Guten Morgen,
heute gibt es hier wieder (das passt mir gut, weil ich diese Woche echt nicht viel Zeit und Muße zum Schreiben hatte) einen Gastbeitrag. Über das Laufen. Also, auf den eigenen Füßen. Draußen. Meist frühmorgens und bis zur Erschöpfung. Ein Thema also, zu dem die Katzen und ich nicht allzu viel beitragen können. Für uns sind das eher böhmische Dörfer (die wir aber auch nur kennen, falls man dort mit dem Bus hinfahren kann). Aber wir bewundern diese Bereitschaft zur körperlichen Aktivität natürlich sehr. Vom Sofa aus.
Viel Spaß beim Lesen!
Laufen.
„Alles ist schwierig, bevor es leicht wird.“ (Saadi)
Seit ungefähr 14 Jahren laufe ich.
Vorher wollte ich mich gern bewegen, laufen, aber es klappte nicht. Ich war viel zu dick, habe zu viel geraucht. Ich war einfach zu unbeweglich und alle Versuche, mich zu bewegen, scheiterten.
Ich glaube, ich war 45, als ich das Rauchen einstellte. Es hatte mich über Jahrzehnte in äußerst ungesundem Maße begleitet. Und wie jeder starke Raucher dachte ich natürlich: das schaffst du niemals nicht mit dem Aufhören.
Fragen Sie mich nicht: Ich weiß nicht, wie ich es doch schaffte.
Jedenfalls war es keine willentliche Entscheidung. Ich hörte einfach auf.
Und ca. 6 Monate später fing ich an zu laufen.
Ich war in meiner Jugend ziemlich sportlich, bin geschwommen, hab Leichtathlethik gemacht.
Ich erinnerte mich, dass es mir damals körperlich gut ging.
Das wollte ich wieder erreichen.
Also Laufen.
Zuerst in Hamburg-Wandsbek die Wendemuthstraße runter und dann Richtung Eichtalpark. Das waren so 300, 400 Meter. Und wieder zurück. Ich war völlig fertig.
Aber ich machte weiter.
Einen Tag laufen, einen Tag Pause zur Regeneration.
Nach ein paar Versuchen schaffte ich es in den Park hinein. 500 Meter. Mit Rückweg weg das ja schon ein ganzer Kilometer. Yay!
Es dauerte. Aber das Bewegen machte irgendwie auch Spaß.
Langsam wurden aus 1 Kilometer 2. Dann, nach einigen Wochen Monaten, lief ich 2 Kilometer in eine Richtung. Und auch wieder zurück.
Diese Erfolge machten mich stolz.
Ich besuchte einen Laufladen in der Innenstadt und holte mir korrekte Laufschuhe. Mit dieser Laufbandvideoauswertung, die wahrscheinlich hauptsächlich dafür da war, um den Preis zu rechtfertigen.
Ein Shirt musste es auch sein. 60.- €? Ist ja fast geschenkt!
Mit dieser Ausrüstung machte ich weiter. Funktionale Kleidung macht für mich auch wirklich Sinn, da ich echt stark schwitze.
Nach und nach drang ich immer weiter vor in die Tiefen des Eichtalparks. Immer an der Wandse lang, die ruhig vor sich hinplätschert.
Aus 2 Kilometern wurden 3. In eine Richtung!
Langsam wollte ich mir für den Rückweg auch kein Taxi mehr bestellen. Ich kriegte es aus eigener Kraft gut hin.
Die Zeiten, in denen ich Angst haben musste, dass mich die Fußgänger überholten, gingen vorbei.
Nur, damit Sie mich nicht falsch verstehen: ich laufe wirklich nicht schnell, eher lahm. Einen Kilometer schaffe ich in je nach Tagesform in 8 1/2 bis 9 1/2 Minuten.
Ich möchte nicht schneller werden, sondern lieber in Bewegung sein.
Aber es hat etwas Groteskes, wenn ich versuche, einen Menschen zu überholen, der einfach nur spazieren geht, ich hingegen in Laufklamotten und am Keuchen, und das Überholen ist schlimmer und dauert länger als ein LKW-Elefantenrennen auf der Autobahn.
Das waren dann also die ersten Erfolge: So profan war es tatsächlich.
Aber ich hatte ein gutes Gefühl. Ich spürte, dass ich in Bewegung kam. Und es machte Spaß.
Meine Frau ließ sich anstecken und lief auch manchmal mit. Allerdings war sie schneller als ich, so dass ich mich anstrengen musste um mitzuhalten. Damit kam ich aus meinem Lauftempo raus. Ich ließ sie dann gern ziehen, weil mir das Laufen in einem Tempo, das nicht meins war, keinen Spaß machte.
Bald querte ich den Holstenhofweg, eine breite Straße – gut, dass es eine Ampel gibt.
Danach ging es im Park weiter. Bis zu einem See, dann hatte ich meine 4 Kilometer, wieder zurück macht 8; das war mehr als um die Außenalster.
In einer richtig fiesen depressiven Episode lief ich noch weiter; ich hatte auch die Zeit dafür, weil ich lange krankgeschrieben war. Damals entwickelte sich das Laufen zu einer Ressource für mich, etwas woraus ich auch psychische Kraft schöpfen konnte.
Man kann tatsächlich von Wandsbek über Rahlstedt bis nach Berne laufen, an der Wandse lang, bis auf die querenden Straßen immer im Park. Das sind dann gut 8 Kilometer. Und die auch zurück.
Es ist eine schöne Strecke.
Immerhin läuft man durch eine Großstadt.
Ich habe auch andere Strecken ausprobiert.
Wenn ich mit meiner damaligen Frau bei ihren Eltern in Meckenheim bei Bonn war, lief ich dort. Einmal aus der hässlichen 60iger Jahre Siedlung raus, über die Autobahn in einen Forst, den Kottenforst, der mal von einem Herrscher mit Lineal angelegt wurde. Schnurgrade Wege durch Nadelwald. Trotzdem in der Natur und schön.
Ich besuchte meinen Freund Bruno in Belgien und lief dort im Hohen Venn.
Als ich in meiner ersten Reha war, lief ich dort in der Eifel.
Eigentlich finde ich fast immer gute Strecken zum Laufen.
Und es ist klasse in der Natur.
Es gibt natürlich Ausnahmen. Als ich aus Wandsbek weggezogen bin nach St. Pauli, habe ich trotz aller Versuche nicht so schöne Strecken gefunden.
Es gibt natürlich die Elbe in der Nähe.
Aber bis ich da war, musste ich andauernd irgendwelche Straßen queren, um dann teilweise auf Pflaster zu laufen. Und Pflastersteine sind mal nicht sehr angenehm. Kaum Grünflächen dort, und wenn doch, dann sind die eher mini.
Es gibt den Wohlers Park, einen früheren Friedhof, den ich aber schlicht zu klein zum Laufen finde. Man rennt 10 Minuten in eine Richtung und ist einmal rum. Und das dann 60, 70 Minuten lang.
Laaaangweilig.
Planten un Blomen macht mir auch nicht wirklich Spaß. Ich musste die Feldstraße runter, die ist 4-spurig, laut und an manchen Stellen sehr eng.
Und der Park an sich ist auch nicht so die pure Natur, sondern eher kontrollierter Anbau.
Man kann erst rein, wenn geöffnet wird (im Sommer leider erst ab 7 Uhr).
Aber man kann wenigstens mehrere Kilometer laufen, ohne dass sich alles wiederholt.
Die Touris sind allerdings zahlreich und nerven mich. Die Touris sind vielleicht deshalb so viele, weil es rund um Planten un Blomen so viele Hotels gibt. Das sind oft Tagungshotels, man läuft also zwischen den ganzen Anzugträgern mit Rollkoffern lang. Die Anzugmenschen bilden Gruppen, um sich zu erzählen, was so Interessantes auf der Tagung/dem Meeting passiert ist. Und Rollkoffer quietschen laut. Das wirkt oft etwas bizarr.
Mittlerweile wohne ich am Rand von Bremen in Oberneuland.
Das ist ein Stadtteil, der ziemlich reich ist. Porsche-SUVs und Häuser mit Säulen neben der Haustür. Einfamilienhäuser und Einfamilienpaläste wechseln sich ab. Vielleicht vergleichbar mit Hamburg-Blankenese oder Aumühle. Nicht meine Einkommensklasse, aber: Ein sehr schöner Park namens Höpkens Ruh ist in 5 Minuten erreichbar, den kann ich durchlaufen und bin an den Wümmewiesen. Die sind jetzt landschaftlich nicht super abwechslungsreich, eher platt, aber bieten trotzdem so einiges. Seitenarme der Wümme, in denen man sich im Sommer abkühlen kann. Rehe, Hasen, Störche gibt es auch.
Manchmal läuft ein Reh kurz vor mir über den Weg. Wir erschrecken uns meist beide, und es ist ein toller Anblick.
Und da ich gern morgens laufe, gern so ab 5 oder 6 Uhr, wenn es hell ist, gibt es oft aufsteigenden Nebel über den Feldern. Das sieht schon ziemlich sensationell aus. Alles ist still, ich treffe um die Uhrzeit meist nur ein paar wenige Menschen.
Manchmal einen Bauern, der seinen Hof dort hat, wir grüßen und freuen uns, dass wir uns sehen („Moin, keuchst du schon wieder längs? Schön dich zu sehen.“).
Es ist besser im Hellen zu laufen. Im Winter brauche ich eine Lampe, die ich am Kopf befestige. Das ist ein bisschen anstrengender, weil ich immer nach unten kucken muss, aber der Lohn ist, dass ich bisher nicht einmal in Löchern oder bei Wurzeln umgeknickt bin.
Hingelegt hab ich mich schon ein paar Mal. Man stolpert leicht mal, und wenn ich mich dann nicht fangen kann – pardauz. Meist bleibt es bei Abschürfungen. Sowas passiert.
Was in Oberneuland (genau wie in Hamburg und bestimmt auch anderswo) beim Laufen blöd ist, sind viele (nicht alle) Hundebesitzer.
Eigentlich herrscht in öffentlichen Parks mit Ausnahme von richtigen Hundewiesen ein Leinengebot. Hundebesitzer müssen ihre Tiere halt anleinen.
Das passiert natürlich fast nie, denn: „Mein Hund ist gut erzogen und tut nix“.
Soso.
Trotzdem machen mir Hunde ab Schulterhöhe Knie Angst, wenn ich laufe.
Hunde haben einen Reflex, Leute, die sich auf sie zubewegen bzw. wegrennen (und damit fliehen), als nervig zu betrachten.
Dafür können sie nichts.
Die Halter bestechen aber durch völlig bescheuerte Maßnahmen, wie z. B. ihr Tier zur Ordnung zu rufen. Beziehungsweise zu brüllen.
„HASSO KOMM HER, DA KOMMT EIN JOGGER!“
Hunde hören doch sehr gut? Muss man dann brüllen, damit der Hund das Anliegen des Herrchens mitbekommt?
Wie gut hat sich ein Hundebesitzer mit seinem Tier auseinandergesetzt, wenn er sowas macht?
Und eben das macht mir Angst.
Die Tiere können nichts dafür, aber wenn Frauchen/Herrchen schon nicht schnallt, dass man nicht laut werden muss, was schnallen sie sonst nicht?
Wenn ich so drüber nachdenke, machen mir also weniger die Hunde Angst als die Halter.
Könnte man vielleicht eine Hundeschule für die Besitzer verpflichtend machen?
Auch das ist ein Grund, möglichst früh zu laufen. Diese Leute trifft man meist erst später im Park.
Und im Sommer sind die Temperaturen ein echter Beweggrund. Je heißer es ist, desto anstrengender empfinde ich das Laufen.
Kälte hingegen ist kein Ding. Da empfiehlt sich Zwiebellook, 2 Funktionsshirts und eine Fleecejacke, eine lange und vielleicht noch eine kurze (bis zu den Knien) Hose und los gehts. Auch bei Minus 10 Grad brauche ich keine Handschuhe, der Körper erwärmt sich nach 2 Kilometern.
Vielleicht hilft auch meine Speckschicht?
Adipös (1) bin ich leider immer noch – nur mit Laufen werde ich irgendwie nicht schlank. Aber ich fühle mich deutlich besser.
Und gegen mein Übergewicht helfen mir gute Laufschuhe, die mein Gewicht abfedern können. Damit geht nicht alles so stark auf die Gelenke.
Tja, dies sind so meine Erfahrungen mit dem Laufen in den Jahren.
Ich kann es nur empfehlen. Es kann irgendwann richtig Spaß machen. Falls jemand mit dem Gedanken spielt: nur Mut!
Liebe Bettina, lieber esistok,
Vielen Dank für den schönen Text. Laufen ist wirklich toll. ( kann gerade wegen mangelnder Strecke und gesundheitlich nicht, aber es ist mein großer Wunsch es Ende des Jahres wieder zu starten.) Molly mag es, wenn ich Laufen war, da rieche ich so interessant vor dem Duschen. Und so eine Katzenflauschung nach dem Sport ist toll.
Liebe Grüße Diana
Vielen dank. Ich finde mich tatsächlich wieder in dem text ich walke eher, seit letzten September und auch den winter durch und finde kälter auch schöner. Ich habe – und da bin ich wohl am allermeisten erstaunt, auch richtig freude dran. Ich „sehe“ nach jahren des wohnens dinge, die ich vorher NIE wahrgenommen habe. Toll. Obwohl auch meine runden sich wiederholen. Egal. Es tut mir gut sowohl körperlich als auch geistig. ✌️ Lg petra
Lieber esistok, was für ein schöner und motivierender Bericht über das Laufen! Um die schönen Laufstrecken beneide ich Sie ja ein wenig. Immerhin: ich hatte lange eine Laufstrecke, die über Felder führte. Zur Erdbeerzeit waren frühmorgens überall die Erntehelfer zugange und pflückten Erdbeeren für den Verkauf. Dann lag immer ein intensiver Geruch nach Erdbeeren in der Luft – das war wirklich herrlich und hob die Laune für den ganzen Tag!