speisen und Backwaren. In den Ofen dürfen also nur Kuchen und Plätzchen, die man statt mit „40 Minuten bei 180 Grad“ auch „zehn Minuten an, fünf Minuten aus, zwei Minuten an, Rauchmelder deaktivieren, zwei Minuten aus, fünf Minuten an, Feuerwehr rufen, Plätzchen fertig“ backen kann.
Da Teig ausrollen und Plätzchen ausstechen nicht geht, backe ich vor allem Makronen, bei denen der Teig zu Kugeln geformt wird, und runde Kekse, die von der Teigrolle geschnitten werden. Wenn man die hinterher in Schokolade taucht und oder großzügig mit Puderzucke bestreut, sehen sie sogar halbwegs appetitlich aus.
Essen will die Dinger – außer mir – ja sowieso niemand. Oder kennen Sie jemanden, egal ob Plätzchenbäcker oder nicht, der im Moment nicht auf Diät ist? Schnell noch ein paar Pfund runterkriegen, damit man zu Weihnachten dann ungehemmt schlemmen kann… Sie kennen das. Und zu Weihnachten beschweren dieselben Personen sich dann, dass sie nun ununterbrochen essen sollen und dass da noch Plätzchen liegen, die nun auch langsam mal weg müssen!
Ich kann das alles nicht nachvollziehen. Ich lebe vor Weihnachten nicht Diät. Jedenfalls nicht freiwillig. Es ist schon schlimm genug, wenn man ständig nichts zu essen bekommt, weil eine einstündige Mittagspause nicht ausreicht, um sich quer über den Weihnachtsmarkt zum Supermarkt durchzuschlagen, und weil alle Restaurants rund ums Büro ständig rappelvoll mit Menschen sind, die offenbar nichts anderes zu tun haben, als in Restaurants Plätzchenrezepte und Diättipps auszutauschen.
An Weihnachten selber besteht bei mir auch keine große Gefahr, zu viel zu essen. Ich bin froh, wenn ich es schaffe, wenigstens Grundnahrungsmittel wie Kaffee, Brot, Milch und Bier in ausreichenden Mengen für die Feiertage ranzuschleppen. Da ich auch Essen überwiegend in der Innenstadt einkaufe, ist das an den letzten Tagen vor den Feiertagen wirklich kein Spaß. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwelche Lebensmittel dabei sind, aus denen man z. B. am zweiten Feiertag noch ein halbwegs sinnvolles Essen zubereiten kann, ist eher gering. Wir sind auch nirgendwo eingeladen, wo gekocht und aufgetischt würde, wir kennen offenbar nur „Dieses Jahr machen wir es uns mal leicht“-Menschen.
Insofern bin ich spätestens am zweiten Feiertag heilfroh, wenn ich irgendwo noch eine Dose mit Weihnachtsplätzchen finde. Also habe ich jetzt alle möglichen und unmöglichen Zutaten eingekauft und am Wochenende wird gebacken. Voraussichtlich werden es in Schokolade und Katzenhaare getauchte Erdnuss-Karamell-Makronen und Eigelbverwertungsplätzchen, die mit Marmelade gefüllt und in Mandeln, Puderzucker und Katzenhaaren gewälzt werden. Falls es Überlebende gibt, nachdem die Feuerwehr wieder abgerückt ist, poste ich vielleicht sogar ein Foto. Nur um auch in Ihnen einen unstillbaren Drang zu wecken, versteht sich. Katzenhaare für die weihnachtliche Dekoration Ihrer Machwerke könnte ich Ihnen übrigens zur Verfügung stellen, größere und kleinere Mengen, kein Problem. Deponieren Sie einfach Ihre Online-Bestellung.
Oh, Plätzchen backen unter erschwerten Umständen! Aber gebacken werden müssen sie, ich verstehe das sehr gut! Im Moment freue ich mich auf das Plätzchenbacken – aber fragen Sie mich in einer Woche nochmal …
Ach, bitte bloggen Sie doch weiter, mir gefällt es hier sehr!
Es grüßt: AnnJ