Jetzt geht es los mit der Katzenvergesellschaftung.

Am Freitagmittag um eins war es endlich so weit: Die Bremer Katzen Jette und Jehan sowie mein Freund enterten meine Wohnung. Mit ihnen zwei Transportkörbchen, ein Katzenklo, ein Haufen Näpfe, zwei große Säcke Katzenstreu, zwei fast ebenso große Säcke Senioren-Trockenfutter sowie ein Topf mit Katzengras. Das von mir schon vorbereitete und fräuleinfreie Schlafzimmer füllte sich im Nullkommanichts und es sah sofort total gemütlich aus. Oder wie das heißt, wenn man keinen Fuß mehr vor den anderen setzen kann.

Wie erwartet verschwanden Jette und Jehan sofort und wortlos unter dem Bett. Mein Freund redete ihnen noch kurz gut zu, erklärte ihnen, dass ihr ganzer Haushalt auch da sei, dass sie jetzt so viel Zeit hätten wie nötig und dass niemand ungefragt ihr Schlafzimmer betreten würde. Dann verließ er das Schlafzimmer und ließ sich erleichtert seufzend zu mir und Frl. Leonie Mau auf das Sofa sinken.

Da ich kurz vor der Abfahrt der drei in Bremen schon ein ziemlich blutiges Foto erhalten hatte, ließ ich mir zunächst die Hand meines Freundes zeigen. Sie war gut verpflastert, sah aber durchaus etwas lädiert aus. Jehan hatte sich, was auch nicht wirklich eine Überraschung war, nicht ohne Gegenwehr in sein Transportkörbchen setzen lassen. Katzenkratzer und vor allem -bisse können sich ja recht unangenehm entwickeln und auch gefährlich werden. Wir nahmen uns also vor, sie schön im Auge zu behalten, um gegebenenfalls rechtzeitig reagieren zu können.

Die Fräulein Miez und Mau und ich hatten uns schon am Vormittag aus dem Schlafzimmer zurückgezogen. Das Gästesofa hatte ich nach dem Wochenende, als mein Freund zuletzt bei uns war, schon gar nicht mehr eingeklappt: Es hat nämlich in ausgeklapptem Zustand einen geheimen Hintereingang mit Panic Room. In den zieht Lotti sich bei drohender Gefahr und anderen Zuständen, die sie sich nicht erklären kann oder will, gerne zurück. So auch heute. Das ganze Hin und Her, die Aufregung der Menschen, der Geruch von Blut und Schweiß und das ständige Auf und Zu der Wohnungstür hatten ihr schon wieder schnell gewaltig Angst eingejagt. Leonie hingegen war entspannt und neugierig.

Dass wir, getarnt durch die ganzen anderen Klamotten, auch zwei Katzen in die Wohnung geschmuggelt hatten, haben Lotti und Leonie übrigens zunächst beide gar nicht mitgekriegt.

Mein Freund war von der ganzen Aktion ziemlich geschafft und ich, die ich ja außer Mitfiebern und -fürchten eigentlich noch gar nichts getan hatte, war auch nicht viel besser dran. So beschlossen wir, die Katzen erst einmal völlig in Ruhe zu lassen, und uns auf dem Sofa von der ersten Tageshälfte zu erholen. Leonie leistete uns dabei Gesellschaft, mehr war nicht. Lotti blieb unsichtbar in ihrem Geheimversteck und die Bremer Katzen unterm Bett verhielten sich auch extrem still.

Irgendwann, es dunkelte schon, ließ Lotti sich vom Hunger wieder ans schwindende Tageslicht treiben. Nach mehreren Gängen in die Küche und zurück mit meinen beiden Katzen wurde den beiden allmählich klar, dass da weitere Katzen in ihrem Schlafzimmer sein mussten. Natürlich, die Ritze unter der Tür ist fast zwei Zentimeter hoch, da kann man schon einiges erschnüffeln und vielleicht auch Bewegungen sehen.

Lotti sah ziemlich schockiert aus und ihr Gesichtsausdruck änderte sich auch zunächst nicht. Sie saß eine Weile im Flur herum und wusste nicht, wohin mit sich. Zu neugierig, um wieder in Deckung zu gehen, aber auch zu schüchtern, um – wie Leonie, die ganz ungehemmt an der Ritze herumschnüffelte – Kontakt aufzunehmen. Tja. Irgendwann wurde ihr dann aber langweilig und sie kam zurück ins Wohnzimmer.

Mein Freund hatte die Katzen immer mal wieder für ein paar Minuten in ihrer Quarantäne besucht und Jette hatte sich inzwischen auch schon aus der Deckung gewagt und begonnen, sich das Schlafzimmer genauer anzusehen. Jehan hatte unter dem Bett eine halbe Tüte Dreamies verputzt, verspürte aber noch keinen Drang, sich anfassen zu lassen. Jette hingegen hüpfte nach kurzer Überlegung aufs Bett und holte sich einige Streicheleinheiten bei meinem Freund ab.

Ich saß eigentlich die ganze Zeit auf dem Sofa, wies ab und zu Leonie an, nicht ständig vor der Tür rumzulungern und nicht zurückzufauchen, wenn Jette sich drinnen durch ihre gelegentlichen „Hi, na?“-Ansprachen belästigt fühlte, und freute mich über die Fotos „von drinnen“, die mir nun in regelmäßigen Abständen geschickt wurden.

Die erste Nacht war auch undramatisch. Die Schlafzimmertür war und blieb zu, die Fräuleins waren die meiste Zeit bei mir auf dem Gästesofa. Jette und Jehan fingen, sobald mein Freund schlief, unauffällig an, das Schlafzimmer umzuräumen („Los, Jehan, den Schrank schieben wir vor die Tür, dann kann er nicht wegfahren!“), benutzten ihr Katzenklo, tranken und fanden, dass ihr Seniorenfutter im Vergleich mit Dreamies gar nicht so gut abschnitt.

Am Samstagmorgen waren wir froh über die ruhige Nacht. Da Jehan aber noch immer nicht unter dem Bett hervorkommen wollte, beschlossen wir, dass es für Lockerungen – also die berühmte Gittertür – noch zu früh sei. Und hofften, dass sich die Situation im Laufe des Tages weiter entspannen werde.

Am Samstagnachmittag trauten wir uns dann, die Schlafzimmertür zu öffnen und das Katzengitter zu installieren. Durch dieses Gitter können die Katzen sich gegenseitig sehen, beschnüffeln und kleine Beleidigungen austauschen. Das taten sie auch, erst Leonie, später auch Lotti, wobei das Fauchen meist von innerhalb des Schlafzimmers kam. Sehr aufgeregt wirkte dabei allerdings keine der beteiligten Katzen. Sehr beruhigend.

Am Abend durfte ich dann zum ersten Mal auch mit ins Schlafzimmer, das kurzzeitig wieder bei geschlossener Tür, damit Lotte und Leonie nicht sehen, wie ich fremdgehe. Jette hoppelte vergnügt und aufgekratzt zwischen meinem Freund und mir auf dem Bett herum, ließ sich streicheln und freute sich über unsere Gesellschaft. Jehan kam etwas später auch zum Fressen ans Licht, war aber noch nicht bereit für Körperkontakt. Aber auch er wirkte sehr gelassen, was die fremden Artgenossen vor der Tür anging.

Über Nacht war die Tür wieder zu und mein Freund schickte Fotos nach draußen. Die sahen recht ermutigend aus. Auch Jehan war nun aktiv und auch bereit für Streicheleinheiten. Puh. Er hat doch viel Vertrauen zu meinem Freund mittlerweile – er war wirklich eine super-misstrauische kleine Katze damals, als wir ihn kennenlernten.

Heute Morgen nun ist wieder das Gitter in Betrieb, bisher haben wir aber noch keine Begegnungen beobachtet. Der Plan ist – sofern es alles so undramatisch weitergeht – das Gitter irgendwann später am Tag erstmalig zu entfernen und die beiden Katzenpärchen direkt aufeinander treffen zu lassen. Wenn sie das denn wollen, natürlich unter Aufsicht und zunächst nur für kurze Zeit. Es ist zwar recht früh für diese Maßnahme, das ist uns bewusst, aber wir möchten diesen Schritt natürlich noch zusammen gehen und mein Freund fährt heute Abend zurück nach Bremen. Und wenn auch nur eine der Katzen besonders erregt oder aggressiv oder gestresst wäre, dann hätten wir das schon gemerkt – wir kennen unsere MitbewohnerInnen ja recht gut. Und sie machen eigentlich alle einen ziemlich gelassenen Eindruck angesichts der für alle sehr ungewohnten und sicher auch beunruhigenden Situation.

Mein Freund muss morgen zu seinem Bremer Hausarzt für einen PCR-Corona-Test, der für die Aufnahme in der Reha-Einrichtung obligatorisch ist. Dieser Test darf nicht zu alt und nicht zu frisch sein, muss also am Montag gemacht werden. Und dann muss er sich ja auch noch sortieren, seine Sachen packen und ins Auto laden und so weiter.

Am Mittwoch geht es für ihn dann ganz früh los, denn das Einchecken in der Einrichtung soll schon um halb neun stattfinden. Da schlafe ich dann vermutlich noch, hoffentlich mit vier halbwegs entspannten Katzen im Bett. Oder mit zwei fast entspannten Katzen auf dem Gästesofa und zwei weiteren fast entspannten Katzen hinter Gittern. Wir werden sehen.

3 Kommentare

  1. Liebe Bettina,
    das hast Du nicht nur toll geschrieben, es zeigt auch, dass Ihr beide euch sehr viele Gedanken um die vier Katzen gemacht habt. Viel Glück und Erfolg weiterhin, auf ein entspanntes Miteinander.

    Für deinen Freund die besten Wünsche: ein negativer Abstrich und eine gute Zeit bei der Reha.

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