Das Runde muss ins Scheckige. (Von Katzen und Pillen.)

Wie schnell doch so ein halbes Jahr vergeht.

Wieder habe ich wenige Tage nach der Blutabnahme bei beiden Katzen, am Freitagabend, eine Tierärztin am Telefon, die mir mitteilt, dass ihr die Befunde gar nicht gefallen. Dass jetzt auch Katze 2 Niere hat. Und Bauchspeicheldrüse. Mit schlechteren Werten als Katze 1 vor einem Jahr. Deren Nierenleistung auch schlechter geworden ist, aber immerhin nur langsam und ein bisschen. Und die Blutzuckerwerte beider Katzen sind auch nach wie vor zu hoch. Außerdem passen die einzelnen Ergebnisse alle nicht so richtig zusammen. In der Tat: Als ich die Befunde etwas später auch schriftlich bekomme, steht da mehrmals als Kommentar vom Labor: Diese Kombination ist ungewöhnlich und wir wissen auch nicht so genau, was dahintersteckt.

„Was am allerwenigsten passt“, sagt die Tierärztin, ist, „dass es den Katzen ja gut geht. Sie haben zwar ein wenig Gewicht verloren, auch Katze 2, aber sie fressen gut, sehen gut aus, sind zugewandt, verspielt und gut gelaunt.“

„Ähm…“, sage ich. „Leider hat Katze 2 wohl bei unserem Termin gehört, dass ich gesagt habe, dass sie frisst wie ein Hausschwein. Seitdem isst sie deutlich schlechter. Und sie kotzt auch oft, allerdings meistens nur Wasser und Schaum.“

Dass Katze 2 jetzt auch, wie Katze 1, sehr viel trinkt, habe ich bei der Untersuchung schon zu Protokoll gegeben. Dass ihre Nieren auch nicht mehr so gut sind, ist also keine Überraschung.

„Vielleicht“, sage ich, „ist das alles auch normal bei 13-jährigen Katzen mit schwerer Kindheit.“

„Kann sein“, sagt meine Tierärztin. „Ich muss mir das Ganze noch einmal überlegen, vielleicht auch mit einem Kollegen besprechen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir Katze 2 Insulin geben sollen oder lieber nicht.“

Insulin. Au weia. Arme Katze 2. Das wäre schwer für sie. Und für mich. Und für mein gesellschaftliches Leben, denn Insulin muss zweimal täglich, in sehr regelmäßigem, streng eingehaltenen Zwölfstundenrhythmus gespritzt werden. Aber natürlich würden wir das versuchen, wenn die Tierärztin es für sinnvoll hielte.

Am Dienstag ruft sie mich wieder an. Nein, kein Insulin, da ist sie sich nach längerer Überlegung, Nachlesen und Besprechen jetzt sicher. Sie ist nämlich zu dem Schluss gekommen, dass die Katzen nicht an Diabetes erkrankt sind. Die Erhöhung des Blutzuckerspiegels hat andere Ursachen, sagt sie.

Was sie noch sagt: „Wir stellen das Futter wieder um. Du gibst ihnen wieder das die Verdauung entlastende Futter, das gut für die Bauchspeicheldrüse und den Darm ist.“

„Och nö!“ jaule ich auf. „Das haben sie schon letztes Jahr kategorisch abgelehnt, jedenfalls das Nassfutter.“

„Dann versuch es mit dem Trockenfutter. Dazu bekommen sie ein Medikament, das eigentlich für den Blutdruck gedacht ist, bei Katzen aber hauptsächlich auf die Niere wirkt.“

„Schmeckt das hoffentlich?“ Ich weiß, dass meine Katzen Medikamente nur im Futter nehmen. Es ist undenkbar, sie in den Schwitzkasten zu nehmen, ihnen eine Pille in den Hals zu werfen und dann die kleine Kehle zu streicheln, bis geschluckt wird. Vor allem Katze 2, sie tobt sofort in totaler Panik los, sobald man nur versucht, sie festzuhalten.

Erstaunlicherweise schmecken die Pillen offenbar nicht eklig, beide Katzen nehmen sie artig in einem Stück Catstick. Puh. Ansonsten lässt sich sagen, dass beide zu wenig essen, natürlich vor allem kein verdauungsfreundliches Schonkostfutter. Ich schmeiße fast mehr weg, als ich auf die Teller gefüllt habe, so kommt es mir vor. Und Katze 2 spuckt mindestens einmal am Tag.

Am Freitagmorgen will Katze 2 kein Frühstück, sie liegt schlafend in ihrem Eigenheim auf der Fensterbank. Sie sieht dabei nicht besonders krank aus, aber ich mache mir langsam wirklich Sorgen. Rufe wieder bei der Tierärztin an. Leider habe ich an diesem Tag tausend Termine und überhaupt keine Zeit, die Katze in die Praxis zu bringen. Darf mir also gegen die Übelkeit einen Säureblocker rausholen, im Galopp statt Mittagessen. Auch bei meiner Stippvisite am Nachmittag will Katze 2 nichts essen. Ich bin beunruhigt, muss aber zurück ins Büro und abends noch „Die Hochzeit des Figaro“ betreuen. Das ist eigentlich meine Lieblingsoper, aber wissen Sie, wie lang dreieinhalb Stunden werden können, wenn Sie vor Ihrem inneren Auge immer eine Katze verhungern sehen?

Kurz vor dreiundzwanzig Uhr bin ich endlich zu Hause und werde von beiden Katzen, sehr hungrigen Katzen, hinter der Tür begrüßt. Puh. Hunger ist gut. Schnell gebe ich den beiden was von dem am Vorabend gekochten Hühnerbrüstchen, gemischt mit etwas normalem Sensitiv-Futter. Die ärztliche verordnete Schonkost traue ich mich schon gar nicht mehr zu zeigen.

Während die Katzen essen (hurra!), teile ich schnell die Tabletten in Hälften und Viertel.

„Na, wer hat Lust auf einen Catstick?“

Katze 1 meldet sich, kommt angewetzt und bekommt Catstick, erst ohne, dann mit Tablette. Kluge Katze, brave Katze.

Katze 2 kommt, schnüffelt, dreht sich um und geht weg.

AAAAARRRRGGGHHHHH!!!!!

„Katze 2, hier ist dein feiner Catstick mit lecker Medis drin. Das mochtest du doch gestern noch richtig gerne.“

Katze 2 überlegt kurz, geht dann zurück in die Küche und an den Futternapf. Ich werfe kurzentschlossen die Catstick-Stücke mit den Pillen an ihr vorbei in den Napf und fange Katze 1 im Flug, die sich an uns vorbeidrängeln will, um alles zu essen, was wie ein Catstick aussieht.

Katze 2 frisst fast den ganzen Napf leer. Nur die beiden Catstickstücke mit den Pillen liegen noch da. Ich sichere sie, kratze die Pillen frei und schnappe mir – es ist jetzt nach dreiundzwanzig Uhr, ich bin fast verhungert und so müde, dass ich einfach umfallen möchte – die Katze, setze sie vor mir auf die Arbeitsplatte und WUSCHZAPPELKRATZHECHTSPRUNGALLESINDECKUNGFLIEGENDEKATZE! Gut, so geht es wohl nicht.

Katze 2 sitzt mit gesträubtem Schwanz in sicherer Entfernung und Katze 1 schlendert vorbei, um zu fragen, ob ich den halben Catstick noch brauche und ob ich glaube, dass die Blutung von alleine wieder aufhören wird.

Gut, denke ich, sie hat gegessen. Das ist das Wichtigste. Morgen kriegt sie erst die Medis und dann Futter, dann wollen wir doch mal sehen, ob sie Catsticks lecker findet. Oder Leberwurst oder was ich morgen schnell noch alles einkaufen werde. Denn eins ist klar: Das Runde muss ins Scheckige. Auch wenn das Scheckige da gar keine Lust drauf hat.

8 Kommentare

  1. wenn sie das mögen: ich hab sehr gute Erfahrungen mit der Leberwurstcreme vom dm gemacht, da isst mein Kater alle 7 Tabletten anstandslos mit. Allerdings ist die von der Konsistenz her so, dass man schon gut drum rum schleckern kann, er tut es nur nicht. Bei ähnlichen Dingen von miamor hingegen schon.

  2. medikament pulverisieren, mit schmelzkäse oder butter oder leberwurst oder malzpaste oder was immer (so wenig wie nötig) zu einem kügelchen formen und der katze in/um das maul schmieren? das geht schnell und ist nicht ganz so traumatisierend. wirkt jedenfalls bei meinen.
    ich wünsche den beiden das allerbeste! (und ihnen auch! vor allem gute nerven!)
    caterina

  3. Hallo liebe Bettina, hallo liebe Katze 1 und Katze 2,

    ich lese bei Twitter wie es euch so geht…ich hatte auch mal 3 Katzen die, neben Schilddrüse und Krebs, an CNI erkrankt waren. Damals hat mir eine Seite im Internet sehr geholfen, ich stelle hier mal den Link ein: http://www.felinecrf.info/
    Ich wünsche euch alles Liebe & Gute!
    Liebe Grüße und Katzenküsschen,
    Jule

    1. Oh, gerade lese ich das ihr nun ohne Katze 2 seid und muss weinen. Es tut mir so leid, das Katze 2 zu krank war und bin mit euch sehr traurig.
      Mitfühlende Grüße,
      Jule

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