Corona, kurz erklärt für Außerirdische

Was sagen Sie? Von Corona will niemand mehr was wissen? Und Sie glauben, das hält mich davon ab, mich zu dem Thema zu äußern? Haha (hier dreckiges, aber ersticktes Lachen einfügen).

Stellen wir uns doch mal kurz vor, wir würden die Situation einer Person schildern, die aus Gründen, die hier zu weit führen würden, in den letzten zwei Jahren nicht auf diesem Planeten gelebt hat und auch nicht aus irgendeiner Ferne verfolgte, was hier so los war.

Stellen wir uns kurz vor, wir würden dieser Person kurz erzählen, was Sache ist:

  • Die Sieben-Tage-Inzidenz, also der Anteil der Neuinfektionen im Bezug auf die gesamte Bevölkerung Deutschlands, liegt am 19. März 2022 bei 1735. Jeden Tag in dieser Woche wurden um die 250.000 Neuinfektionen gemeldet. Wie hoch die Anzahl der nicht gemeldeten Neuinfektionen ist, können wir nur mutmaßen: Klein ist sie nicht.
  • Insgesamt wurden seit dem Beginn der Pandemie vor ziemlich genau zwei Jahren 18.548.225 Ansteckungsfälle registriert.
  • Jeden Tag werden dem zuständigen Robert-Koch-Institut, kurz RKI, zwischen 200 und 300 neue Todesfälle (es gibt da interessante Haarspaltereien zu der Frage, ob die Menschen an oder mit Corona verstorben seien, aber die machen eigentlich niemanden schlauer oder gar glücklicher).
  • Die Gesamtzahl der verzeichneten Corona-Toten in Deutschland liegt am 19. März 2022 bei 126.867.
  • Die derzeit dominierende Virusvariante mit dem schönen Namen Omikron unterscheidet sich von ihren Vorgängervarianten vor allem dadurch, dass sie
  1. Sehr viel leichter übertragen wird
  2. Und dass weniger mit ihr Infizierte einen sogenannten schweren Verlauf der Krankheit erleiden als im Vergleich mit ihrem direkten Vorgänger Delta.

  • Ach ja, das mit den schweren Verläufen müssen wir vielleicht auch noch erklären. Corona funktioniert so ein bisschen wie Russisches Roulette: Wer sich infiziert, merkt das entweder an Symptomen oder an einem positiven Test. Nicht jede*r Infizierte bekommt auch Symptome, nicht jede*r Mensch mit Symptomen bekommt auch einen Test. Symptome können verhältnismäßig harmlose Erkältungssymptome sein, die nach wenigen Tagen von alleine wieder abklingen. Wer aber Pech hat, der liegt zwei Wochen mit einer Krankheit, die einer schweren Grippe ähnelt, flach. Das allerdings gilt als milder Verlauf. Selbst wem es im Verlauf der Krankheit so mies geht, dass er sich ins Krankenhaus begibt, um sich dort behandeln zu lassen, hat noch nicht unbedingt einen schweren Verlauf. Der schwere Verlauf beginnt so in etwa da, wo man anfängt, mit dem Schicksal über das Überleben oder bleibende Schäden zu verhandeln. Mit einem schweren Verlauf kommen die meisten Erkrankten auf eine Intensivstation, wo dann medizinisches Personal, das seit nunmehr zwei Jahren nicht viel anderes macht, sehr genau weiß, was es tut, und mittlerweile ziemlich erschöpft sein dürfte, um ihr Leben kämpft. Manchmal wochenlang. Trotzdem sterben von den Patient*innen, die in diese Lage geraten, soweit ich weiß, noch immer ungefähr 50%.
  • Für die, die überleben, egal ob nach einem milden, mittleren oder schweren Verlauf, findet dann eine weitere Runde Russisch Roulette statt: Nun geht es darum, wer das Pech hat, Long Covid (z. B. Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit (Fatigue), Kurzatmigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Schlafstörungen, Muskelschwäche- und -schmerzen, psychische Probleme wie depressive Symptome und Ängstlichkeit, eine Verschlechterung der Lungenfunktion sowie weitere Komplikationen an anderen Organen wie beispielsweise eine Herzmuskelentzündung, Nieren- und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) sowie Thromboembolien (Verstopfung eines Gefäßes durch ein Blutgerinnsel)) zu bekommen. Das lässt sich bisher, vor allem bei den nicht erschwerten Verläufen, bei denen nicht aufgrund sichtbarer Organschäden (vor allem der Lunge) schon klar ist, dass sie noch länger was von der Krankheit haben werden, nicht vorhersagen.
  • Sich vor dem Corona-Virus zu schützen, ist gar nicht so einfach. Inzwischen weiß man aber ganz gut, was hilft. Nämlich: Abstand halten zu anderen Menschen. Und wo das nicht geht: Eine Maske (so eine fast undurchdringliche medizinische, der Standard heißt FFP2) aufsetzen. Das Virus wird nämlich über die Atemwege aufgenommen durch Tröpfchen in der Atemluft und Aerosole (das sind Tröpfchen, die so klein sind, dass wir sie gar nicht mehr als Flüssigkeit wahrnehmen, und die ziemlich weit fliegen können). Weil zumindest zu Beginn der Corona-Pandemie (die es nämlich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit gibt) davon ausgegangen wurde, dass es wichtig und sinnvoll ist, dass sich möglichst wenig Menschen anstecken, gab es auch viele staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ansteckungen. Viele von denen funktionierten ganz gut, brachten aber das öffentliche und auch private Leben auf vielen Ebenen zum Erliegen. Was von Anfang an auch Unmut vor allem in den betroffenen Branchen und Bevölkerungsgruppen erzeugte – im Großen und Ganzen war man sich aber darüber einig, dass die Maßnahmen richtig und notwendig sind.
  • Noch ein Funfact: Es gibt inzwischen Impfungen gegen das Corona-Virus, schon seit gut einem Jahr. Diese sind gegen Omikron zwar nicht ganz so wirksam wie gegen die Vorgängermodelle des Virus, schützen aber doch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit vor schweren Verläufen oder gar vor dem Tod durch Covid19 (so heißt die Krankheit, die das Corona-Virus verursacht, offiziell). Und auch vor der Weitergabe des Virus, falls man sich trotz Impfung anstecken sollte. Vor einem Jahr waren diese Impfungen wahnsinnig gefragt und schwer zu bekommen (die gefährdeteren Risikogruppen und medizinisches Personal zuerst, alle anderen später), heute hat eine gewisse Impfmüdigkeit eingesetzt: Gut 20% der Bevölkerung sind nach wie vor gar nicht geimpft. Weil sie es nicht aus z. B. medizinischen Gründen nicht können (Anzahl überschaubar) oder weil sie es aus für die Mehrheit völlig unverständlichen Gründen nicht wollen (Anzahl leider sehr hoch). Da so eine Doppelimpfung leider nicht ewig wirkt, sondern immer wieder aufgefrischt werden muss und die sogenannte Impfmüdigkeit zunimmt, nimmt die Anzahl der Menschen mit vermutlich noch wirksamem Impfschutz stetig ab. Ich habe nachgeschaut, die Anzahl der Menschen, die auch eine Auffrischungsimpfung, einen Booster, erhalten haben, liegt heute bei 58,1%. Da damit aber die Drittimpfung gemeint ist, die seit September 2021 erhältlich ist, und die Annahme, dass der Impfschutz auch unter Omikron-Verhältnissen volle sechs Monate nach der Drittimpfung uneingeschränkt erhalten ist, Erkenntnissen der Wissenschaft zufolge eher blauäugig ist, nimmt der Anteil an Menschen mit real wirksamem Impfschutz noch viel stärker ab. Die Viertimpfung, die es nämlich seit wenigen Wochen für bestimmte Personengruppen gibt, ist nämlich erstaunlich wenig nachgefragt, selbst in Risikogruppen- und Fachkreisen.

Das waren ganz schön viele beunruhigende Nachrichten, lieber Mensch, der in den letzten zwei Jahren nicht auf diesem Planeten gelebt hat, oder? Ich könnte noch viele mehr ins Spiel bringen, aber ich denke, du hast einen Eindruck.

Und natürlich gibt es auch gute Nachrichten: Lockerungen sind geplant. Der Wegfall staatlicher Maßnahmen. Ein sogenannte Freedom Day. Eigenverantwortung. Ende der Kontaktbeschränkungen. Aber die Wirtschaft! Das Ende der pandemischen Lage und Übergang in eine Endemie. Im Frühjahr, wenn es wärmer wird, sinken die Zahlen sowieso. Den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen. Durchseuchung. Ende der Homeoffice-Pflicht. Ein kleiner Anstieg der Zahlen am Ende der Schulferien hat nichts zu bede… Wie? Die Schulferien sind noch gar nicht zu Ende? Oh. Na ja. Aber bald. Und dann werden die Zahlen wieder ein bisschen ansteigen, nichts Schlimmes. Und Kinder erkranken ja sowieso nicht. Was haben Sie da von 5. oder 6. Welle gesagt? Wer zählt denn noch mit? Das ist doch alles Schnee von gestern. Runter mit der Maske, sonst macht das Einkaufen doch keinen Spaß. Endlich wieder volle Konzerthallen und Fußballstadien. Die Maskenpflicht in der Gastronomie war sowieso immer schon ein Widerspruch in sich, denn wie soll man denn mit Maske etwas verzehren und den Umsatz ankurbeln? Wer unbedingt will, der kann seine Maske ja weiterhin tragen. Ist ja nicht verboten. Abstand halten wir deswegen aber noch lange nicht. Wenn wir uns bisher nicht angesteckt haben, dann ist unser Immunsystem eben zu stark für das Virus. An uns beißt es sich die Zähne aus. Die alten Leute wären ja sowieso gestorben. Wir wollen endlich wieder in Urlaub fahren. Die Zahlen steigen? Und? Jeden Tag sterben mindestens 200 Menschen an ihrem „milden Omikron-Verlauf“? Die hatten bestimmt Vorerkrankungen. Und ein bisschen Schwund ist ja immer. Die Inzidenz ist so hoch wie noch nie? Und? 5., 6., 7. Welle… gehen wir surfen. Wir haben keine Lust mehr auf Corona und erklären die Pandemie hiermit für beendet.

Was fragst du, lieber Mensch, der du in den letzten zwei Jahren nicht auf dem Planeten Erde gelebt hast? Ob wir alle bescheuert sind? Das ist eine sehr gute Frage.

1 Kommentar

  1. die Katzenmaske ist großartig! Und bescheuert und ist noch stark untertrieben.
    Es tut gut zu lesen, dass wir hier nicht die Einzigen sind die das so sehen und versuchen das Risiko einer Ansteckung trotz Impfungen möglichst klein zu halten.

    Viele Grüße von einer treuen Leserin und Fan der Fräuleins

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