Darf ich Ihnen mal was gestehen? Ich hasse Multitasking. Und das, obwohl ich eine Frau bin. Aber ich finde, es macht überhaupt keinen Spaß, zum Beispiel das Badezimmer zu putzen und nebenbei Gleichungen mit zwei Unbekannten zu lösen. Gut, könnten Sie jetzt argumentieren, das Badezimmer zu putzen macht ohnehin nicht sehr viel Spaß. Von Mathematikhausaufgaben mal ganz zu schweigen. Und damit haben Sie natürlich vollkommen recht. Trotzdem: Wenn ich zwei ungeliebte Aufgaben miteinander verbinde, sind die Ergebnisse noch schlechter, als wenn ich sie mir einzeln vorgenommen hätte. Gar nicht zu reden von den Gleichungen mit x und y und diversen Lösungsversuchen, die sich mit Zitronenreiniger nicht von den Badezimmerkacheln entfernen lassen.
Und auch bei Dingen, die ich gerne mache und gut kann, ist die Kombination selten hilfreich. Wie zum Beispiel Essen und Lesen. Fettflecken auf dem E-Book-Reader sind da ja noch das geringste Problem. Noch viel unbefriedigender ist aber, dass ich oft die Zwischentöne eines guten Textes nicht mehr empfangen kann, weil vermutlich die Kaugeräusche das Hirn so einschüchtern, dass es sich zurückzieht. Und weil meistens das Buch ein paarmal runterfällt und die Hälfte vom Essen auch. Und haben Sie schon einmal – so ganz in Gedanken – versucht, mit Messer und Gabel ein Stück vom Buch abzuschneiden?
Multitasking ist mir also sehr unsympathisch. Außerdem gelingt es immer weniger, was vielleicht auch mit dem Älterwerden zu tun hat. An schlechten Tagen kann ich nicht mal mehr gleichzeitig telefonieren und die Katze kraulen (deswegen vermeide ich an schlechten Tagen das Telefonieren gänzlich, sofern möglich). Bei dem Versuch, gleichzeitig die Wohnung zu verlassen und einen Müllsack in den Hof zu tragen, passierten mir schon schreckliche Unfälle (aber falls Sie jemand fragt, wieso da Kaffeesatz am Treppengeländer klebt, sagen Sie bitte, Sie wüssten von nichts, okay?).
Auch Twittern, so leid es mir tut, lässt sich nicht reibungslos mit zahlreichen Komponenten meines Lebens verbinden. Über den Klassiker, beim Twittern gegen Laternenpfähle laufen, kann ich natürlich nur lachen: Ich lief schon gegen Laternenpfähle, als man unter sozialen Medien noch verstand, die „Bravo“ an seine Schulfreundinnen weiterzugeben und gemeinsam an Dr. Sommer zu schreiben. Ich kann aber auch nicht twittern und essen, twittern und schlafen (ach so, das kann ich ja sowieso nicht) und vor allem nicht twittern und fernsehen.
Ich habe keine Ahnung, wie Sie das immer machen! Gut, die meisten Sendungen, die gemeinsam geschaut und betwittert werden, interessieren mich sowieso nicht. Mit DSDS bin ich fertig, seit Gracia damals vor Vanessa rausflog (ja, das war die erste Staffel, da waren viele von Ihnen noch nicht geboren). Wenn der Hashtag IBES auftaucht, überlege ich jedes Jahr wieder, was für eine Krankheit das wohl sein mag und warum so viele Twitterer davon befallen sind. Morgens gucke ich immer ein öffentlich-rechtliches Frühstücksfernsehen, hauptsächlich für Nachrichten und Wetter. Die verpasse ich aber dann meistens, weil ich so auf Twitter konzentriert bin.
Das einzige regelmäßige Fernsehereignis, das ich nach Möglichkeit live und nicht Tage später in der Mediathek anschaue, ist der Tatort (bzw. der Polizeiruf) am Sonntagabend. Schon seit meiner Jugend sitze ich am Sonntagabend um viertel nach acht auf dem Sofa und freue mich auf das, was ein kleiner oder großer ARD-Sender gerade zu bieten hat. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, in der Lena Odenthal „die Neue“ war. Ich habe alle Schimanski-Tatorte bei ihrer Erstausstrahlung gesehen und sogar noch den einen oder anderen Trimmel.
Früher, also zu Schimanskis Zeiten, da war es ja noch ganz normal und üblich, dass die gesamte Fernsehnation dieselben Sendungen anschaute. Es gab genau drei Programme, niemand hatte einen Videorecorder und da wir keine Computer besaßen, konnten wir natürlich auch nicht ins Internet. Am Montagmorgen in der Schule oder im Job unterhielten wir uns also über die große Samstagabendshow und den Sonntags-Tatort. Also, von Angesicht zu Angesicht, in diesen Dingern, die man Gespräche nennt.
Ich mochte das sehr. Als Kind durfte ich nur wenig fernsehen, hatte immer das Gefühl, etwas zu verpassen, und oft das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, weil meine Peergroup Sachen gesehen hatte, die meine Eltern für nicht kindgemäß hielten. Umso glücklicher war ich, als ich dann endlich groß genug wurde, um auch mal eine Wunschsendung am Abend anschauen zu dürfen, und am nächsten Morgen mitreden konnte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, was für lebhafte Diskussionen ich 1991 über den „Fall Schimanski“ und die Frage, ob man im Fernsehen „Scheiße!“ schreien dürfe, führte!
Wirklich gerne würde ich mich nun auch in meiner aktuellen Peergroup, nämlich Twitter, nach dem Tatort über das Gesehene austauschen. Nur bin ich da blöderweise immer zu spät dran, denn die Tatort-Liebhaber meiner Timeline haben den Fall schon live begleitet und kommentiert und streiten sich längst über „Anne Will“ oder gehen ins Bett, wenn ich mich endlich über den Tatort austauschen möchte.
Wenn ich aber einmal schon während des Tatorts der Versuchung nachgebe, kurz bei Twitter zu schauen, was andere von einer besonders abstrusen Wendung oder einer lustigen Ermittlungspanne halten, dann verliere ich sofort den Anschluss – und muss dann später auch bei Twitter nachlesen, wer denn nun eigentlich der Mörder war. Oder ob die Ermittler sich sehr blamiert haben oder jemand sehr laut und unpassend „Scheiße!“ gebrüllt hat. Dann ärgere ich mich immer und nehme mir vor, am nächsten Sonntag den Laptop auszuschalten und das mobile Twittergerät beiseite zu legen, bevor der Tatort beginnt. Und wenn ich das tatsächlich hinkriege, dann weiß ich zwar beim Schlafengehen, wer der Mörder war, aber habe mal wieder das Gefühl, nicht so richtig zur Gemeinschaft zu gehören.
Eine Zwickmühle – und das alles nur, weil ich nicht multitaskingfähig bin. Wie machen Sie das nur? Spezielle Begabung? Volkshochschulkurse? VitaBuerlecithin? Verraten Sie mir Ihre Tricks? Oder, falls Sie das aus ethischen oder sonstigen Gründen nicht dürfen oder wollen, vielleicht nachher den Mörder?