Wichtige Gespräche am frühen Morgen.

„Duuuuuu?“

„Hmmm?“

„Schläfst du?“

Es ist viertel nach sechs Uhr morgens. Natürlich schlafe ich.

„Ja, Leo, ich schlafe.“

„Kann ich dich trotzdem was fragen?“

Ich öffne mühsam ein Auge und erblicke meine treue Katze Leo, die direkt vor meinem Gesicht auf meinem Kopfkissen sitzt und mich auffordernd anstarrt.

„Das tust du doch schon.“

„Ja, aber was Wichtiges.“

„Sicher – ich dachte schon, du wolltest mich um diese Zeit aus dem Schlaf reißen, nur um Konversation zu machen.“

„Natürlich nicht. Aber Fritte darf uns nicht hören, also können wir nur sprechen, wenn er gerade zum Essen im Wohnzimmer eingesperrt ist.“

Richtig. Fritte sitzt mit seinem Frühstück hinter verschlossenen Türen, während Leo ihr morgendliches Trockenfutter wie üblich am Fußende des Bettes einnimmt. Ich muss also vor einigen Minuten kurz in der Wohnung unterwegs gewesen sein, um meine Mitbewohner*innen zu versorgen. Ohne aufzuwachen. Aber nun bin ich wach. Und ganz Ohr.

„Worüber möchtest du so vertraulich sprechen, Leo?“

Leo rückt noch ein Stückchen näher an mich heran, so dass ich ihren Trockenfutter-Atem riechen kann, und flüstert aufgeregt: „Ich habe die Weltherrschaft wiedergefunden.“

„Die Weltherrschaft?“, frage ich zurück. „Die war die ganze Zeit hier? Aber wieso denn? Wo war sie denn? Und hat sie niemand vermisst?“

„Psssst“, machte Leo. „Nicht so laut. Du willst doch nicht, dass Fritte das mitkriegt. Nachher bietet der die Weltherrschaft noch bei kleinanzeigen.de an und verkauft sie an den Meistbietenden.“

Das wäre nicht gut, das ist klar. Fritte ist ein kluger Kater, aber aufgrund seiner Vorgeschichte moralisch … nun ja … wie soll ich sagen: unbeständig?

„Sie war ganz hinten im Kleiderschrank“, erzählt Leo sehr leise, „da wo die Hosen lagern, die dir gerade zwei bis vier Größen zu klein sind.“

„Und wie ist sie da hingekommen?“, frage ich. Ein gutes Versteck, das muss ich zugeben. In der Nähe dieser Hosen war ich schon lange nicht mehr.

„Da muss Lotti sie versteckt haben, als sie gespürt hat, dass sie nicht mehr lange zu leben hat“, vermutet Leo, noch immer leise in mein Ohr wispernd. „Sie wollte die Weltherrschaft ja nicht und hat auch kurz überlegt, sie einfach weiterzureichen, aber dann fühlte sie sich Jette und ihrem letzten Wunsch eben doch verpflichtet und wollte so ein wichtiges Erbe nicht einfach wie die ganzen rosafarbenen Pumps auf den Markt werfen. Sie hat lange überlegt, was sie damit machen soll, das weiß ich. Ihr ist aber nichts Vernünftiges eingefallen. Also hat sie die Weltherrschaft im Kleiderschrank versteckt. Das sollte nur vorübergehend sein, aber dann wurde sie krank und hat das wohl vergessen.“

Arme, tapfere Lotti. Ich wische mir eine Träne aus dem müden Auge und auch Leo sieht traurig aus. Ich streichle ihr vorsichtig über das Köpfchen und sie schnurrt mich liebevoll an.

„Bist du sicher, dass du die Weltherrschaft nicht übernehmen willst?“, frage ich dann.

„Bist du verrückt?“, fragt Leo etwas lauter als beabsichtigt und hält sich dann erschrocken mit der Pfote den Mund zu. „Weltherrschaft ist überhaupt nicht mein Ding, das weißt du doch. Und außerdem würde Fritte sie mir ununterbrochen streitig machen wie alles in diesem Haushalt. Und Fritte und die Weltherrschaft … das wäre wirklich keine gute Idee!“

„Vermutlich nicht“, erwidere ich, während sich vor meinem geistigen Auge von Fritte angesammelte Reichtümer auffordernd in meine Richtung neigen. „Obwohl wir mit der ganzen Kohle, die er so oder so damit verdienen würde, so viel Gutes tun könnten.“

„Du müsstest nie mehr zur Arbeit!“, überlegt Leo. „Das wäre toll, denn dann könntest du den ganzen Tag über aufpassen, dass Fritte nicht zu übermütig wird.“

„Das auch“, sage ich, „aber vor allem könnten wir ganz vielen Katzen in Not helfen. Vielleicht sogar ein paar Hunden.“

„Du meinst, Fritte würde seine ganze Verwandtschaft einfliegen?“, fragt Leo, etwas hysterisch.

„Vermutlich“, stimme ich ihr zu. „Das wäre vielleicht etwas anstrengend.“

„Vielleicht“, sagt Leo mit schwacher Stimme. „Das kommt nicht in Frage.“

„Aber was machen wir denn dann mit der Weltherrschaft?“, frage ich, nun wieder ganz leise.

„Ich habe keine Ahnung“, sagt Leo. „Wenn ich eine hätte, dann hätte ich dich ja nicht um diese Zeit wecken müssen.“

Klar. Das hätte ich mir ja auch denken können.

„Wir müssen mal in Ruhe überlegen“, schlage ich vor. „Glaubst du, die Weltherrschaft ist da, wo sie jetzt ist, sicher? Nur noch für eine kleine Weile?“

„Ich denke schon“, nickt Leo nach kurzem Nachdenken. „Obwohl natürlich nicht auszuschließen ist, dass Fritte irgendwann deine Hosen zu Geld machen will. Aber im Moment hat er noch andere Geschäfte am Laufen, über die ich nicht sprechen darf.“

„Sehr beruhigend“, sage ich und fühle mich alles andere als beruhigt.

Leo nickt nur bestätigend.

„Wir müssen uns also etwas überlegen“, sagt sie dann, leise aber streng. „Und zwar bald. Am besten direkt nach dem Nickerchen, das wir jetzt gleich machen. Wohin mit der Weltherrschaft?“

„Wohin mit der Weltherrschaft?“, wiederhole ich, nun schon wieder ziemlich schläfrig. „Darum kümmern wir uns. Gleich nach dem Aufstehen.“

2 Kommentare

  1. Eine schöne Idee!
    Es ehrt Leo, dass sie kein Interesse hat, sich aber Gedanken macht. Habt ihr vielleicht einen Keller oder Dachboden, wo die Hosen (samt Weltherrschaft) „erstmal“ hin könnten?

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