Vielleicht habe ich im Laufe der letzten zwei Jahre ein bisschen vergessen, wie fordernd dieses regelmäßige Arbeiten im Angestelltenverhältnis ist. Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Ich freue mich wahnsinnig, dass die Sache mit dem neuen Traumjob geklappt hat, und ich gehe da jeden Tag sehr gerne hin.
Aber ich bin auch wahnsinnig angestrengt, was sich zum Beispiel daran verdeutlichen lässt, dass ich am Freitag dieser Woche abends so knille war, dass ich bereits vor der Tagesschau ins Bett gegangen bin, um meine Füße vernünftig hochlegen und mich warm einkuscheln zu können. Die Tagesschau habe ich dann tatsächlich verpennt, erst gegen neun war ich dann wieder fit genug für einen Spielfilm. Vielleicht auch eine Art Selbstschutz, sagen Sie, schließlich hat die Tagesschau momentan so wenig Aufbauendes oder gar Erheiterndes im Gepäck? Das kann gut sein.
Aber, jedenfalls, ich muss jetzt fünf Tage in der Woche beim Weckerklingeln aufstehen, mich und mein Frühstücksbrot fertigmachen (dafür habe ich mir eine portable Brotdose angeschafft – ich – eine Brotdose!), die Katzen für den Tag versorgen, mich anziehen (ich rede hier nicht von „hübsch zurechtmachen“, sondern einfach nur von vollständig anziehen in dem Sinne, dass ich draußen nicht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet werde) und dann rechtzeitig die Wohnung verlassen, um den richtigen Bus zu nehmen. Das fällt mir ganz schön schwer, so an mehreren Tagen in Folge – und das hat nichts damit zu tun, dass mein Wecker unanständig früh klingeln würde. Das tut er nicht, ich fange gegen zehn an zu arbeiten und stehe dafür um acht auf. Früher geht nicht, jedenfalls nicht dauerhaft, das kann ich mir nach 25 Jahren am Theater nicht mehr angewöhnen, das habe ich im Zusammenhang mit meiner Einstellung direkt klargestellt. Zum Glück ist das unproblematisch: Viele meiner neuen Kolleg*innen fangen zwar morgens früher an und gehen abends auch früher nach Hause, aber den größten Teil des Tages sind wir doch gemeinsam da und das genügt.
Dass man am Arbeitsplatz dann mehr oder weniger den ganzen Tag die Hose und die Schuhe anbehalten muss, hatte ich auch so ein bisschen vergessen. Ich meine, zwei Jahre Homeoffice, hallo?
Dann dieses Sich-Anpassen, was die Essenszeiten angeht… Niemand sagt mir, ob und wann ich Pause machen darf, muss oder soll, aber eigentlich versuche ich ja noch immer, das Intervallfasten durchzuhalten und das bringt mich nun regelmäßig in Schwierigkeiten, weil ich entweder kurz vor dem Verhungern stehe oder ganz schnell was zu mir nehmen muss, obwohl ich weder Zeit noch Muße noch Hunger habe, bevor sich das Essfenster wieder schließt. Legendär auch die innere Stärke, mit der ich am Mittwoch einen Weinkrampf unterdrückt habe, als ich mir um zwölf Uhr mittags – das ist der Moment, in dem das Essfenster sich öffnet – nun endlich einen sehr wohl bereits verdienten Kaffee holen wollte und feststellen musste, dass die Kollegin aus der Hauswirtschaft einen ruhigen Moment nutzte, um die Kaffeemaschine mal so richtig gründlich zu putzen.
„Das dauert leider noch mindestens zwanzig Minuten“, sagte die Kollegin.
„Kein Problem“, erwiderte ich mit zitternder Unterlippe, „ich komme dann wieder.“
Es gelang mir, die Tränen zu unterdrücken, bis ich wieder in meinem Büro allein war, aber dann gab es kein Halten mehr. Zwanzig Minuten bis zum Kaffee. Mindestens. Heulpopeul.
Die Arbeit an sich ist natürlich auch anstrengend, ich mache ja gerade verschiedene Dinge zusätzlich zu denen, die ich eigentlich tun soll. In einige davon muss ich mich erst mühsam reinfuchsen, weil die Person, die mich einarbeiten könnte, ja identisch ist mit der Person, für die ich die Dinge vertretungshalber mache. Nun ja. Im Grunde finde ich, neue Sachen ausprobieren zu dürfen und meinen Horizont zu erweitern, ja immer toll. Es sind nur eben ganz schön viele neue Sachen aktuell… Aber es macht Spaß, die vorhandenen Kolleg*innen sind zugewandt und hilfsbereit und im Großen und Ganzen muss ich auch nichts tun, was mir nicht liegt. Ich gehe also davon aus, dass ich in absehbarer Zeit wieder schlafen kann, ohne nachts ununterbrochen von meinem Job zu träumen. Mal sehen, wie lange es dauert.
Was toll ist: Wieder in einem Team zu arbeiten. Immer jemanden ansprechen zu können, egal ob mit Fragen, Ideen oder dem Bedürfnis nach schlichtem Miteinander. Das hat mir wirklich ein bisschen gefehlt in den vergangenen zwei Jahren. Gemeinsam lassen sich Projekte doch effektiver entwickeln und ich freue mich, mich über so viele Dinge austauschen zu können.
Was auch toll ist: Ich bekomme ein regelmäßiges Gehalt auf mein Konto überwiesen, das erste ist schon da (für den halben Februar). Steuern und Sozialabgaben werden automatisch abgezogen und ich habe viel Hoffnung, dass kommunikative Beziehungen zum Finanzamt, zur Arbeitsagentur und meiner Krankenkasse sehr bald wieder erheblich weniger Raum in meinem Leben einnehmen werden als im letzten Jahr. Sie werden mir nicht fehlen.
Was geradezu phänomenal ist: Ich habe ein Diensthandy bekommen. Nicht, weil ich so wichtig wäre, dass man mich Tag und Nacht erreichen können muss – im Gegensatz zu früher habe ich keine Wochenenddienste oder gar -bereitschaftsdienste mehr. Nein, ich habe mein Diensthandy vor allem, um hübsche Fotos zu machen, kleine Texte zu schreiben und diese bei unseren Social Media Accounts zu posten. Man könnte also sagen, dass ich fürs Twittern bezahlt werde – damit habe ich in diesem Leben doch eigentlich alles erreicht.
Von meinem Gehalt kann ich – im Gegensatz zum Arbeitslosengeld – sogar leben. Vielleicht sogar eine weitere Hose und noch ein Paar Schuhe anschaffen, um auch weiterhin vollständig bekleidet am Arbeitsplatz erscheinen zu können. Um mich dann am Ende des Tages noch intensiver zu freuen, wenn ich Schuhe und Hose endlich abwerfen kann, um unvollständig angezogen und alles andere als hübsch zurechtgemacht auf dem Sofa herumzulungern. Mit den treuen Katzen, die den ganzen Tag ohne mich aushalten mussten und mir nun nach Feierabend folgen, wohin ich auch gehe: In die Küche, ins Badezimmer und ins Bett. Und das ist ja auch gut so.