Ein Hoch auf alle Katzenfotos im Internet.

Dürfen wir eigentlich Katzenfotos posten, auch wenn im Osten Europas Krieg ausgebrochen ist?

Wenn uns morgens beim Nachrichtenlesen oder -hören schon übel für den ganzen Tag wird und wir eigentlich keine große Lust mehr haben, uns den Rest unserer Laune in den sozialen Netzwerken auch noch vertreiben zu lassen? Wir aber trotzdem dort reingucken („nach dem Rechten sehen“) und miterleben, wie Accounts, die uns bisher nicht gerade politisch interessiert erschienen, ein neues Profilbild, der schwierigen Situation angemessen, vorführen und im Minutentakt Statements anderer Accounts retweeten, die genug Expertise besitzen, um ihr Wissen zur Lage in der Ukraine sogar in 280 Zeichen zur Schau stellen zu können. Andere Accounts, die uns bisher vielleicht noch gar nicht unangenehm aufgefallen sind, behaupten nun nachdrücklich, dies sei jetzt nicht die Zeit für fade Witze. Oder Privates. Oder überhaupt irgendwas, was ihnen gerade nicht relevant erscheint.

Mir stellt sich dann immer die Frage, wann denn überhaupt die Zeit für fade Witze sein könnte. Eigentlich hoffe ich ja, diese grundsätzlich hinter mir gelassen zu haben. Aber das nur am Rande.

Keine Zeit für Privates? Hier möchte ich widersprechen. Nicht nur weil der gute alte Grundsatz „Mein Twitter, meine Regeln“, soweit ich informiert bin, auch im Krisenfall gilt, sondern weil Privates das ist, was mich – trotz allem – noch immer auf Twitter hält. Ich mag die Mischung aus „wichtigen/öffentlichen“ und kleinen/privaten Themen, aus großen und kleinen, aus offiziellen, privaten und anonymisierten Accounts. Ich mag, dass hier Morgengrüße neben Nachrichten, Lesetipps, Streitigkeiten, Solidarisierungen, Häkelfotos, Kontroversen, Berichten vom Morgenspaziergang, Fragen wann endlich Wochenende sei und Fragen nach dem Sinn des Lebens stehen. Sonst könnte ich mich nämlich morgens durch die Tagesschau-App wischen und fertig.

Am meisten aber mag ich Katzenfotos. Katzenfotos erfreuen mich nämlich, sie trösten mich, muntern mich auf, machen mir Mut und bringen mich zum Weinen oder zum Lachen. Oder alles gleichzeitig. Mit einigen der abgelichteten Katzen bin ich schon seit Jahren im Internet verbunden, andere sind noch verhältnismäßig neu in meiner Timeline. Sie sind aber real, sie werden geliebt von den Menschen, mit denen sie zusammenleben, und von den Menschen, die täglich ihre Bilder anschauen und von ihren Abenteuern lesen. Ich vermisse sie, wenn sie sich nicht ab und zu zu Wort melden, ich mache mir Sorgen um sie, wenn ich erfahre, dass es ihnen nicht gut geht, und ich weine um sie, wenn sie dieses Leben und dieses Twitter eines Tages hinter sich lassen.

Katzenfotos im Internet bedeuten für mich nicht, die anderen Sachen, die schlimmen Dinge nicht sehen zu wollen. Ich verschließe meine Augen nicht vor den beunruhigenden und üblen Ereignissen in der Welt, gar nicht. Sie verschaffen mir durchaus unruhige Nächte. Ich habe aber meist nicht allzu viel dazu zu sagen, was nicht andere Menschen, die mehr davon verstehen, besser sagen könnten. Ich muss mich nicht zu jedem Thema äußern, das mich beschäftigt, zumindest nicht öffentlich. Ich muss auch nicht mein Profilbild blau-gelb einfärben, um meine Solidarität auszudrücken. Ich kann vorübergehend meine Klappe halten, weil mir nicht nach Twitter zumute ist. Oder ich kann Fotos meiner Katzen posten, die ich selbst in schlechten Momenten gerne anschaue, und hoffen, dass diese auch meinen Leser*innen Freude machen. Einen kleinen Moment lang.

Eigentlich würde ich mir, wenn ich so drüber nachdenke, am Ende der Tagesschau-App auch ein Katzenfoto wünschen, von mir aus auch anstatt der Wetterkarte, die ich eh nicht brauche, weil ich fürs Wetter ja eine eigene App habe. Stattdessen ein Katzenfoto, das wäre es doch. Das würde mich ganz anders auf den Tag einstimmen.

Solange die Tagesschau-App aber an der Wetterkarte festhält, bin ich da auf mich selbst gestellt. Vielleicht poste ich das Katzenfoto am Morgen auch ein bisschen zur Selbstberuhigung, um mir selbst Mut zu machen und mich selbst zu trösten. Daran ist nichts falsch, sagen die Katzen. Sie stellen sich dafür gerne zur Verfügung – und wenn noch mehr Menschen sich an ihrem Anblick erfreuen: Umso besser!

6 Kommentare

  1. Vielen Dank für den Beitrag!

    Mir machen die Katzenbilder immer einen Moment lang Freude und lenken auf positive Weise kurz ab. Das ist schön.

    1. Diese Fotos brauchen wir sogar. Wenn wir nur negatives lesen und hören Corona, Krieg usw können wir je nach Typ Mensch schnell in ein tiefes Loch fallen. Und da hat niemand was von. Liebe Grüße

  2. Vielen Dank für den Beitrag!

    Ich freue mich immer über Katzenbilder, sie sind eine kurze, schöne Ablenkung und Abwechslung zu den Ereignissen in der Welt.

  3. Danke für den Beitrag, Du sprichst mir aus der Seele! Soviele tolle Fellnasen auf Twitter, mit denen ich mich verbunden fühle, um die ich mich sorge und manchmal auch um sie weine, wenn sie von dieser Welt gehen.

  4. Ich bin nicht bei Fa*ebook, Twitter o. ä., bin sehr geschichts- und politikinteressiert und kann nur sagen: Ich freue mich so sehr über die Katzenfotos hier! Ich freue mich mit, wenn es ihnen und ihren Menschen gut geht und bin traurig, wenn es nicht so ist. Ich finde Tiere können einen bestens lehren im Moment zu sein. Und all das Elend und Grauen einen Moment auszublenden.

  5. Riesige Probleme, Elend, Leid und Krieg gibt es immer zumindest irgendwo auf der Welt. Man dürfte sich also nie an etwas Positivem erfreuen. Es fragt sich dann, wozu man dann überhaupt noch leben sollte.
    Es ist so wichtig auch ein positives Gegengewicht zu haben um nicht zu verzweifeln. Eine ausgezeichnete Gelegenheit dazu sind Katzenbilder. Ein Hoch auf alle Katzen und ihre Halter!

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