Früher freute ich mich immer die ganze Woche lang auf das Wochenende, weil ich am Wochenende tolle Aktivitäten geplant hatte: Freunde treffen, Ausgehen, die Natur genießen (obwohl das manchmal mit einer beschwerlichen Anreise verbunden war), tolles Essen kochen, Alkohol trinken, am Nachmittag schlafen und dann am Abend wieder fit sein… all diese Dinge, die waren doch selbstverständlich, ließen sich miteinander kombinieren, machten Spaß und gaben Kraft. Und wenn ich am Sonntagabend vielleicht mal ein bisschen überanstrengt war, galt es halt, den Arbeitsmontag zu überstehen und dann früh ins Bett zu gehen. Um dann ab Dienstag wieder dem nächsten Wochenende entgegenzublicken.
Und was mache ich inzwischen so an meinen Wochenenden? Gut, alle zwei Wochen fahre ich nach Bremen zu Jette, Jehan und dem großen freundlichen Mann. Das ist schön, wichtig und kraftspendend – der Gedanke an das damit verbundene halbwegs frühe Aufstehen und die mögliche Nerverei mit dem Öffentlichen Nahverkehr jedoch ist nicht nur erbaulich. Um es vorsichtig auszudrücken. Meistens fahre ich auch nur am Sonntag, morgens hin und abends zurück. Wegen Frl. Lotte Miez und Frl. Leonie Mau natürlich, aber auch, weil ich inzwischen im eigenen Bett besser schlafe als auf dem Bremer Gästesofa und weil ich den Samstag nur für mich brauche.
Für mich? Also für was Schönes? Hm. Eigentlich eher, um einmal in der Woche morgens komplett ohne Wecker aufstehen zu können und um das Allerallernötigste in meinem leicht verwahrlosten Haushalt zu erledigen (alles andere bleibt ohnehin liegen, da mache ich mir keine Illusionen mehr). Für was Schönes bleibt meistens keine Energie mehr übrig, normalerweise sinke ich irgendwann am Nachmittag stöhnend aufs Sofa und frage mich, ob ich lesen oder eine Serie gucken soll. Und ob es sich noch lohnt, damit auf dem Sofa anzufangen, oder ob ich lieber gleich ins Bett gehe.
In der anderen Woche, in der Bremen sonntags nach Hamburg kommt, kann ich ein bisschen länger schlafen und muss mich nicht mit Bus- und Metronomfahrplanabweichungen herumschlafen. Dafür versuche ich aber, die Wohnung wenigstens für einen Tag ein bisschen bewohnbarer zu machen, was meistens so mittel klappt. Irgendwie finde ich Staubsaugen furchtbar anstrengend und außerdem ist es deprimierend, dass immer wieder neue Staubschichten auftauchen, meist direkt nachdem ich den Staubsauber wieder weggepackt habe. Egal, Hauptsache der Esstisch ist frei und der große freundliche Mann findet einen Sitzplatz auf dem Sofa. Man wird ja so bescheiden mit den Jahren.
Wie ich es früher geschafft habe, auch an Abenden in der Woche etwas zu unternehmen, auszugehen, Leute einzuladen oder Veranstaltungen zu besuchen, ist mir mittlerweile völlig schleierhaft. Warum sollte ich das tun wollen, wenn ich es einmal bis nach Hause geschafft habe und die Tür hinter mir ins Schloss gefallen ist? Irgendwie hat mir, was das angeht, auch die Pandemie den Rest gegeben, fürchte ich. Nach drei Jahren mehr oder weniger ohne Abendveranstaltungen bin ich nicht sicher, ob ich mich wieder umstellen könnte. Oder wollte. Gut, manchmal muss ich beruflich abends unterwegs sein oder auch am Wochenende. Das geht natürlich und ist auch okay, sofern ich mir die Freizeit an einer anderen Stelle zurückholen kann, jedenfalls meistens. Ich kann mir meine Kräfte noch einteilen, aber das erfordert mehr und mehr Geschick.
Am Wochenende verhandele ich dann wieder mit mir selbst: Wenn ich es schaffe, das Badezimmer zu putzen, dann koche ich dafür am Abend nicht selbst, sondern bestelle Essen beim Lieferdienst. Wenn ich mich überwinden kann, die während der Woche eingetroffene Briefpost zu öffnen, zu sichten, zu bearbeiten und abzulegen, dann darf ich hinterher fernsehen, egal ob es draußen noch hell ist. Oder Schokolade und Kekse essen und nicht nur eins von beiden. Und wenn ich mich überwinden kann, den Müll runterzubringen (was in meiner Wohnsituation einem Hindernisparcours gleicht), dann muss ich nicht auch noch die Wäsche einsortieren. Klappt auch unterschiedlich gut: Meistens fange ich schon beim Bezahlen der Rechnungen an, Süßigkeiten zu essen, und werfe den Papierstapel dann einfach auf die Kommode im anderen Zimmer, so dass ich ihn nicht mehr sehen muss. Und beim Badezimmerputzen vergesse ich gerne die Dusche, weil es so viel schlauer gewesen wäre, sie gleich morgens nach dem Duschen zu putzen, ich da aber natürlich nicht daran gedacht habe. Den Müll runterzubringen, hasse ich so sehr, dass ich ungefähr siebentausend Gründe erfunden habe, warum jetzt nicht der geeignete Moment dafür ist.
Und dann liege ich ermattet auf dem Sofa und stelle mir vor, wie schön es wäre, jetzt einen Ausflug in die Natur zu machen. Also, wenn es nicht gerade regnen würde und die Busse nicht genau jetzt wegen einer Innenstadtdemo meinen Stadtteil weiträumig umfahren würden. Dann wäre ich aber sowas von unterwegs. Andererseits wird es ja auch bald dunkel und mein Knie tut weh. Gut, dass ich heute nicht mehr raus muss. Guck mal, die Katzen liegen schon im Bett und sehen so niedlich aus. Sie freuen sich bestimmt, wenn ich mich kurz zu ihnen lege. Und dann, vier Stunden später: Oh, schon dunkel? Na gut, dann bestellen wir mal Essen und machen die Glotze an. Schließlich gucken sich die Serien nicht von alleine. Und morgen kommt Bremen, da muss ich sowieso Brötchen holen. Da kann ich auf dem Weg auch gleich den Müll runterbringen. Wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt.
Gut, wenn der große freundliche Mann dann da ist und wir gemütlich beim Frühstück sitzen, dann ist es schon schön. Dafür lohnt es sich durchaus, das Wochenende lebend zu erreichen. Gemeinsam ist es auf dem Sofa ja auch schöner, in Hamburg genauso wie in Bremen. Auch wenn das Drumherum manchmal anstrengend ist: Ich freue mich noch immer die ganze Woche über auf das Wochenende.
Man könnte auch mal jemanden treffen, die man noch nie gesehen hat.
Mich am 18. Februar zum Beispiel. In Hamburg..
Ich mein ja nur ♀️