Freitagabend, kurz nach elf. Im Hause Keinzahnkatzen geht man ins Bett. Man, das ist frau, also die dicke freundliche Frau. Frl. Leonie Mau liegt schon seit dem Ende der Tagesschau im Bett und wartet, während Fritty McFrittface noch einmal die Küche nach letzten Krümeln essbarer Materie durchsucht. Die dicke freundliche Frau tütert so rum mit Nachtwäsche, Telefon, Ladekabel, Wasserflasche etc. Leo geht das – wie jeden Abend – nicht schnell genug; sie rennt nun auf der Bettkante hin und her, rollt hörbar mit den Augen und kräht unhörbar, aber mit weit aufgerissenem Schnäuzchen Befehle an die dicke freundliche Frau.
Diese beeilt sich und schwingt endlich die Beine ins Bett, um … oh. Da liegt ja ein Fritzekatz. Tief schlafend. Während die dicke freundliche Frau noch mit dem Einparken ihres rechten Hausschuhs vor dem Bett befasst war, ist Fritte an in ihr vorbei ins Bett gehechtet und auf der Stelle in einen Tiefschlaf gefallen. An einer ungünstigen Stelle, versteht sich. Erstens weil er mitten auf der gemeinsamen Bettdecke liegt und zweitens weil die dicke freundliche Frau jetzt nicht weiß, wo sie ihre dicken freundlichen Beine unterbringen soll.
Das ist Fritte aber egal. Leo auch. Sie hat sich anlässlich der Landung des Herrn Fritte im gemeinsamen Bett auf der Wandseite neben dem Kopfkissen der dicken freundlichen Frau eingerollt und starrt finster in die Gegend, um anzudeuten, dass sie diesen Platz auch gegen fiese Attacken und Durchkitzelversuche verteidigen wird.
Die dicke freundliche Frau seufzt, streichelt Leo beruhigend über das Tigerfell, seufzt erneut und wendet sich dann Fritte zu, der im Schlaf wie ein kleines Kätzchen aussieht, so lieb und brav und harmlos. Sehr vorsichtig versucht sie, die unter ihm eingeklemmte Bettdecke zu befreien, was er – ohne auch nur ein Auge zu öffnen – unterbindet, indem er eine krallenbewehrte Hand in die Decke rammt.
Die dicke freundliche Frau seufzt wieder und probiert eine neue Taktik: Sie schummelt ihre Beine unter das Stücke der Bettdecke, das unter Fritte hervorragt, und versucht, ihn dabei völlig unbeabsichtigt und ohne jede Aggression ein bisschen weiter Richtung Wand zu schieben. Was natürlich dazu führt, dass Fritte auch die zweite Krallenhand in die Decke schlägt und beginnt, seine erbeuteten Ressourcen zu verteidigen. Weiterhin mit geschlossenen Augen, versteht sich.
Leos Augenrollen in der Ecke neben dem Kopfkissen ist mittlerweile so laut, dass die Nachbarn es vermutlich hören könnten, wenn ihr Fernseher nicht so laut wäre. Die dicke freundliche Frau verliert auch langsam die Geduld und beschließt, zum Angriff überzugehen: Sie greift einen Zipfel der Bettdecke und zieht ihn zu sich heran, während sie gleichzeitig die Beine in die andere Richtung ausstreckt. Das funktioniert: Fritte rollt auf der Decke in Richtung Wand, funkelt seine beiden Mitschläferinnen kurz wütend aus zusammengekniffenen grünen Augen an und kuschelt sich wieder ins Bett, um weiterzupennen.
Puh, denkt die dicke freundliche Frau, das läuft ja gar nicht so schlecht heute. Sie streckt sich nun an der Gangseite des Bettes aus, so gut es geht, deckt sich mit dem Teil der Decke, der nicht in Frittes Hoheitsgebiet liegt, notdürftig zu und krault Leo, die immer noch mit großen Augen neben ihr liegt und im Geiste wahrscheinlich gerade eine Internet-Spendenaktion startet, um Fritte ein One-Way-Ticket nach Rumänien zu kaufen.
Eine herrliche Stille breitet sich aus, die nur in regelmäßigen (kurzen) Abständen von Katzenschnarchgeräuschen unterbrochen wird. Die dicke freundliche Frau entspannt sich langsam und auch Leo kommt zur Ruhe, nachdem sie sich noch ein paarmal um sich selbst gedreht hat, um dann die optimale Schlafposition einzunehmen: Mit dem Hintern an der dicken freundlichen Frau angedockt, mit dem Kopf genau im richtigen Abstand, um sich von ihr kraulen zu lassen.
Fast könnte ich einschlafen, denkt die dicke freundliche Frau, da hüpft ihr auf einmal etwas Grauweißes auf die Schulter. Fritte, der im angeblichen Tiefschlaf sehr wohl registriert hat, dass Leo sich noch einmal bewegt hat, und nun mal gucken will, ob vielleicht noch Platz auf dem Kopfkissen bzw. im Gesicht der dicken freundlichen Frau ist.
Die sieht Fritte schon an, was er da gerade überlegt, und sagt warnend: Fritte, nein. Hier liegt Leo!, aber da krabbelt er schon zwischen Leos Hinterteil und das Kinn der dicken freundlichen Frau und kuschelt sich auf der Fläche einer Espressotassen-Untertasse zusammen. Ziemlich unpraktisch, aber soooo niedlich.
Die dicke freundliche Frau hält vor Schreck die Luft an. Der Bereich neben dem Kopfkissen gehört Leo, das ist das ungeschriebene Katzengesetz in diesem Haushalt, egal, ob sie da gerade liegt oder nicht. Und nun macht Fritte sich in diesem Bereich breit.
Das Luftanhalten der dicken freundlichen Frau hat Leo natürlich auch gehört und sie wendet alarmiert den Kopf, um festzustellen, dass Fritte es sich nur wenige Zentimeter entfernt gemütlich gemacht hat. Vor Schreck hält nun auch Leo die Luft an. Entsetzte Blicke zwischen ihr und der dicken freundlichen Frau lassen die Luft knistern.
Fritte kriegt davon nichts mit. Natürlich nicht. Er schläft ja schon wieder tief und fest.
In Leos getigertem Schädel arbeitet es, das ist deutlich zu sehen. Nur wenige Sekunden später kommt sie zu einem Entschluss und beginnt zum Glück wieder zu atmen. Bei Tigermuster sieht man ja kaum, dass eine Katze blau anläuft, das ist sehr gefährlich. So wie Leo, wenn sie… nein, sie seufzt noch einmal, rollt hörbar mit den Augen und legt sich dann wieder hin. So groß und breit wie möglich und mit leicht gesträubtem Fell, so scheint es der dicken freundlichen Frau. Die Botschaft ist klar: Sie wird nicht wanken und weichen. Dafür aber vielleicht einen Penis auf Frittis Stirn malen, wenn er die nächste Tiefschlafphase erreicht. Einen nicht wasserlöslichen Stift hat sie für solche Zwecke nämlich schon vor längerer Zeit unter dem Kopfkissen deponiert.
Die dicke freundliche Frau entspannt sich auch langsam wieder und hofft, dass nicht sie diejenige ist, die morgen früh mit einem Penis auf der Stirn aufwacht. Weiterhin streichelt sie Leo beruhigend den Rücken und so ganz langsam wird es wieder still im Hause Keinzahnkatzen. In das zweifache Katzenschnarchgeräusch mischt sich ein sanftes menschliches Schnarchen und wenn der Fernseher der Nachbarn nicht so laut wäre, könnte man hören, dass das dreifache Schnarchen sehr harmonisch und gemütlich und erholsam klingt. Gute Nacht.
Oh so lieb.
Herzliche Grüße an die Fellnasen.
Andrea