Generation Sandwich. Lieber zum Frühstück.

Gut zwei Wochen bin ich jetzt wieder am Arbeiten, seit mein Urlaub vorbei ist. Auf der Arbeit ist eigentlich alles okay: Mit der neuen Chefin habe ich Spaß, die Kollegen sind auch in Ordnung und nach und nach fällt mir sogar wieder ein, was ich in meinem Büro so zu tun habe und wann. Es ist mir sogar schon einige Mal gelungen, morgens pünktlich an meinem Schreibtisch zu sein. Mit Hose und Schuhen und allem, was ich noch vor wenigen Wochen für unmöglich gehalten hätte.
Zu Hause ist auch alles weitgehend in Ordnung, soweit möglich: Den Katzen geht es gut, meine Mutter nervt zwar, hält sich aber relativ tapfer und mein Freund fühlt sich in Bremen inzwischen wohler als in Hamburg. Bei meinem Hospizgast kann ich auch nicht viel falsch machen, er hat ja keine Besucher außer mir und deswegen freut er sich wie Bolle über mich, völlig unabhängig, ob ich einen guten Tag habe oder nicht.
Trotz alledem fühle ich mich angespannt und dünnhäutig wie schon lange nicht mehr. Vielleicht hat es mit der Weltlage bzw. den Entwicklungen in Deutschland zu tun, vielleicht ist es eine Alterserscheinung und eventuell geht es ja auch wieder vorbei, aber ich finde gerade alles viel zu anstrengend. Mein Tag ist akkurat durchgeplant, ich hetze von Baustelle zu Baustelle und jedes Hindernis, jeder zwischen die Beine geworfene Knüppel wirft mich um Längen zurück. Abends bin ich manchmal zu erschöpft, um auf dem Sofa zu sitzen und muss vorzeitig ins Bett. Wo ich nicht schlafen kann.
Und das, obwohl ich nicht einmal Kinder habe, um die ich mich kümmern muss, und mit meinem Vollzeitjob doch immerhin so viel verdiene, dass ich nicht auch noch pausenlos über Geld nachdenken muss.
Für uns Frauen im mittleren Alter, die das Gefühl haben, von den unterschiedlichen Anforderungen des Alltag zumindest eingeklemmt, wenn nicht gar zerquetscht zu werden, wurde in den Achtzigern der schöne Begriff „Sandwich-Generation“ erfunden. Das Wort gefällt mir ganz gut (schließlich hat es was mit Essen zu tun), vorausgesetzt, ich darf mich als vegetarisches Sandwich betrachten. Klassischerweise sind die Brotscheiben bei der Sandwichgeneration die noch erziehungsbedürftigen Kinder und auf der anderen Seite die älter und bedürftiger werdenden Eltern.
Mein persönliches Sandwich besteht hingegen auf der einen Seite aus meiner Mutter und auf der anderen Seite aus meinem Job. Gemeinsam mit mir (Ja, Sie dürfen sich mich gerne als dicke Käsescheibe oder so vorstellen!) zwischen diesen „Brotscheiben“ befinden sich noch ein paar eigentlich gute Sachen wie Tomaten- und Gurkenscheibe, Senf oder Pesto bzw. mein Freund, meine Katzen, mein Ehrenamt und mein Sport. Gute Sachen, die aber bei unsachgemäßer Handhabung leicht in Schieflage geraten können, zwischen den Brotscheiben hervorrutschen und mir aufs T-Shirt krachen. Dann machen die auch noch Stress!
Mit wirklichen Krisen kann ich übrigens umgehen. Es sind die vielen kleinen Sachen, die zeitlichen Überschneidungen, die notwendige Entscheidung, ob ich jetzt Brot oder Katzenfutter kaufe, wenn ich nicht beides tragen kann (natürlich Katzenfutter!), und das blöde Gefühl, dass ich nie alles zur Zufriedenheit erledigen kann, die mich belasten. Denn schließlich – und auch das ist ein typisches und wichtiges Kennzeichen der Sandwich-Generation – trifft dieses Gefühl, irgendwie immer sehr viel zu tun zu haben, auf Frauen in oder nach den Wechseljahren. Ein Stadium, in dem frau eigentlich auch mit sich und den nunmehr ständig auftretenden Veränderungen an Körper und Seele (nicht alle davon unbedingt vorteilhaft) genug zu tun hätte.
Mit Fünfzig plus wird frau von allen Ärzten ständig ermahnt, sich um sich selbst zu kümmern, täglich den Blutdruck zu messen, alle von der Krankenkasse angebotenen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, aufs Cholesterin zu achten, regelmäßig zum Sport zu gehen, beim Duschen immer mal die eigene Brust abzutasten und so weiter und so weiter.
Das einzige, was mir zu diesen Arztempfehlungen immer sofort einfällt: „Hätten Sie das nicht vor fünfzehn Jahren sagen bzw. anbieten können, als ich noch Kapazitäten dafür gehabt hätte? Jetzt fehlen mir für mindestens die Hälfte dieser Maßnahmen dauerhaft Zeit und Energie.“
Das Schlimmste an der Wurzelbehandlung in der letzten Woche war, dass ich dafür während der Arbeitszeit zum Zahnarzt musste… und diese Woche noch einmal. Wirklich nervig daran, dass meine Mutter zu dem Termin beim Gefäßmediziner letzte Woche weder ihre Kompressionsstrümpfe noch ihre Versicherungskarte mitgebracht hat – trotz mehrmaliger Nachfrage meinerseits – ist, dass wir nun übernächste Woche noch einmal zum Gefäßmediziner müssen und ich dafür im Büro zwei Stunden früher Feierabend machen muss. Dass ich eigentlich mal früher Feierabend machen möchte und müsste, um zum Friseur zu gehen, traue ich mich schon gar nicht mehr zu sagen.
Naja, dann sehe ich eben aus wie ein Waldschrat. Die Katzen stört es nicht und mein Freund wird sich daran gewöhnen. Wir haben schließlich auch schon Schlimmeres zusammen durchgestanden als eine Strohdachfrisur. Und wenn er heute kommt – gleich, dann gibt es Frühstück – dann haben wir diesen Tag tatsächlich für uns. Vorausgesetzt, bei meiner Mutter ist alles okay und das Opern-Bereitschaftstelefon klingelt nicht plötzlich. Dann haben wir einen ganzen Tag für uns und das Sofa und Netflix und die Katzen. Morgen bin ich dann wieder bereit, zwischen meine Sandwichbrotscheiben zu krabbeln und das Chaos so gut wie möglich zu bändigen. Hoffentlich.

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