Falls Sie am Montag gerade nichts Besseres zu tun haben, können Sie uns gerne die Daumen drücken. Also meiner Mutter, meinem Bruder und mir. Am Nachmittag irgendwann.
Am Montag hat nämlich das Warten ein Ende. Das Warten auf einen Heimplatz bzw. einen Platz zum Probewohnen im Heim. Dem Heim, das meine Mutter sich ausgesucht hat, dem Heim mit der langen Bewerberliste, natürlich. Neun Monate liegt unsere Besichtigung zurück und seitdem steht meine Mutter auf der Warteliste.
„Unser Heim“ ist gefragt. Es liegt mitten in Hamburg, im berühmt-berüchtigten Schanzenviertel, und damit genau zwischen meiner Wohnung und der meines Bruders, aus beiden Richtungen bestens zu erreichen. Es hat einen hervorragenden Ruf und wird immer wieder in die Presse gezerrt, wenn dort genügend über Pflegenotstände und -mängel gemeckert wurde und man meint, auch mal wieder was Positives und Ermutigendes schreiben zu müssen. Hier schreibt die Hamburger MoPo über das „Stadtdomizil“.
Das Heim ist dafür bekannt, dass seine Bewohner gut, gerne und vor allem lange leben. Auch deswegen werden keineswegs täglich Zimmer frei. Was ja im Prinzip auch eine gute und ermutigende Sache ist. Wenn man nicht gerade händeringend auf einen freien Platz wartet.
Wir haben regelmäßig nachgefragt, Updates zum Zustand meiner Mutter geliefert und auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sie zu Hause in ihrer Wohnung mittlerweile hat. Wir waren seit dem letzten Frühjahr beim Neurologen, der vaskuläre Demenz diagnostizierte, und beim Internisten, der zusätzlich noch einen gravierenden Natriummangel feststellte (der interessanterweise durch eine Begrenzung der täglichen Trinkmenge in Ordnung gebracht werden konnte – meine Mutter ist somit die erste Seniorin, die ich kenne, die man vom Trinken abhalten muss, statt sie zu ermuntern!). Der Pflegedienst kommt zweimal täglich zum An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe gegen des Lymphödem und zweimal in der Woche wackelt meine Mutter mit ihrem Rollator zur Lymphdrainage und anschließend zur Physiotherapie. Kurz gesagt: Im Vergleich mit vielen Altersgenossinnen geht es ihr eigentlich ganz gut – außerdem hat sie Familie, Freunde und genügend Geld, um sich Hilfe zu holen. Trotzdem ist sie allein in ihrer Wohnung und mit dem Alltag eigentlich durchgehend überfordert. Im Sommer war endlich der Medizinische Dienst der Krankenkassen da, um die Pflegebedürftigkeit meiner Mutter zu überprüfen und viele Wochen später (nach der Pflegereform Anfang 2017 waren nämlich alle gesetzlichen Fristen so was von außer Kraft gesetzt) erhielten wir dann endlich das Gutachten mit dem für den Einzug ins Heim benötigten Pflegegrad 2.
Die Heimleitung bestätigte mir immer wieder, dass meine Mutter mittlerweile ganz oben auf der Warteliste stehe, und zwar für ein sogenanntes „Probewohnen“, das das vorbildliche Heim Interessierten anbietet. Idealerweise geht dieses Probewohnen dann in einen Langzeitaufenthalt über.
Man sagte uns schon beim ersten Gespräch, dass beim Probewohnen, das wie eine Kurzzeitpflege abgerechnet wird, voraussichtlich zunächst nur ein Platz im Doppelzimmer angeboten werden kann. Sobald meine Mutter sich dann aber entscheidet, ganz in das Heim einziehen zu wollen, ist sie dann quasi die nächste Anwärterin auf ein Einzelzimmer.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich in den letzten neun Monaten mein Telefon angestarrt habe und dachte: „Bitte, lass jetzt endlich das Heim anrufen. So kann es nicht mehr weitergehen.“ Oft, ziemlich oft. Mir war aber auch klar, dass der ersehnte Anruf natürlich in einem Moment kommen würde, in dem es gerade nicht so richtig gut passt. Die letzten Wochen, die sozusagen die längsten Chaos-Tage, die ich je erlebt habe, darstellten, waren wie prädestiniert dafür.
Ich war also nicht sonderlich überrascht, als am Mittwoch dieser Woche das Telefon endlich klingelte und die reizende Heimleiterin mich darüber informierte, dass ab Montag (also fünf Tage später) ein Platz im Doppelzimmer frei würde. Den meine Mutter gerne bekommen könne. Sie müsse allerdings heute noch zusagen. Ich rief „Hurra!“ Und: „Natürlich wollen wir!“ Und: „Meine Mutter wird entzückt sein!“
Dann rief ich meine Mutter an und sagte: „Es gibt einen Heimplatz ab Montag. Im Doppelzimmer. Wenn du ihn nicht willst, nehme ich ihn.“
Nun ja. Meine Mutter ist oft im Stress, manchmal verwirrt, aber nicht blöd. Natürlich wollte sie. Wir sagten also zu.
Gestern waren mein Bruder und ich zum Packen bei meiner Mutter. Sie braucht ja erst einmal nicht viel, Klamotten und Kram, aber noch keine Möbel. Auch müssen wir – zum Glück – noch keine Wohnung auflösen. Meine Mutter soll sich wirklich erst ganz sicher sein… und auch dann wird alles ohne Eile geschehen. Es war schon mühsam genug, heute die richtigen Unterhemden und genug Socken zu finden und einzupacken. Ich glaube aber, wir haben nicht zu viel vergessen. Und wenn, ist das auch nicht schlimm.
Am Montagnachmittag soll meine Mutter dann einziehen. Natürlich hat sie ein bisschen Angst, und das kann ich auch gut verstehen. Aber es wird schon klappen. Ich werde sie natürlich begleiten und mich vergewissern, dass sie gut ankommt und das richtige Doppelzimmer in der richtigen Einrichtung bezieht. Der Rest wird sich dann hoffentlich finden. Halten Sie uns die Daumen, wenn Sie mögen. Vielen Dank.
Ich drücke, ganz fest!
(Und sollte eventuell schon mal über eine frühzeitige Anmeldung in ebendiesem Etablissement nachdenken. Wer weiß, wie lang die Wartezeit ist, wenn ich es brauche…)
Ich drücke auch ganz fest!
Und wünschte, meine Oma wäre so einsichtig, und würde sich wenigstens mal mit einer Kurzeitpflege befassen. Leider lehnt sie alles ab, und erwartet permanente Bespaßung und Bedienung…..
Noch reden wir. Demnächst wird und keine Wahl mehr bleiben. Wir werden sie dann wohl gegen ihren Willen unterbringen müssen.
Ein Sch… – Gefühl ist es trotz Allem.
Daumen sind gedrückt wie verrückt! ich habe das alles schon hinter mir und weiß wie wichtig es ist, damit die Sorgen endlich mal weniger werden. Aber das hört sich ja alles ziemlich super an. Das wird! Viel Erfolg für alle Beteiligten wünsche ich.
<3