Über die wohltuende Wirkung Ihres Haustiers auf Ihre Seele.

Kennen Sie etwas Schöneres, als nach einem langen, anstrengenden Tag nach Hause zu kommen und von einer kleinen flauschigen Katze (oder zweien) empfangen zu werden, die sich so richtig über Ihre Rückkehr freut, sofort ihrer Pflicht als Hauskatze nachkommt und zu Ihrer dringend benötigten Instant-Entspannung beiträgt? Kennen Sie diese Situation überhaupt? Oder ist es bei Ihnen auch eher so, dass Sie schon, während Sie noch die schwere – überwiegend mit Katzenfutter gefüllte – Einkaufstasche die Treppe hochschleppen und mit zitternden Fingern versuchen, den Schlüssel ins Schloss Ihrer Wohnungstür zu stecken, von drinnen hysterische Anfeuerungsschreie hören? Anfeuerungsschreie, die darauf hindeuten, dass Sie gerade noch rechtzeitig heimkehren, um eine kleine flauschige Katze (oder zwei) vor dem sicheren Hungertod zu bewahren?

2017-06-18 10.17.10
Das da rechts hinter mir ist übrigens eine Lampe, kein Griff, um mich vom Sofa hochzuziehen!

Wenn Sie es dann an Ihrer hysterisch-begeisterten Katze (oder zweien) vorbei in die Wohnung geschafft haben, setzt sofort die allseits bekannte beruhigende Wirkung Ihrer Haustiere auf Sie ein. Diese beruhigende Wirkung von Haustieren ist ja in vielen internationalen Studien nachgewiesen worden: Ein Haustier vermindert den Blutdruckanstieg in Stresssituationen. Menschen mit einem Haustier reagieren gelassener auf Stress, sind entspannter. Bereits die Anwesenheit und das Streicheln der Tiere tun uns Menschen gut. In anderen Worten: Der Stress, den Ihnen die hysterisch-hungrigen schreienden Katzen gerade bereiten, wird durch die bloße Anwesenheit Ihrer hysterisch-hungrigen schreienden Katzen mehr als wettgemacht. Horchen Sie mal in sich hinein: Sie werden sehen, wie Ihr Blutdruck und Ihr Puls zur Ruhe kommen und sich insgesamt ein wohlig entspanntes Gefühl über Sie legt. Sofern Sie es schaffen, nicht über den Teppich zu stolpern, der sich im Laufe des Tages erstaunlicherweise vom Eingangsbereich der Wohnung in die Küche bewegt hat. Oder in den Katzenkotzehaufen zu treten, der sich unter dem zerknüllten Teppich verbirgt.

Während Sie dann – in herrlicher, himmlischer Entspannung – Ihren Harndrang unterdrücken und sich sagen, dass gar nichts dabei ist, mit Hut, Mantel, Schuhen, Handtasche und Einkaufstüten am Arm in die Küche zu rasen und erst einmal Ihre kleine flauschige Katze (oder zwei) zu versorgen, spüren Sie deutlich, wie der Alltagsstress und all Ihre Sorgen von Ihnen abfallen. Sie sind jetzt zu Hause in Ihrem Leben und all die Dinge, die eben noch Ihren Alltag erschwert haben und morgen wieder über Sie hereinbrechen werden, sind gerade vollkommen unwichtig geworden. Denn Sie haben andere Sorgen: Die kleine flauschige Katze (oder zwei) hat nämlich soeben beschlossen, dass die Sorte Katzenfutter, die Sie soeben in ihren Napf gelöffelt haben, komplett inakzeptabel und wahrscheinlich vergiftet ist. Sie unterbricht also ihre „Mein Gott, das war Rettung in letzter Sekunde!“-Aufs-Essen-Stürz-Bewegung, um Ihnen einen empörten und angewiderten Blick (oder zwei) zuzuwerfen und sich hysterisch-enttäuscht von ihrem Napf abzuwenden. Gleichzeitig nimmt sie ihr hysterisch-hungriges Schreien wieder auf, das nun aber eine deutliche Komponente von Verzweiflung enthält.

2017-06-01 08.20.47
„Es ist schwer mit dir heute, Mensch. Nun gib dir doch mal ein bisschen Mühe.“

Sie – noch immer in Hut, Mantel, Schuhen, Handtasche, Einkaufstüten UND mittlerweile einer dicken Schicht Schweiß auf der Stirn, Katzenkotze am Schuh und dem dringenden Gefühl, dass Sie gleich vielleicht nicht mehr schnellstmöglich aufs Klo müssen, dies die Situation aber nicht unbedingt verbessern wird – nehmen den verschmähten Katzennapf an sich, rühren das Katzenfutter gut um, rufen mit fast aufrichtig klingendem Entzücken: „Oh, das schmeckt aber lecker. Omnomnom!“, kommen sich dabei unfassbar bescheuert vor und stellen den Napf wieder vor der Katze auf den Fußboden.

Eins ist sicher: Ihrer Katze (oder zweien) kommen Sie dabei auch unfassbar bescheuert vor. Zum Glück sind Sie ja aber wegen der Anwesenheit Ihrer Katze total entspannt und auch sonst eher ein ausgeglichener Typ, deswegen schaffen Sie es in dieser winzigen Gefechtspause mit letzter Kraft, aufs Klo zu rennen. Sie stellen fest, dass Pinkeln mit Hut, Mantel, Schuhen, Handtaschen und Einkaufstüten nicht so leicht ist, aber im Notfall – wenn man es nicht zu genau nimmt – sehr wohl funktionieren kann. Dann stellen Sie fest, dass Sie vergessen haben, die Klotür von innen zu verriegeln. Eine empört-verzweifelte und immer noch hysterisch-hungrige Katze (oder zwei) steht also vor Ihnen und schreit Sie weiterhin an. Sie murmeln etwas wie „Das ist doch lächerlich!“ vor sich hin, verzichten, um diesem unwürdigen Schauspiel ein Ende zu machen, aufs Händewaschen und eilen zurück in die Küche, wo Sie zum zweiten Mal in den Katzenkotzehaufen treten und dann zügig den beleidigenden Katzennapf aus dem Sichtfeld der Katze entfernen.

Dann nehmen Sie den Ersatznapf zur Hand, stellen ihn auf die Arbeitsplatte und greifen sich aus dem Regel mit den Katzenvorräten die Musterpalette mit allen zur Verfügung stehenden Katzenfuttersorten. Diese halten Sie der Katze (oder zweien), die jetzt in regelmäßigen Abständen Geräusche macht wie ein explodierender Rauchmelder (oder zwei) vors Gesicht und schreien: „Also los! Was willst du?“

Die Katze (oder zwei) schlägt zur Antwort mit der Kralle nach Ihrer Hand und schreit Unverständliches, aus dem sich unmöglich heraushören lässt, ob sie jetzt „Hühnchen im eigenen Saft“, „Lamm mit feinem Gemüse und Quinoa“ oder „undefinierbare Presshäppchen aus dem Sonderangebot“ möchte. Sie lecken hastig das Blut von Ihrer Hand (nicht dass die Katze auf dumme Gedanken kommt!), reißen ein Tütchen auf, riechen dran, unterdrücken den Brechreiz, rufen fast ungekünstelt „Hm, lecker!“ und servieren der Katze (oder zweien) den zweiten Versuch eines Abendessens.

Dem Himmel sei Dank. Die Katze (oder zwei) stürzen sich wie Verhungernde auf ihr Essen und spachteln los. Sie nehmen endlich den Hut ab und lassen die Einkaufstüten fallen. In den Katzenkotzehaufen, aber was macht das schon? Sie haben jetzt ungefähr eine Minute Zeit für sich selbst und Ihr Wohlbefinden, bevor die Katze (oder zwei) Nachschlag verlangt. Oder die Telefonnummer des Tierschutzvereines.

Augenblicklich setzt die Entspannung wieder ein. Herrlich, endlich zu Hause und bei dem geliebten flauschigen kleinen Tier. Blutdruck und Puls weisen vorbildliche Werte auf und was macht es schon, dass Sie sich eben auf die Schuhe gepinkelt haben? Mit einem wohligen Seufzen sinken Sie auf Ihr Bett, ziehen die Hose und die Strümpfe aus und lehnen sich einen Moment zurü…

„MIAU!“

… Sie vergessen den Plan mit dem Zurücklehnen und springen wieder auf. Vor Ihnen steht eine Katze, die ganz deutlich sichtbar noch kaut, gleichzeitig aber schon wieder hysterisch-hungrige Schreie ausstößt.

Während Sie – elegant dem breitgetretenen Katzenkotzenhaufen ausweichend – zurück in die Küche eilen, läuft die flauschige kleine Katze (oder zwei) Slalom zwischen Ihren Beinen. Schreiend, versteht sich. Sie greifen wahllos nach dem nächsten Katzenfuttertütchen und drücken den Inhalt in den bereitstehenden Napf (oder zwei). Völlig entspannt und mit einem Ruhepuls, auf den jeder Ausdauersportler stolz sein könnte, beobachten Sie, wie die Katze (oder zwei) angewidert an ihrem Essen schnüffelt, Ihnen einen „Das kannst du selbst essen“-Blick zuwirft und dann anfängt, rund um ihren Essplatz herumzuscharren und zu kratzen, offenbar, um das unerwünschte Futter für schlechte Zeiten oder naivere Haustiere einzugraben.

Sie reißen, da bereits das gesamte Katzengeschirr im Einsatz ist, eine Untertasse aus dem Regal und öffnen der Katze (oder zweien) ein weiteres Tütchen. Dieses wird gnädigerweise akzeptiert (es ist übrigens dieselbe Sorte wie beim ersten Füttern nach dem Heimkommen, aber Sie sind so glücklich über die bloße Anwesenheit Ihres Haustiers, dass Sie dessen sprunghaften Vorlieben und Abneigungen beim Essen schon lange nicht mehr hinterfragen).

Sie kehren zurück ins Schlafzimmer, wo Sie endlich den zweiten Strumpf ausziehen. Mit dem Sie inzwischen einen Teil des Katzenkotzehäufchens in der ganzen Wohnung verteilt haben. Die beruhigende Wirkung von Katzenkotzehäufchen ist übrigens noch nicht hinreichend in Studien erforscht – falls Sie also einen amerikanischen Wissenschaftler kennen, der irgendwas herausfinden möchte: Das wäre mal ein lohnendes Gebiet!

2017-06-18 10.22.30
„Dass du überhaupt schlafen kannst, wenn mir sooooo sehr der Magen knurrt.“

Sie fallen sitzend in einen Sekundenschlaf. Ja, so entspannt sind Sie! Als Sie wieder zu sich kommen, liegen Sie auf dem Fußboden und etwa drei Zentimeter vor Ihrem Gesicht sitzt eine kleine flauschige Katze (oder zwei), die wohlig schnurrt und Sie mit dem Todeshauch halbverdauten Katzenfutter anatmet. Sie holen tief Luft, unterdrücken den Brechreiz und spüren, wie die letzte Anspannung des Tages von Ihnen abfällt. Es ist Ihnen völlig egal, wer die Katzenkotze aufwischt und das verschmähte Futter entsorgt, bevor alle Fliegen dieser Welt in der Wohnung sind. Sie sind da und mit Ihnen Ihr geliebtes Haustier (oder zwei), das jetzt etwas Quality Time mit Ihnen verbringen möchte. Und das ist schließlich alles, was zählt, nicht wahr?

2017-06-18 10.15.28
„Du glaubst, du hättest die Kurve noch mal gekriegt, oder? Nun ja.“

 

 

4 Kommentare

  1. Ich habe gerade Tränen gelacht!
    Und meine Katze hatte genau so eine Fellfarbe! <3
    Jeder Mensch sollte mindestens zwei Katzen haben! Ähm.. sollte sich von mindestens zwei Katzen halten lassen.. 😉

  2. Wäre es nicht so witzig geschrieben, könnte man fast Mitleid bekommen. Also mit der Katze (oder zwei).
    Mein Paulchen ist ja ein sehr distinguierter Britisch-Kurzhaar-Mann, daher sind mir diese Szenarien tatsächlich nicht bekannt. Auch nicht von den Katzen und Katern vor ihm.
    Ich überlege ja gerade, ihm eine Gesellschaft zu finden – allerdings, was, wenn sie vom Stamme der Idas und Olgas ist?!?
    Ich muss überlegen…

    Sonnige Grüße
    Nicole

  3. Kei Mitleid. Alles Erziehungssache.
    Bis auf das Kotzen. Dagegen hilft Malzpaste. Damit on top wird übrigens auch jede Sorte Futter inhaliert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.