Positiv. Nach der ersten Impfung. Corona im Seniorenheim.

Das war ein ziemlicher Schock letzten Samstag, als nachmittags plötzlich das Seniorenheim anrief, um mir bedauernd mitzuteilen, dass meine Mutter nun auch positiv getestet sei. Positiv. Auf Corona.

Da das Heim häufiger mal anruft, meistens um das Telefon sofort an meine Mutter weiterzureichen, die das mit dem Telefonieren alleine nicht mehr so gut hinkriegt, erwischte mich diese Mitteilung eher unvorbereitet. Ich war eigentlich noch im gut gelaunten Begrüßungsmodus, als ich mich schon schockiert „Scheiße!“ sagen hörte.

Das Gespräch mit der Wohnbereichsleitung war kurz. Viel mehr, als dass der Test am Freitag stattgefunden habe, am Samstag das positive Ergebnis zurückgekommen sei und es meiner Mutter bisher gut gehe, konnte man mir nicht sagen. Wann sie sich wohl angesteckt habe? Keine Ahnung. Ob viele BewohnerInnen infiziert seien? Dazu dürfe man mir keine Auskunft geben, aber: „Ja. Einige.“

Das klang düster, sehr düster. Dass es im Heim Infektionen gegeben hatte, war mir natürlich bekannt. Einen Tag vor Heiligabend und haarscharf vor dem Inkrafttreten des Pflicht-Schnelltests für alle BesucherInnen (28. Dezember) sowie des ersten Impftermins im Heim durch einen mobilen Impftrupp (3. Januar) war ja ein vollständiges Besuchsverbot ausgesprochen und dann häppchenweise verlängert worden. Mittlerweile befand sich die Einrichtung also schon seit über drei Wochen in Quarantäne und die Hoffnung auf eine schnelle Eindämmung des Virus hatte sich nicht erfüllt. Im Gegenteil. Gerade vor ein paar Tagen war ich offiziell darüber informiert worden, dass auch der Wohnbereich meiner Mutter betroffen war und man das Besuchsverbot voraussichtlich bis Ende Januar werde beibehalten müssen.

Auch wenn das Wort nicht genannt wurde, war mir klar, dass das Infektionsgeschehen im Heim die Bedingungen für den Begriff Ausbruch mittlerweile erfüllte. Locker.

Ich murmelte noch einige Male leise Flüche vor mich hin, bis ich es dann schaffte, einen sinnvollen Satz zu sagen: „Aber sie ist doch vor fast zwei Wochen zum ersten Mal geimpft worden!?“

Das bestätigte die Pflegekraft und fügte hinzu, man klammere sich durchaus an die Hoffnung, dass diese erste Impfung den Immunsystemen der Betroffenen genügend Vorsprung gegeben habe, um sich gegen das Virus erfolgreich zur Wehr setzen zu können. Sie versprach mir, mich über eventuelle Entwicklungen hinsichtlich meiner Mutter auf dem Laufenden zu halten, und dann war das Telefonat beendet.

Ich schickte hastige Textnachrichten an meinen Bruder und meinen Freund: „Meldet euch. Inge ist positiv getestet.“

Dann saß ich auf dem Sofa, holte tief Luft und merkte, dass meine Zähne klapperten. Auch meine Hände zitterten, als das Telefon klingelte und mein Freund anrief. Mein Bruder meldete sich erst etwas später, ausgerechnet an dem Tag hatte er sein Telefon geschrottet und musste erst ein neues einrichten.

Wir waren uns einig: Der wichtigste Teil der Scheißnachricht lautete: Keine Symptome. Das war doch schon mal gut, oder? Und würde sich ja wohl hoffentlich nicht ändern, oder? ODER?

Und falls nicht? FALLS NICHT?

Nur sehr zögerlich sprachen mein Bruder und ich über „Falls nicht“. Ich bin vertraut mit der Einstellung meiner Mutter gegenüber der Schul- und Apparatemedizin sowie gegenüber der Vermutung von vielen Ärzten, dass Patienten in einem Krankenhaus besser aufgehoben seien. Sie besteht aus klarer Ablehnung. Schon seit vielen Jahren. Das steht auch sehr klar, deutlich und gut begründet in ihrer Patientenverfügung. Ihre konkreten Entscheidungen bzw. grundsätzliche Einstellung, je nach Situation, würden mein Bruder und ich, wenn es denn notwendig wäre, auch unterstützen; sie selbst kann sich ja nicht mehr sinnvoll erklären (ablehnen kann sie, was sie nicht will, aber noch ziemlich gut). Allerdings hoffen wir beide, dass es dazu nicht kommt, weder jetzt noch später.

Später am Samstag gelang es uns, unsere Mutter telefonisch zu erreichen. Sie klang genervt, weil sie nicht verstand, warum sie allein in ihrem Zimmer sitzen sollte, sonst aber okay. Sie freute sich sehr über unsere Anrufe, immerhin.

Wenn Sie mich auch bei Twitter lesen, wissen Sie es: Mein Bruder und ich haben uns diese Woche immer abgewechselt mit täglichen Anrufen im Wohnbereich. Die Auskünfte dort, unsere Mutter betreffend, waren immer ermutigend: Unverändert, keine Symptome. Die MitarbeiterInnen halfen uns auch, unsere Mutter selbst zu erreichen. Weil bei ihr jetzt der Fernseher fast durchgehend läuft, hört sie das Telefonklingeln (trotz Alarmanlagenlautstärke) meistens nicht.

Jeden Tag seufzte ich etwas lauter. Vor Erleichterung. Noch immer keine Symptome, sehr gut. Wann sie sich angesteckt hat, wissen wir nicht so genau, der Test wurde ja nicht wegen einer Corona-Symptomatik gemacht. Wildes Rechnen und Übereinanderlegen von Latenzzeit und Inkubationszeit sind also nur begrenzt hilfreich. Soweit ich weiß, wird zurzeit zweimal pro Woche getestet in der Einrichtung, d. h. sie hat sich also – grob gesagt – mindestens einen Tag und höchstens vier Tage vor dem Test angesteckt. Denn beim vorigen Test war sie ja noch negativ.

Die derzeitigen Kriterien des RKI für die Aufhebung der Isolierung innerhalb des Heims:

  • Symptomfreiheit für mindestens 48 Stunden
  • Mindestens 10 Tage nach Symptombeginn bzw. Erstnachweis des Erregers bei asymptomatischen Personen
  • Negative PCR-Untersuchung auf SARS-COV-2

Der zehnte Tag nach dem Erstnachweis des Erregers bei meiner asymptomatischen Mutter wäre morgen, am Montag (bei Twitter habe ich anders gezählt, da geht es um die Tage nachdem wir von dem positiven Testergebnis erfahren haben). Ein weiterer Test wird vermutlich spätestens Mitte der Woche gemacht.

Heute, am Sonntag, hätte übrigens die zweite Impfung gegeben werden sollen. Diese entfällt, wenn ich es richtig verstanden habe, angesichts der aktuellen Situation im Heim (auch wenn das RKI es nicht grundsätzlich schlecht findet, auch bei Infektionsgeschehen in einer Einrichtung zu impfen). Die BewohnerInnen, die sich infiziert haben/hatten, bekommen allerdings ohnehin keine zweite Impfung mehr. Man geht davon aus, dass sie durch die erste Impfung und die anschließende Infektion nun langsam mal genügend Antikörper gebildet haben.

Okay. Dann gehen wir davon eben auch aus. Und hoffen, dass wir nicht demnächst im Podcast von Professor Drosten hören, dass sich inzwischen herausgestellt hat, dass das nicht so ist.

Also: Bitte halten Sie uns doch, wenn Sie gerade nichts Dringenderes zu tun haben, noch ein paar Tage die Daumen. Danke auch im Namen meiner Familie.

3 Kommentare

  1. hallo, ich habe die ganze woche an sie gedacht und mitgehofft. ich hatte auch eine mutter im heim, noch vor corona, und das ist schon belastend genug, auch ohne corona. ich freue mich für sie, dass keine krankheits anzeichen vorhanden sind. die impfung scheint ja zu wirken, das ist ja hoffnung für uns alle. mein mann und ich sind beide risikopatienten und schon fast das ganze jahr zuhause. uns geht es wie ihnen, am sichersten fühlen wir uns daheim. ich wünsche ihnen und ihren beiden schnuckeligen mitbewohnerinen alles erdenklich gute und liebe.

    1. Liebe Gitte,
      danke für die guten Wünsche. Es stimmt, meine Mutter und ich hätten Corona wirklich nicht gebraucht – es lief eigentlich gerade mal ganz gut mit uns und dann diese ganzen Komplikationen. Aber ich bin sehr froh, dass die Impfung tatsächlich eine Wirkung zu haben scheint.
      Ihnen auch weiterhin alles Gute für diese schwierige Phase – irgendwann muss es ja wieder besser werden. Das sage ich meiner Mutter täglich und ich glaube auch daran.
      Herzliche Grüße
      Bettina

  2. Liebe Bettina,
    (Oh, nein, solche Nachrichten wollte ich doch ganz besonders hier nicht lesen)
    <3! Deine/Euere Gefühle kann ich gut nachfühlen, doch wie es scheint hat die Impfung und wohl auch die Persönlichkeit (<3) Deiner Mutter dem Infektonsgeschehen Paroli geboten! Mein Daumen ist ganz fest gedrückt und ich hoffe sehr, daß der Test in dieser Woche negativ ausfällt! Deiner Mutter, Dir und allen Familienangehörigen allerbeste Wünsche von Herzen! Pass' auf Dich auf.
    Sei lieb gegrüßt, Martina
    (Ich bin selbst seit einem Jahr zuhause, meinem sicheren Ort, erlebe aber jede Woche bei den ambulanten Behandlungen Dinge, die mich verändert haben…)

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