Am Freitagabend in uns’rer Straße…

Freitagnachmittag nach einer kurzen, aber doch anstrengenden Woche. Sie haben eine anspruchsvolle Videokonferenz hinter sich und als Folge eben dieser Videokonferenz eine lange To-Do-Liste vor sich. Eine To-Do-Liste mit Anforderungen, die Sie erfüllen müssen, um Ihre Website bzw. die drei Websites, die Sie im Job betreuen, barrierefrei zu gestalten. Eigentlich haben Sie keine Lust mehr und Hunger, aber es ist nichts Essbares mehr im Haus, jedenfalls nicht für Menschen, und Picnicman mit der wöchentlichen Lebensmittellieferung hat sich erst für halb sieben oder noch etwas später angekündigt.

Sie beschließen also, schnell und nur um die Arbeitswoche mit einem Erfolg abzuschließen, schnell eine kleine Anforderung an die Website zu erfüllen. Eine einfache Sache, davon gehen Sie aus. Einfach nur das Hauptmenü in der Kopfzeile der Website um eine Suchfunktion, die die gewünschte zweite Zugangsweise zu den Inhalten darstellt, ergänzen. In der Fassung für Endgeräte wie Smartphones, in denen es kein horizontales Menü mehr gibt, sondern das platzsparende Burger-Menü  (ja, ich habe wirklich Hunger!), da ist die Such-Lupe nämlich automatisch zu sehen. In der Desktopfassung, die mein Laptop mir anzeigt, aber nicht.

Da die Kopfzeile, die in unseren Websites verbaut ist, auf einem vorgefertigten Element unseres Website-Baukastensystems beruht, weiß ich auch schon so ungefähr, in welchem Bereich im Backend ich vielleicht fündig werde. Trotzdem schaue ich mir noch schnell ein Video an, das in schwer verständlichem Amerikanisch daherkommt und mir noch eine andere Methode, die Kopfzeile, Fachterminus: Header, zu bearbeiten oder neu zu gestalten. Sie zeigt mir auch, wie ich das tun kann, ohne den Header bereits auf der öffentlich sichtbaren Website einzubauen, also im Vorschaumodus. Das klingt doch gut, denke ich und mache mich ohne großes Überlegen ans Werk.

Zwei, drei kleine Klicks, eine Eingabe, ein weiterer Klick und … oh, Moment, das war jetzt nicht gut. Habe ich da gerade einen weiteren vorgefertigten Header, den ich nur anschauen wollte, scharf geschaltet? Ich aktualisiere das Frontend, die reale, öffentlich sichtbare Website, und sehe, dass mein schöner Header mit Logo, Kontaktdaten, Social Media Icons und dem Hauptmenü verschwunden ist! Statt dessen wird ein völlig schiefes Menü in einer nicht von mir ausgewählten Schrift und Schriftgröße auf fast zwei Zeilen angezeigt, dazu ein in Farbe und Größe hervorgehobener Button „Kontakt“.

Eins, zwei, drei: „Mamaaaaaaaaaaaaa! Ich glaube, ich habe das Internet gelöscht!“

Voller Entsetzen stelle ich fest, dass es auf der Seite, auf der ich mich befinde, keine Rückgängig-Funktion gibt. Ich gehe zurück in die Gestaltungsoptionen im Backend zum Menüpunkt Kopfzeile: Hier sind all die Unterpunkte, mit denen ich den Header bisher für unsere Erfordernisse konfiguriert habe, verschwunden. Statt dessen oben auf der Seite ein blassrosa Hinweis, natürlich auch in Amerikanisch, das ich in diesem Moment ganz gegen meine sonstige Gewohnheit nicht fließend lesen kann, während mein Blutdruck sprunghaft neue Höhenrekorde einstellt. Ein Hinweis darauf, dass diese Konfigurationsmethode veraltet ist und nicht mehr angeboten wird.

Was? Wie bitte? Ich möchte doch nur die Elemente zurück, die bis vor zwei Minuten völlig unveraltet und sehr dekorativ den Einstieg in meine Website dargestellt haben!

Ich suche hastig und finde nichts. Ich springe auf, schreie ein bisschen und laufe durch die Wohnung, von zwei Katzen argwöhnisch beobachtet. Ich suche noch mal in Ruhe und finde wieder nichts. Ich kehre zurück auf die Layout-Gestaltungsseite, von der aus ich eben die Seite abgeschossen habe. Anscheinend muss ich mir hier einen neuen Header bauen und den dann so schnell wie möglich einsetzen.

Mit vor Aufregung zitternden Fingern ziehe ich mir die benötigten Elemente auf ein frisch bereitgestelltes Schlachtfeld. Das klappt so mittelgut, weil ich wirklich ziemlich aufgeregt bin und nicht mehr so besonders gut denken kann. Trotzdem möchte ich so schnell wie möglich irgendwas hochladen, was halbwegs ansprechend aussieht. Erst dann habe ich Zeit und Nerven für eine feinsinnigere Neugestaltung des Headers.

Es ist gar nicht so einfach, das Logo, das Suchfeld mit Lupe, die Social Media Icons, einen gelben Streifen, auf dem im Gegensatz zu vorher kein Text mehr steht (weil der Kontrast bei gelbem Hintergrund und schwarzer oder auch weißer Schrift nämlich nach Barrierefreiheits-Maßstäben nicht groß genug ist) und das Hauptmenü so zu arrangieren, dass der Header nicht aussieht wie von Doktor Frankenstein aus Leichenteilen zusammengenäht, aber ich kriege es einigermaßen hin.

Okay, in der Desktop-Ansicht für große Displays sieht es wieder halbwegs okay aus. Was ist jetzt mit der Variante für kleinere Displays? Ich schiebe mein Browserfenster zusammen und sehe, wie sich die Elemente anders arrangieren und das Menü zum Burgermenü wird. Puh. Das könnte ja erstmal genügen. Ich muss dringend aufs Klo und außerdem kommt Picnicman gleich.

Dummerweise klicke ich noch eben auf das Burgermenü und erstarre: Was mir hier angezeigt wird, ist das normale Hauptmenü und nicht das etwas anders zusammengesetzte Mobile Menu – das bedeutet, dass Websitebesuchende, die über das mobile Endgerät kommen, momentan keinen Zugriff auf die Unterseiten haben, die normalerweise in der Fußzeile angezeigt werden: Kontakt, Downloads, Impressum, Datenschutzerklärung. Da in der mobilen Ansicht keine Fußzeile gezeigt wird, habe ich diese Punkte ins Mobile Menu gepackt. Und eigentlich sollte die Software erkennen, mit welcher Art von Gerät die Seite angezeigt wird, und entsprechend das richtige Menü servieren. Aber nichts da.

Nun klingelt Picnicman, ich unterbreche also meine Verschlimmbesserungstätigkeiten und gehe in die Küche, wo ich versuche, gleichzeitig und schnell die Einkäufe zu verräumen und Gemüse zu braten. Mit der Folge, dass ich mit einer einzigen hektischen Handbewegung den nassklebrigen Inhalt meines Espressokocher-Filters in der gesamten Küche verteile.

Eins, zwei, drei: „Mamaaaaaaaaaaaaaaaaaa! Jetzt möchte ich bitte die Küche löschen. Oder einen Wiederherstellungspunkt für eine saubere Küche.“

Fritt-chen Frichung und Frl. Leonie Mau klemmen sich unauffällig ihre Teller, ihr Besteck und ihr Abendessen unter den Arm und verlassen die Küche. Sie können mir nicht helfen und sie wollen auch nicht.

Ich beschließe, mich erst nach dem Essen und einer kleinen Erholungspause wieder an den Rechner zu setzen. Ich hoffe, in der Zwischenzeit sucht niemand nach dem Impressum der Website oder falls doch, der oder die Betreffende nutzt dann einfach die ja nun vorhandene Suchfunktion. Dafür ist sie ja schließlich da.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert