Leo allein zu Haus.

Lassen Sie es mich so sagen: Das Leben ohne Lotti ist gerade ganz schön traurig. Das finde ich und das findet – wahrscheinlich noch mit etwas mehr Intensität – Frl. Leonie Mau. Immerhin muss sie nun ohne ihre Schwester, mit der sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hat, auskommen. Das macht ihr zu schaffen, das lässt sie mich täglich wissen. Sie teilt mir ihren Unmut verbal mit, durch betrübte Blicke, durch vorher nicht gekannte Anhänglichkeit und vor allem durch eine spürbare Aura von Traurigkeit.

Leo, die freundliche, ausgeglichene Katze, die immer gut drauf ist! Sie ist noch immer freundlich und ausgeglichen, aber sie ist eben auch traurig. Und einsam und redselig. Einen einzigen Tag war ich in dieser Woche nicht mehr oder weniger durchgehend bei ihr, sondern in Bremen bei Mann und Hund. Der Empfang, als ich abends zurück in die Wohnung kam, war laut und ausdrucksstark. Ungehaltene Reden ungehaltener Katzen.

Dabei waren sich Lotti und Leo – scheinbar! – gar nicht so nahe. Kein Vergleich mit Olga und Ida oder Jette und Jehan, die ja wirklich immer paarweise auftraten und so gut wie alles miteinander teilten. Lotti und Leo wirkten weit unabhängiger voneinander… und auch mehr in Konkurrenz miteinander. Selten sah ich sie in engem Körperkontakt und oft hatte ich den Eindruck, sie suchten aktiv etwas Abstand voneinander. So gehörte Leo das Sofa und Lotti das Bett, Besuche der jeweils anderen Katze zum Zwecke des Kuschelns mit mir, der Menschin, mussten angemeldet und genehmigt werden.

Als es Lotti in ihren letzten Tagen zunehmend schlecht ging, konnte ich aber schon eine Veränderung in der Beziehung der beiden Katzen feststellen. Leo wurde aufmerksamer und – so sah es für mich zumindest aus – anteilnehmender. Sie schaute häufiger mal nach Lotti, wenn diese den größten Teil des Tages im Schlafzimmer ruhte, und nahm sie fürsorglich wieder in Empfang, wenn wir von unseren Tierarztbesuchen zurückkamen.

Nach dem letzten Tierarztbesuch, als ich die tote Lotti in der Transportbox nach Hause brachte, schnüffelte Leo zuerst sehr aufgeregt, verlor dann aber schnell das Interesse bzw. hatte keine weiteren Fragen. Auch die „aufgebahrte“ Lotti, die dann noch einige Stunde mit uns auf dem Sofa verbrachte, bevor die Tierbestatter sie am Abend abholten, fand Leo nicht mehr sehr interessant. Sie saß mit einem knappen Meter Abstand in ihrem Wolldeckennest und schaute weitaus seltener auf Lotti als ich.

Leo, das war mir von Anfang an klar und das erklärt sie mir auch täglich aufs Neue, trauert um ihre Schwester. Es muss aber auch merkwürdig sein, sich plötzlich als Einzelkatze wiederzufinden. Ich bin ziemlich sicher, dass sie nicht alleine bleiben möchte, dass sie eine*n neue*n Kumpel*ine braucht.

Also habe ich, obwohl ich ja auch in Trauer bin und noch gar nicht wirklich offen für Neues, schon begonnen, nach einer passenden Zweitkatze Ausschau zu halten. Das ist überraschenderweise gar nicht so einfach. Schließlich ist Leo schon 12 Jahre alt und möchte sicherlich nicht mit einer jungen Katze zusammenleben. Zwar ist sie gesund, munter und fröhlich, aber sie hat doch andere Interessen als den eigenen Schwanz zu jagen oder Klopapierrollen zu zerfetzen.

Einzelne ältere Wohnungskatzen, die keine Einzelkatzen sein möchten, sind gar nicht so leicht zu finden. In Hamburg gibt es zwei Tierheime: Das große städtische Tierheim möchte grundsätzlich alle Katzen in Freigang vermitteln, außer sie sind ansteckend krank (was aus Leos Sicht nicht in Frage kommt) oder sie brauchen zweimal täglich im Zwölfstundenabstand ihre Medikamente (was aus meiner Sicht ein Ausschlusskriterium ist). Das kleinere private Tierheim vermittelt Katzen normalerweise lieber in Wohnungshaltung, hat aber in der höheren Altersklasse momentan nur Pärchen und erklärte Einsiedlerkatzen, die schon bewiesen haben, dass sie nicht vergesellschaftet werden möchten. Und überhaupt: Die meisten Katzen, die in beiden Einrichtungen zur Vermittlung angeboten werden, sind viel zu jung, um zu Leo zu passen.

Im Internet sieht es überraschenderweise nicht viel besser aus. Der Löwenanteil (haha, Wortwitz) der dort annoncierten Katzen ist unter drei Jahren alt, viele sogar noch nicht einmal ein Jahr. Selbst die Tierschutzorganisationen, die Tiere aus dem europäischen Ausland vermitteln, scheinen sich auf diese Altersgruppen zu fokussieren; es sind wenig ältere Tiere dabei.

Die in meiner Erinnerung in der letzten Zeit ständig präsenten Nachrichten, dass zahllose Menschen, die sich während der Pandemie Haustiere angeschafft hatten, diese nun wieder loswerden möchten und die Tierheime deswegen hoffnungslos überfüllt seien, spiegeln sich in dieser Situation erstaunlicherweise so gar nicht wider. Im Gegenteil, es scheint viel Nachfrage nach Katzen, auch nach älteren, zu geben, und die Tierheime vermitteln gut und viel.

Mehr aus Neugier habe ich im Internet nicht nur die bekannten Tiervermittlungsportale und Websites einzelner Tierschutzinitiativen angeschaut, sondern auch die beliebten „kleinanzeigen“, die jetzt nicht mehr „ebay kleinanzeigen“ heißen. Auch da werden viele Katzen angeboten, Rassekatzen ebenso wie Tierschutzkatzen, für viel oder wenig Geld – und meistens mit bemerkenswert wenig relevanten Informationen darüber, mit was für einem Tier man es hier zu tun bekäme.

„Hallo, ich muss mein Kater loswerden wegen einem Umzug bei Interesse bitte schreiben!“

„Habe eine süße Katze abzugeben
Sie ist ca 1 Jahr alt
Ist getiergert
Bilder folge per anfrage“

„3 Jahre alt ist gesund
Nicht Kastriert
Nicht geimpft“

Ja, es gibt auch andere, aussagekräftigere Anzeigen mit „wichtig ist nur, dass er/sie ein gutes neues Heim findet“ oder „Preis ist Schutzgebühr und wird für den Tierschutz gespendet“ und vor allem „bei Interesse schreiben Sie uns doch bitte was über Ihre Lebensumstände“, aber insgesamt finde ich das Niveau auf diesem Portal eher gruselig. Vor allem, weil ein großer Teil der Anbietenden offenbar nicht daran interessiert ist, wirklich ein gutes bzw. das bestmögliche neue Zuhause fürs Tier zu finden. Hauptsache, schnell weg damit und am liebsten noch etwas Geld dafür bekommen. „Was letzter Preis?“

Von den Kleinanzeigen war ich schnell wieder weg. Die anderen Portale und Websites im Internet haben Leo und ich gründlich durchgearbeitet, erste Kontakte sind geknüpft. Möglicherweise kommt unsere neue Zweitkatze aus dem Ausland und muss erst einreisen. Das dauert natürlich ein paar Tage. Aber was hilft es? Leo soll ja auch ein*n passende*n neue*n Kumpel*ine bekommen, mit der/dem sie sich schnell anfreunden kann.

Also brauchen wir noch ein wenig Geduld. Ab Montag muss ich wieder arbeiten und Leo wird tagsüber viel alleine bleiben müssen. Es geht nicht anders und ist versprochenermaßen keine Lösung auf Dauer. Wir haben das besprochen. Leicht wird es vermutlich trotzdem nicht. Lotti fehlt einfach an allen Ecken und Enden.

 

5 Kommentare

  1. Ich drücke die Dauemen, dass sich Leo mit der kommenden Zweitkatze gut versteht. Pino und ich waren einen Monat ohne Majak bis dann Athos gebracht wurde. Aber ich war in der Zeit auch hauptsächlich daheim weil ich längere Zeit krank geschrieben war.

    Alles Gute für euch beide.

  2. Liebe Bettina, liebe Leo, mein herzliches Beileid (ich las erst heute die letzten Einträge), es tut mir sehr leid, dass Ihr Eure Lotti verloren habt.
    Dieser Tierschutzverein (https://www.verantwortung-leben.de/zu-vermittelnde-tiere-2/katzen) ist vermutlich zu weit weg von Euch, Nähe Fulda? Ich habe dort vor Jahren meinen Hund adpotiert und bis seither im Kontakt mit ihnen, sie machen tolle Arbeit… und haben etliche ältere Katzen in der Vermittlung (und können diese auch wirklich super einschätzen). Einfach als Tipp… vielleicht seid Ihr ja auch schon viel weiter.
    Herzliche Grüsse aus der Schweiz, Andrea

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