Von Gewalt gegenüber Tieren wird mir übel.

Gewalt gegenüber Tieren erschüttert mich heftig, macht mich traurig und wütend. Das geht mir mit Gewalt grundsätzlich so, aber wenn ich davon höre, dass ein Mensch einem Tier Gewalt antut oder angetan hat, trifft mich das an einer möglicherweise noch empfindlicheren Stelle meiner Seele und auch meines Körpers. Das Grauen, das mich in solchen Momenten erfasst, ist körperlich spürbar und meist kämpfe ich nicht nur gegen die Tränen, sondern auch gegen spontane Übelkeit.

Ich habe mich schon oft gefragt, warum das so ist. Ich habe zwar bekanntlich einen klitzekleinenn Knall, was meine Katzen und ihre Bedeutung für Sie und mich und uns alle angeht, aber alles in allem glaube ich eigentlich nicht, dass ich ein ungesundes (weil übertriebenes und vermenschlichendes) Verhältnis zu Tieren und in gleichem Maße eine Störung im Umgang mit Menschen habe. Ich mag Menschen im Allgemeinen und auch im Besonderen, also: ausgewählte Exemplare. Ich bin fähig zu Empathie, Freundschaft und Liebe. Ich mache mich stark für Schwächere und betrachte mich als funktionierendes Glied in einem sozialen Gefüge.

Gewalt stößt mich grundsätzlich ab, im Großen wie im Kleinen. Ich verabscheue gewalttätige Auseinandersetzungen und Machtdemonstrationen im internationalen und völkerrechtlichen Kontext ebenso wie häusliche Gewalt, das Anbrüllen von Kindern durch überforderte Eltern in öffentlichen Verkehrsmitteln, das Austragen von zwischenmenschlichen Konflikten mit Waffen oder Fäusten und was es eben sonst noch so gibt. Kampfsport in der freien Natur und auch in der Kunst gehe ich aus dem Weg.

Trotzdem lese ich Krimis und gucke Tatort und Thriller-Serien. Aber ich habe schon so manches Buch weggelegt und mehr als einen Film abgeschaltet, weil darin einem Tier Gewalt angetan wurde. Ich weiß nicht, in wie vielen Tatorten die Katze von Lena Odenthal von einem fiesen Mörder, der die Kommissarin einschüchtern wollte, ermordet wurde – ich habe keinen von diesen Filmen zu Ende geschaut. Schon in der siebten Klasse des Gymnasiums hatte ich heftigen Ärger mit meinem Deutschlehrer, weil ich mich weigerte, Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ weiterzulesen, nachdem dort ziemlich zu Beginn eine Katze erschlagen worden war. Ansonsten mag ich Krimis und Thriller und die zur Erzeugung der dazugehörigen Spannung notwendige Gewalt zwischen den handelnden Personen nehme ich in Kauf. Zwar halte ich mir an ekligen Stellen manchmal die Augen zu, aber ich schalte deswegen nicht ab.

Im wirklichen Leben treffen mich Nachrichten über gequälte, zu Tode gekommene und missbrauchte Tiere ebenfalls bis ins Mark. Sie können weit von mir weg sein und mir nur als kurze Zeitungsnotiz begegnen, aber sie treffen mich. Pferderipper sind meinem Gefühl zufolge fast die unheimlichsten Serienmörder überhaupt: Wie kann ein Mensch nur auf die Idee kommen, so ein großes, sanftes und wunderbares Wesen wie ein Pferd zu quälen und umzubringen? Übereifrige Jäger, die „Problembären“ auf der Suche nach Futter und  Unterhaltung abschießen… was sind das für Menschen? Hysterische Touristen an sonnigen Stränden, die solange Selfies mit einem Delfin machen, bis dieser erstickt ist? Und die, die ihre eigenen Hunde oder Katzen schlagen, treten oder ertränken, weil diese sich nicht so verhalten wie gewünscht? Und was sind das für Scheißtypen, die einen Pinguin, den tierischen Inbegriff der liebenswerten Harmlosigkeit, aus einem Tierpark klauen und dann töten (bzw. ihren Tod billigend in Kauf nehmen)?

Die Geschichte mit dem Pinguin diese Woche hat mich echt heftig erwischt. Ich hatte bei Twitter – wo sonst? – von dem entführten Tier gelesen und hatte, wie wohl die meisten von uns, an einen Scherz oder eine romantische Aktion zum Valentinstag gedacht und über die vielen fantasievollen und charmanten Tweets zum Thema gelacht. Als ich dann fünf Tage später las, dass das verschwundene Tier unweit des Tierparks tot aufgefunden wurde – es konnte noch nicht abschließend geklärt werden, wie es zu Tode kam und ob es bereits tot war, als es am Straßenrand abgelegt wurde – war das wie ein schlimmer Schlag in den Magen.

Ich halte mich selbst für ziemlich friedfertig und kann mir auch keine Situation vorstellen, in der ich bewusst oder gar geplant Gewalt ausüben würde. Meinungsäußerungen, die auf Rache und Vergeltung abzielen, befremden mich grundsätzlich. Mir genügt es und muss es genügen, Täter als Scheißkerl und Arschloch zu bezeichnen, sie zu ächten und zu verachten. Wie es mir aber ginge, wenn in meinem realen Umfeld jemand einem Tier etwas antun würde oder wollte, kann und will ich mir lieber nicht vorstellen. In diesem Zusammenhang bin ich immer sehr froh, dass meine Katzen nicht rausgehen.

Wobei ich bestimmt keine sehr konsequente Tierschützerin bin. Ob meine Katzen mir für das sichere Zuhause ohne Gefahren von außen eigentlich dankbar sind, kann ich nicht sagen. Vielleicht würden sie die Gefahr gerne in Kauf nehmen, um draußen umherstreifen und jeden Tag neue Abenteuer erleben zu können. Gut, sie haben keine Zähne, aber vielleicht würden sie Kung Fu zur Selbstverteidigung lernen oder Mäuse mit kleinen über den Kopf gezogenen Plastiktüten ersticken. Und draußen prächtig zurechtkommen. Dann müsste ich auch nicht so viel Katzenfutter kaufen, für das ja auch wieder Tiere sterben müssen. Da kann ich selbst noch so vegetarisch essen und versuchen, so wenig Produkte vom lebenden Tier wie möglich zu verwenden – für die Katzen kaufe ich eben doch wieder Fleischhaltiges! Aus purem Egoismus, weil ich einfach gerne mit Katzen zusammenlebe.

Aber das ist nicht der Punkt. Ich könnte auch aufrichtig um einen toten Pinguin trauern, wenn ich für das Sonntagsessen ein schönes Stück Fleisch im Ofen hätte. Das sind in meinen Augen sehr verschiedene Dinge, auch wenn ich für mich persönlich den fleischhaltigen Braten ablehne und nicht möchte, dass irgendwo ein Tier für mich und mein genussvolles Leben stirbt.

Sinnlose Gewalt gegenüber einem harm- und wehrlosen Tier ist erschreckend. Es ist – es gibt genügend wissenschaftliche Studien zu diesem Themenkomplex – kein Zufall, dass Menschen, die irgendwann durch Gewalt gegenüber Menschen auffällig werden, sehr häufig irgendwann in ihrer Vergangenheit auch schon gewalttätig gegenüber Tieren gewesen sind. Eine einmal überschrittene Schwelle zur Gewalt gegenüber Lebewesen senkt diese Schwelle offenbar für immer, davon geht der Stand der Wissenschaft aus.

Tiere sind Tiere. Ihr Bewusstseinslevel ist ein völlig anderes als bei uns Menschen. Sie sind immer ganz im Hier und Jetzt und ganz und gar bei sich. Mit den meisten Überlegungen und Argumentationsketten, mit denen wir uns so durchs Leben manövrieren, würden wir bei Tieren glatt durchfallen. Unsere Haustiere (und in etwas abeschwächter Form auch Nutz- und Zootiere), die mehr oder weniger freiwillig Anteil an unserem Leben nehmen, haben quasi einen Deal gemacht: Sie haben ein warmes Bettchen (oder mehrere), bekommen drei bis fünf leckere Mahlzeiten täglich und werden sogar noch bespaßt und beschmust. Dafür ertragen sie unser Gequatsche, unsere Neurosen und die Blind- und Blödheit, mit der wir oft durch den Tag gehen. Sie lassen sich in unfotogenen Posen von uns ablichten und sind nicht beleidigt, wenn wir die albernsten Fotos ins Internet stellen. Sie vertrauen uns und legen ihr Leben in unsere Hände. Schon allein dafür verdienen sie Respekt und Fürsorge, Achtung vor ihrem Dasein und ihrem Tiersein.

Was aber kein Tier verdient: Dass ein unglücklicher, verstörter oder kranker Mensch sich an ihnen abreagiert und sie als Prügelknaben benutzt, um irgendwelche grausamen Spielchen zu spielen und schräge Fantasien auszuleben. Tiere sind keine Sachen und Tierquälerei hat in meinen Augen mit Sachbeschädigung nichts zu tun. In Grausamkeit gegenüber Tieren kanalisieren sich derart viele menschliche Schwächen, Störungen und erschreckende Weltsichten, dass es mir davon übel wird.

Meiner Meinung nach sind wir Menschen, die wir Tiere in unserem Leben haben wollen, dazu verpflichtet, unsere Tiere zu behüten und zu beschützen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie, egal ob Schmusekatze, Milchkuh oder Zoopinguin, ein sicheres Leben führen können und nicht gerade deshalb, weil sie in unserer Nähe sind, in Gefahr für Leib und Leben geraten. Wenn wir das nicht hinkriegen, dann sollten wir die Tiere in ihren eigenen Lebensräumen und in Ruhe lassen.

4 Kommentare

  1. In fast allen Punkten geht es mir genauso. Gewalt gegen Tiere trifft mich immer ein bisschen mehr, tiefer als die gegen Menschen. Oder anders vielleicht…

    Die Sache mit dem toten Pinguin und dem Stück Fleisch im Ofen sehe ich anders – und hatte das auch in einem Tweet schon kund getan. Denn „Sinnlose Gewalt gegenüber einem harm- und wehrlosen Tier ist erschreckend.“ Und das Tier, das jetzt als Sonntagsbraten im Ofen liegt, hat genau das erfahren. Und wenn nicht im Leben (ich glaube zwar nicht, dass es bei „Nutztieren“ den Zustand des glücklichen Lebens tatsächlich gibt), haben sie es zumindest in ihrem Sterben und dem Weg dorthin erfahren müssen.

    Um zu einem etwas beschwingteren Ende zu kommen – möglicherweise werde ich das Bild von Kung-Fu-Katzen, die mit kleinen Plastiktüten auf die Jagd gehen, nicht mehr vergessen können. Und das ist auch gut so, weil es mich sehr zum lachen gebracht hat.

  2. Ah, da hast du genau den Finger auf den Punkt in meiner Argumentationskette gelegt, an dem ich meiner Formulierung selbst als Rumeierei empfinde! Aber du bist, was tierleidfreien Konsum angeht, auch schon etwas weiter als ich, wenn ich das richtig sehe.

    In meinem persönlichen Empfinden ist das Schlachten, Braten und Essen von Tieren auch Missbrauch (und senkt sicher auch die eine oder andere Hemmschwelle) – trotzdem, und darum geht es mir heute – als Gewalt auch gemeinte Gewalt hat für mich noch eine ganz andere Grausamkeit.

    Die Kung-Fu-Katzen aus dem Paralleluniversum danken für die Aufmerksamkeit und lassen grüßen!

    1. Ach, es geht mir gar nicht darum, wer am liebsten was isst. Ich wünschte mir nur, jedem wäre bewusst, was er da macht, dass wir gerne mit zweierlei Maß messen, je nachdem, ob es uns ganz persönlich betrifft (Lieblingsessen oder auch Lieblingswimperntusche, wie bei mir zum Beispiel) oder im Grunde nichts mit uns zu tun hat (der arme Pinguin).

      Und was ich mir noch wünschen würde – Tierquäler müssten harte Strafen bekommen, Tiere sollten nicht mehr als Sache behandelt werden dürfen. Und damit meine ich ebenso den Menschen, der seinen Hund schlägt, weil er es nicht geschafft hat, ihn vernünftig zu erziehen (und das bitte auch ohne Würgehalsband und andere grausame Methoden), den Pinguinmörder, sowie alles andere dazwischen. Und letztlich auch diejenigen, die Nutztierhaltung- und tötung erlauben und betreiben. Aber diese sind ja vom Gesetz her geschützt, weil es ein so lukrativer Wuírtschaftszweig ist. Leider.

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