Leo und ihr Kater – die erste Woche

Gestern vor einer Woche ist Leos Kater eingezogen. Fritz, so heißt er jetzt offiziell. In der Pflegestelle hieß er Freddie, auch ein schöner passender Name, den eine sehr liebe Namenspatin für ihn ausgesucht hatte. Den Namen hätte ich wohl auch so gelassen, wenn nicht vor vielen Jahren in meinem Leben schon einmal ein Kater namens Freddy eine wichtige Rolle gespielt hätte. Freddy gehörte zu meiner damaligen besten Freundin, mit der ich ein Jahr lang zusammenlebte.

Ein Freddy, eher schmächtig von Statur, jedoch extrem dominant und ziemlich hinterhältig gegenüber meinem viel stattlicheren und sehr freundlichen Kater Otello. Die beiden kämpften das ganze gemeinsame Jahr über um die Weltherrschaft in unserer WG, was schon anstrengend genug war, denn sie prügelten sich andauernd und markierten auf dem Wohnzimmerteppich rum. Aber Freddy, die Kanaille, war von der eher unfairen Sorte, die andere Katzen auf dem Klo überfällt oder während eines Schläfchens ohne Vorwarnung attackiert.

So einen fiesen Freddy möchte ich auf gar keinen Fall in meiner Wohnung haben und erst recht nicht meiner allerliebsten Leo antun. Leo ist eine herzensgute Katze ohne jede Aggression, mit anderen Katzen verträglich und völlig ohne Ambitionen auf die von Lotti ererbte Weltherrschaft. Deswegen kann ihr Kater Freddie nun halt nicht Freddie heißen, sondern ist jetzt seit genau einer Woche ein Fritz.

Leos Kater Fritz hat ja, soweit wir wissen, einen – eventuell sogar großen – Teil seines Lebens als Straßenkater verbracht. Obwohl ich (und wie ich hörte, auch der Pflegestellen-Tierarzt in Wilhelmshaven) ernsthafte Zweifel daran haben, dass er wirklich 10 Jahre alt sein kann (was die rumänischen Tierärzte geschätzt und auch in seinen internationalen Impfpass eingetragen haben), kann das eine lange Zeitspanne gewesen sein.

Ein 10 Jahre alter Straßenkater in Rumänien wäre eine ziemliche Sensation; nur wenige Streunerkatzen werden dort so alt. Zu groß sind die Gefahren, zu schwer das Leben. Aber selbst wenn Fritz erst 6 Jahre alt sein sollte und selbst wenn er nur einen Teil seines Lebens ohne festen Wohnsitz verbracht hat, so ist sein Überleben bis zum heutigen Tag eine echte Leistung, die wir gebührend würdigen sollten. Und dass sein Lebensstil Spuren hinterlassen hat, versteht sich wohl auch ohne Tagebucheinträge und Videobeweise.

Dass Fritz sein Essen – also: jede Art von Essen, dessen er habhaft werden kann – in Sekundenschnelle und rückstandsfrei vernichtet, hatte ich ja schon berichtet. Er und Leo fressen also in unterschiedlichen Zimmern, Fritz meist im Wohnzimmer und Leo im Bett (in der Küche, die bei uns ja keine Tür hat, ist es ihr momentan zu unsicher). Ich gehe mal davon aus, dass das getrennte Fressen noch eine Weile so bleibt, ist ja auch kein Problem.

Außerdem ist Fritz – im Gegensatz zu Leo – durchaus darauf bedacht, im felinen Miteinander in unserer Wohnung ein möglichst gutes Standing zu haben. Dabei geht es ihm, wenn ich das Ganze richtig interpretiere, vor allem um Sicherheit und um den Zugriff auf Ressourcen, also Futter, gemütliche Liegeplätzchen, Spielzeug und mich. Dafür macht er sich gerne mal wichtig und versucht, Leo auf den zweiten Platz in der Rangfolge zu verweisen.

Wenn ich Leo richtig verstehe, ist ihr die Rangfolge völlig schnurz – sie ist aber nicht bereit, auf meinen Schoß oder ihren Lieblingsplatz im Bett (ebenfalls von Lotti geerbt) zu verzichten. Und noch viel weniger hat sie Lust darauf, sich von einem frechen Kater, der gerade erst ein paar Tage hier wohnt, von der Seite anquatschen oder gar antatzen zu lassen. Wenn Fritz derartige Moves macht – das passiert ein- bis zweimal täglich – dann kommt bei Leo die höhere Tochter durch und sie verweist ihn durch Fauchen, Knurren und notfalls auch durch einzelne gut gezielte Ohrfeigen auf seinen Platz. Nach einer kurzen Übungsphase ist sie dabei erstaunlich effektiv und der freche Fritz ist schon deutlich vorsichtiger geworden bei seinen kleinen Attacken.

Nachts haben wir – mit Ausnahme der Nacht zu heute, die ein sehr übermütiger Fritz dann doch im Wohnzimmer verbringen durfte – übrigens Ruhe in der Bude. Und das, obwohl wir zu dritt im Bett liegen. Leo auf der Wandseite, ich in der Mitte und Fritz am Gang. Das funktionierte bis gestern völlig unproblematisch und ohne irgendwelche Übergriffe von der einen oder anderen Seite. Und geht mit viel Glück auch so weiter. Vor allem das lässt mich hoffen, dass sich die Situation bald so weit entspannt haben wird, dass ich auch das zweite Auge beim Schlafen mal wieder zumachen kann.

In der vergangenen Woche habe ich, wenn ich die Bude verlassen musste, die beiden Katzen noch nicht zusammen miteinander alleine gelassen, sondern auf zwei Seiten einer geschlossenen Tür untergebracht. Ob das auch in der kommenden Woche noch notwendig sein wird, weiß ich im Augenblick noch nicht, das werde ich wohl am Montagmorgen spontan entscheiden.

Fritz ist ansonsten ein überwiegend angenehmer Mitbewohner, sehr vertrauensvoll und dankbar für Aufmerksamkeit und Anregung. Er schmust gerne und kann stundenlang auf oder neben mir liegen, wenn ich arbeite (bzw. zu arbeiten versuche) oder lese oder fernsehe. Wenn ich allerdings esse, wird er extrem aufdringlich und klettert bei jeder Gelegenheit auf den Teller, auch wenn ich diesen über meinen Kopf halte. Ja, auch bei veganem Essen. Wenn ich mich innerhalb der Wohnung bewege, begleitet er mich. Immer. Auf Schritt und Tritt. In die Küche, ins Badezimmer, überall hin. So niedlich. Er hat auch überhaupt keine Angst, dass ich über ihn stolpern könnte – im Gegensatz zu mir. Er spielt sehr viel und ausdauernd, auch das ist nicht gerade seniorenstraßenkatertypisch, denke ich.

Leo war am Anfang etwas überrascht über die Schnelligkeit von Fritz und darüber, dass er überhaupt keine Angst vor ihr, mir oder der neuen Umgebung zu haben scheint. Zum Glück aber lernt auch sie schnell und bietet ihm inzwischen recht effektiv Paroli, wenn er ihr zu übergriffig wird. Die Sirene hat sie dafür bisher nur einmal einschalten müssen, meistens genügt schon ein kurzes Fauchen, um ihn zu stoppen. Dass sie ein Schild in der Bauchtasche mit sich herumträgt, auf dem so was wie „Mach so weiter und du kannst direkt zurückfahren nach Rumänien!“ steht, ist sicher nur ein Gerücht. Also, hoffentlich. Davon, sich offen über ihren neuen Mitbewohner zu freuen, ist sie allerdings auch noch ein Stückchen entfernt. Aber es wird jeden Tag ein bisschen besser. Und zumindest langweilt sie sich nicht mehr, seit ihr Kater bei uns angekommen ist.

2 Kommentare

  1. Klingt alles in allem deutlich entspannter als es hätte sein können. Sie werden vielleicht nicht beste Freunde, aber das wird besser werden.

    Ausserdem war ja das Ziel, dass Leo sich nicht langweilt, damit ist es ein 100% Erfolg.

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