Eine Katze für Leo

Wussten Sie, dass „Katze“ auf Rumänisch „pisică“ heißt? Nein? Wir auch nicht bis vor wenigen Tagen, aber wir haben es nachgeschlagen. Also, Leo und ich. Wir wollten ja wissen, mit wem wir es zu tun bekommen. „Miau“ heißt auf Rumänisch übrigens „Miau“, das können wir uns leicht merken und Leo hält das für ein gutes Zeichen und fühlt sich bestärkt in ihrer Hoffnung, für die Kommunikation mit ihrer Katze keine Übersetzungshilfe zu benötigen.

Ja, Leos Katze. Ich bin natürlich bei den Formalitäten behilflich, fülle Selbstauskünfte aus, lasse Vorkontrollen in die Wohnung und überweise Schutzgebühren. Dafür darf ich die pisică auch mal streicheln, sagt Leo. Vorausgesetzt, die pisică möchte gestreichelt werden. Wenn nicht, dann muss ich meine Pfoten bei mir behalten.

Die pisică zu finden, war gar nicht so einfach. So viele Bedingungen knüpft Leo gar nicht an Wesen, Charakter und Eigenarten einer neuen Katze, aber die wenigen Bedingungen sind ihr elementar wichtig. Zum Beispiel muss die neue Katze freundlich sein, vor allem zu Leo (und anderen Katzen), aber auch zu Menschen und Hunden. Dann sollte sie in Alter und Temperament zu Leo und ihrem Lebensstil passen, also eine junggebliebene und agile Seniorin, die es gerne gemütlich hat, aber auch noch mal spielt und tobt. Sie sollte daran gewöhnt sein, in einer Wohnung zu leben, natürlich mit gelegentlichem Austritt auf den Balkon, aber keinen Freigang einfordern. Sie darf Handicaps und Schönheitsfehler haben, aber bitte keine ansteckenden Krankheiten oder solche, für die zweimal täglich genau alle zwölf Stunden Tabletten genommen oder Injektionen verabreicht werden müssen.

Wir hatten ja schon darüber berichtet, dass es in und um Hamburg weder in den Tierheimen noch in privaten Katzenschutz- und Vermittlungsgruppen oder auf Pflegestellen, die ihre Tiere im Internet präsentieren, eine wirklich passende Katze für Leo zu geben schien. Und das, obwohl wir wirklich sehr gründlich gesucht haben. Das war durchaus überraschend und ziemlich frustrierend.

Wir sahen zwei Möglichkeiten: Entweder warten, bis eine passende Katze auftaucht, oder unseren Suchradius erweitern.

Nun hätte ich es, ginge es bei der Suche nach einer neuen Katze vorrangig um mich, kein Problem damit gehabt, ein bisschen zu warten. Schließlich bin ich ja noch in Trauer um Lotti – und ich habe Leo um mich und deswegen nicht die schreckliche Situation, plötzlich allein in einer katzenlosen Wohnung zu sitzen. Ein paar Wochen nur mit Leo zu verbringen, hätte ich nicht wirklich schlimm gefunden.

Aber: Leo. Leo fand und findet es furchtbar schlimm und beunruhigend und schrecklich, wenn sie alleine in einer katzen- und menschenlosen Wohnung sitzen muss. Und das kommt, nachdem mein Urlaub Anfang dieser Woche beendet war, regelmäßig vor. Sechs bis acht Stunden oder länger ohne mich – was vor wenigen Wochen, als Lotti noch bei ihr war, völlig unproblematisch war – fand und findet sie jetzt unerträglich. Und das nicht nur, weil sie irgendwann Hunger bekommt und die Tütchen nicht alleine öffnen kann. Sie langweilt sich alleine zu Hause und vielleicht hat sie sogar Angst. Stress auf jeden Fall, das spüre ich deutlich.

Und so bin ich in dieser Woche an den Büropräsenz-Tagen abends immer so schnell wie möglich nach Hause geeilt, um schon beim Aufschließen der Haustür unten ein lautstarkes, jammerndes Miauen hinter der Wohnungstür oben zu hören. Das hört erst auf, wenn ich oben angekommen bin, die Tür aufgeschlossen habe und die Wohnung betrete. Allerdings nicht für lange: Leo holt dann nur tief Luft, um mich jetzt erst recht zu beschimpfen. Lautstark und energisch und natürlich komplett mitleiderregend. Mehrere Minuten lang, bis sie sich dann kurz mit dem schnell aufgetischten Abendessen beschäftigt, um anschließend gestärkt eine weitere Viertelstunde auf mich einzureden. Sie folgt mir dann den ganzen restlichen Abend überall hin (ja, auch aufs Klo) und es dauert richtig lange, bis sie wieder zur Ruhe kommt und sich entspannt. Dann liegt sie auf mir drauf und lässt mich nicht mehr weg.

Natürlich möchte ich Leo diesem Stress nicht länger als nötig aussetzen und so habe ich als weitere Maßnahme die zweite Option ausgewählt und unseren Suchradius erweitert. Und siehe da: Wir haben eine passende Katze gefunden. Eine pisică. In Rumänien. Dort lebt sie zurzeit in einer Pflegestelle und erholt sich von einem Zusammenstoß mit einem Auto, bei dem sie sich beide Hinterbeine gebrochen hatte. Inzwischen geht es ihr schon wieder recht gut, sie humpelt nur noch ein bisschen.

Ich schwöre, ich hatte niemals vor, Leo eine hinkende Glückskatze vor die Nase zu setzen und zu sagen: Guck mal, das ist Lotti 2. Aber so ähnlich wird es nun wohl kommen. Es handelt sich nämlich bei der pisică auch um eine dreifarbige Katze. Die allerdings in ihrem bisherigen Leben noch nicht unbedingt vom Glück verfolgt wurde. Das soll sich nun schnellstmöglich ändern, sie soll ihr Zuhause, eine neue Freundin und eine neue Menschin finden.

Dafür muss sie in einigen Tagen eine weite Reise machen. Aus dem Nordwesten Rumäniens über Ungarn, die Slovakei, Polen (oder Tschechien) bis nach Norddeutschland. Das sind mindestens 1.800 Kilometer. In einem Transporter voll mit Hunden und Katzen, die hier in Deutschland mit viel Spannung erwartet werden.

Wir wissen noch nicht genau, wann und wo genau wir die pisică dann abholen dürfen. Freitag hat noch eine Ehrenamtliche des vermittelnden Tierschutzvereins eine Vorkontrolle bei mir durchgeführt, später am Abend bekam ich dann die Zusage für die Adoption. Gestern habe ich die Schutzgebühr überwiesen, dafür wird mir Anfang der Woche der Übernahmevertrag zugeschickt. Am Dienstag oder Mittwoch ist dann abschließend geklärt, welche Tiere mitfahren dürfen und wohin, sodass die genaue Route für den Transport festgelegt werden kann. Alle Adoptanten werden dann in eine Whatsapp-Gruppe eingeladen, in der alle wichtigen Infos und Updates gepostet werden. Zum Beispiel, wie weit der Transport in den Norden kommt. Mindestens bis Hannover, so wurde mir versprochen, vielleicht auch noch ein bisschen näher an Bremen oder Hamburg. Und wann er voraussichtlich eintrifft an der Übergabestelle.

Dort fahren wir dann mit einer leeren Transportbox hin und bekommen unsere pisică. Also, der große freundliche Mann und ich. Leo bleibt zu Hause und bereitet schon einmal die Ankunft für ihre neue Kumpeline vor. Die hat ja dann eine weiter Reise hinter sich und braucht wahrscheinlich erstmal Ruhe, sagt Leo. Deswegen überlässt sie ihr großzügig das Schlafzimmer – „die dicke freundliche Frau kann ruhig mal auf dem Sofa pennen!“ – und wird sich auch mit dem Kennenlernen gedulden, bis die pisică dazu bereit ist. Und was Leo sagt, das machen wir natürlich auch. Schließlich ist die pisică Leos Katze.

Lotti schaut von oben zu und ist mit unseren Entscheidungen einverstanden. Das hoffe ich jedenfalls. Die pisică wird eine Nachfolgerin, kein Ersatz, das ist ja klar. Lotti ist und bleibt unersetzlich und sie fehlt uns. Und das wird auch erstmal so bleiben.

 

 

3 Kommentare

  1. Auch wenn Lotti, Olga und Ida und…. fehlen – die noch weit entfernt lebende Katze wird ein so gutes, umsichtiges, liebevolles Zuhause vorfinden und in Leo hoffentlich eine freundschaftlich gesinnte Adoptivschwester. Alles, alles Gute dafür!
    Liebe Grüße an Euch alle.

  2. Wir drücken Daumen und Pfötchen, dass alles reibungslos und bestens klappt!
    Und dass Leo und die Rumänin sich mögen! Toi-toi-toi
    Und dabei warten wir gespannt auf Berichte und Fotos.

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