„Spielen?“, fragte Fritse Frietjes und fasste Fräulein Leonie Mau von hinten an den gestreiften Hintern. Diese öffnete nur ein Auge halb und dafür ihren briefmarkengroßen Rachen ganz, um kurz zu fauchen: „Geh wechchchchchchchchchch!“
„Aber ich will spielen!“, beharrte Fritte und zielte mit der rechten Mittelkralle genau auf Leos Schwanzspitze. „Solange mein Kumpel Sean nicht hier ist, sondern in Bremen, musst du mit mir spielen.“
„Ich muss gar nichts“, erwiderte Leo mürrisch, die gerade von Trockenfutter mit extrem leckerer Soße geträumt hatte und sich dabei nur ungern unterbrechen ließ, „und wenn du mit deinem Kumpel spielen willst, dann fahr doch nach Bremen und statte ihm einen Besuch ab.“
„Würde ich ja gerne“, sagte Fritte, „aber ich weiß nicht, wo Bremen ist.“
Hörbares Augenrollen hinter fest geschlossenen Streifenkatzenaugenlidern. „Hast du kein Google Maps?“
„Leider nicht“, murmelte Fritte betrübt, „mein Handy ist neulich bei dem Überfall auf das Fischgeschäft irgendwie abhanden gekommen. Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte.“
„Vielleicht hättest du nicht in das Becken mit den lebenden Fischen springen sollen?“, überlegte Leo laut. „Das ist nicht so gut für Handys, weißt du?“
„Aber der blöde Hai in dem Becken hatte mir die Mittelflosse gezeigt“, rief Fritte empört. „Das konnte ich doch nicht unwidersprochen hinnehmen.“
„Natürlich nicht“, gab Leo gelassen zurück. „Und angeblich kann man ja auch ohne Handy leben. Dann gehst du eben einfach zum Bahnhof und kaufst dir eine Fahrkarte nach Bremen. Einfache Fahrt, das ist gar nicht so teuer.“
„Meinst du, ich kann die Fahrkarte mit Fischfrikadellen bezahlen?“
„Am Automaten wahrscheinlich nicht. Aber irgendwo gibt es bestimmt einen Schalter mit einer langen Schlange von Freaks, die mit Schokoladenmünzen, Fischfrikadellen oder Telekom-Aktien bezahlen wollen.“
„Leo, du bist wirklich sehr klug!“, sagte Fritte mit ehrlicher Bewunderung. „Willst du nicht vielleicht mitkommen nach Bremen?“
„Ganz sicher nicht!“, stellte Leo klar. „Im Gegenteil. Ich finde es aber ganz großartig, wenn du deinen Kumpel Sean und den großen freundlichen Mann dort besuchst. Ich rufe Sean auch von meinem Handy aus an, damit er dich vom Bahnhof abholt. Und du kannst gerne länger dort bleiben.“
„Das ist total nett von dir“, fand Fritte. „Aber wirst du mich denn nicht vermissen?“
Aus Leos Ecke kam ein Geräusch, das ein bisschen wie ein unterdrückter Lachkrampf klang. „Damit komme ich schon klar, mach dir keine Gedanken. Du musst auch mal an dich denken, Fritte. In Bremen könnt ihr bestimmt toll spielen, Sean und du. Vielleicht darfst du sogar mit Sean spazierengehen. Im Park, da gibt es wilde Tiere, habe ich gehört.“
„Wilde Tiere?“, fragte Fritte entzückt. „Da passen Sean und ich ja dann hervorragend hin. Damals in Rumänien waren auch überall wilde Tiere: Füchse und Wölfe und Bären und manchmal sogar Aasgeier.“
„In Bremen sind es wohl mehr Kaninchen, Nacktschnecken und Rehe. Aber mindestens genauso wild wie die Wölfe in Rumänien.“
„Toll. Und du bist sicher, dass du nicht mitkommen willst?“
„Ganz sicher“, erwiderte Leo und versuchte, sich nicht allzu angeekelt zu schütteln bei der Vorstellung an Gassigehen mit Wildtieren – und Fritte und dem kleinen freundlichen Hund.
„Wenn Sean mir sein Telefon leiht, rufe ich dich abends immer an und erzähle dir, wie der Tag war“, schlug Fritte vor. „Oder ich kaufe einem der Füchse ein neues Handy ab. Ein wasserdichtes.“
„Das ist ein sehr guter Plan“, bestätigte Leo. „Pack doch schon mal die Fischfrikadellen ein. Ich schaue inzwischen schnell, wann der nächste Zug nach Bremen fährt. Und: Alle zwei Tage anrufen reicht auch!“
Aber Fritte war schon in der Küche und rumorte im Kühlschrank rum. Dem sich ausbreitenden Geruch nach zu urteilen, war es höchste Zeit, die Fischfrikadellen wieder in Umlauf zu bringen.
Kurze Zeit später konnte Fräulein Leonie Mau vom Wohnzimmerfenster aus beobachten, wie Fritte eine Plastiktüte im Kofferraum eines Taxis verschwinden ließ, vom die Nase in die Luft reckenden und schnüffelnden Taxifahrer misstrauisch beäugt. Dann stieg er auf der Fahrerseite ein, rutschte widerwillig rüber auf den Beifahrersitz, damit der Taxifahrer auch einsteigen konnte und winkte Leo noch einmal fröhlich zu.
„Mach’s gut, Süße!“, rief er übermütig. „Ich bin bald wieder da.“
Leo winkte ihm halbherzig, während sie mit der anderen Pfote schon eine Google-Abfrage „Wie unterbreche ich den Bahnverkehr zwischen Bremen und Hamburg?“ startete. „Tschüß, Fritte. Grüße an Sean und den großen freundlichen Mann. Die dicke freundliche Frau und ich kommen schon klar. Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen!“