Ein Opfer meiner Hormone. Wechseljahrsgebeutelt.

Jahrelang bin ich ganz gut mit der Behauptung „Das größte Problem am Älterwerden ist für mich, dass meine Haare grau werden“ durchs Leben gekommen. Was nicht daran liegt, dass die grauen Haare wirklich das größte Problem wären. Sie sind nur das sichtbarste (inzwischen gehe ich spätestens alle sechs Wochen zum Nachfärben zum Friseur und verbrauche zwischendurch mindestens zwei Do-it-yourself-Kits zum Entgrauen des verräterischen Haaransatzes). Ansonsten: Alles gut. Ich habe ja Optionen und Entscheidungsmöglichkeiten: Ich könnte (noch) häufiger zum Friseur gehen. Oder mit dem Färben aufhören und zu einer grauen Krisselmasse stehen, die in guten Momenten an einen Topfschrubber erinnert. Ich könnte mir eine Perücke mit glänzenden blonden Haaren besorgen und mal ein ganz anderer Typ Frau werden.

Es gibt aber durchaus Begleiterscheinungen des Älterwerdens, wo die Lösungen keineswegs auf der Hand liegen und auch bei der Einbeziehung von Fachkräften wie Müttern, Frauenärzten, Therapeuten und Dorfhexen noch einer langwierigen Versuchsreihe mit sich ständig ändernder Versuchsanordnung gleichen. Und manchmal, das lässt sich nicht schönreden, gibt es auch keine Lösung. Da muss man sich an sich verändernde Umstände anpassen und versuchen, das Beste daraus zu machen sie eben aushalten.

Ich bin eine Frau und 52 Jahre alt. Das Älterwerden hat bei mir im Moment also vor allem mit Hormonen zu tun und lässt sich im Großen und Ganzen unter dem Stichwort „Wechseljahre“ einsortieren. Die ja, schon weil sie angeblich von Frau zu Frau völlig unterschiedlich verlaufen, eine sehr individuelle und private Angelegenheit zu sein scheinen. Die man als starke, selbstbewusste und selbstbestimmte Frau von heute, die keine Angst vor Neuem hat, am besten ohne allzu viel Aufhebens hinter sich bringt… als handele es sich beim wechseljahresgeschüttelten Frauenkörper um eine Art schlafenden Hund, den man einfach weiterschlafen lassen sollte.

Diese Art Körper besaß ich nie. Schon mit zwölf, als sich das sogenannte gebärfähige Alter ankündigte und ich plötzlich unregelmäßige, heftige und schmerzhafte Blutungen bekam, kam es mir oft vor, als lebe in mir ein während der Schwangerschaft vermutlich versehentlich halbverdauter Zwilling von mir, dessen Überbleibsel sich jetzt – aus gutem Grunde – wütend und mit aller Macht zu Wort meldeten. Im Allgemeinen hatte ich acht Tage lang meine Tage, vorher einige Tage PMS und dann ein paar Tage Nachwehen, in denen ich mich darauf vorbereitete, dass jederzeit die nächste Runde beginnen könnte. Mein Zyklus war fast immer kürzer als 28 Tage.

Richtig lustig wurde es, als ich mit Mitte 30 (ja, ich weiß, das war ein bisschen spät) zum ersten Mal Sex mit Fremdbeteiligung (also eines Mannes, in den ich sehr verliebt war) hatte, der auch die Bezeichnung Sex verdiente, weil ich dabei tatsächlich etwas spürte. Dieser Mann war extrem kompromisslos, was sein Zeitmanagement anging: Er konnte, wenn er konnte. Wenn ich zum angebotenen Zeitpunkt gerade nicht konnte oder wollte, gab es keinen Ersatztermin bis mindestens zum nächsten Wochenende. Ich stellte mich also darauf ein, zu wollen und zu können und keine Gelegenheit auszulassen. Schließlich hatte ich (siehe oben) mit Mitte 30 auch ein paar Orgasmen nachzuholen. Und mein Körper so: „Du willst hemmungslosen Sex? Haha! Wollen wir doch mal sehen, wie hemmungslos du wirklich bist. Und wie versaut. Hier: Eine Zwischenblutung! Na, immer noch scharf? Und der Typ?“

Ich bemerkte relativ schnell, dass ein Tamponbändchen zwischen den Zähnen meines Freundes nicht zu den Dingen gehörten, die mich scharf machen. Nach kurzer Überlegung und Beratung mit den üblichen Fachkräften ließ ich mir eine Hormonspirale einsetzen, die mit einer sehr geringen und lokal begrenzten Abgabe des Hormons Gestagen Schwangerschaften verhütet und gleichzeitig bei vielen Frauen für eine Regulierung des Zyklusses sorgt und in manchen Fällen sogar die Monatsblutung komplett verhindert. Ich war ein solcher Fall, hurra, und herrliche Zeiten begannen. Mein Körper und ich arbeiteten endlich mal Hand in Hand und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Bis dann, so ungefähr mit 48, die ersten Anzeichen der Wechseljahre sichtbar wurden und wieder alles anders wurde.

Die Symptome stellten sich nach und nach ein, waren aber bald so unangenehm, dass ich mich – mal wieder – davon in meiner Lebensqualität massiv eingeschränkt fühlte: Jeden Abend, wenn ich mich hinlegte, fing mein Herz an zu klopfen wie verrückt, mein Blutdruck stieg an und mein Puls flatterte, als hätte ich die Schmetterlinge nicht im Bauch, sondern in der Blutbahn. Abgesehen davon, das sich das äußerst unangenehm anfühlte, machte mein Körper mir damit so viel Angst, dass an Schlaf oft stunden- oder sogar nächtelang nicht mehr zu denken war. Wegen dieser Symptome, die trotz aller ausprobierten Hausmittel und Bewegungsprogramme immer schlimmer wurden, bekam ich schließlich Östrogene in Form eines Gels verschrieben (Gestagene gab ja noch immer die gute alte Hormonspirale ab). Niedrigstmögliche Dosierung. Trotzdem hatte ich natürlich Bedenken wegen möglicher Risiken und Nebenwirkungen. Aber das Zeug half, mein Kreislauf hörte auf zu spinnen. Also blieb ich dabei und siehe da, die wirklich fiesen Symptome, die mein Leben stark belastet hatten, blieben weg.

Was von dem Hormonzeug nicht besser wurde, waren vor allem die Austrocknung aller Häute und Schleimhäute sowie die zeitweilig völlig abhanden gekommene Libido. Ach ja, und eine bisher nicht gekannte und auch nicht wirklich unterhaltsame Tendenz meiner Blase, von jetzt auf gleich zu MÜSSEN. Ohne Kompromissbereitschaft. Aber das sind ja alles Dinge, mit denen mal viel herumexperimentieren und ausprobieren kann. Also, vor allem mit diversen Feuchtigkeitscremes. Wissen Sie, es sind ja nicht die Krähenfüße rund um die Augen, die mir Sorgen machen. Kennen Sie diese wirklich hässlichen schuppigen Falten, die sich über dem Schlüsselbein zeigen, wenn man den Hals unvorsichtig in die falsche Richtung schiebt? Die sind echt erschreckend! Was auch erschreckend ist, wenn man sich plötzlich wieder an Sex und wie das so ist erinnert – und gleichzeitig realisiert, dass man vorher gerade tagelang nicht an Sex gedacht hat (*googelt Libido*)!

Was die Wechseljahre deutlich erschwert, meiner Meinung nach zumindest, sind gleichaltrige oder ältere Frauen, die einem versichern, man solle nur aufhören, sich mit dem Thema zu beschäftigen, dann würden die eingebildeten Symptome auch von alleine verschwinden. Liebe Frauen, für die das alles kein Problem ist und war: Ich freue mich für euch. Seid dankbar! Aber lasst mich und die anderen Frauen, die sich mit Blutungen, PMS, ausbleibenden Blutungen, Schmerzen, trockenen Schleimhäuten, Blähungen, Schwindelgefühlen, Hitzewallungen und anderen Erscheinungen herumschlagen, in Ruhe. Die wenigsten von uns haben es nötig, zu simulieren oder irgendwas unnötig zu dramatisieren. Wir sind Opfer unserer Hormone und das ist nicht lustig. Wenn wir uns für irgendwelche Hormonersatztherapien entscheiden, deren Nebenwirkungslisten länger sind als alle Tamponfäden dieser Welt aneinandergeknotet, dann vermutlich, weil wir ohne diese Medikamente starken Beeinträchtigungen ausgesetzt sind.

Was einen die Wechseljahre vor allem, meiner Meinung nach zumindest, dann doch durchstehen lässt, ist das Versprechen, dass sie irgendwann vorbei sind und dass diese ganzen bekloppten Symptome sich wieder verpieseln – ich hoffe gerade, da möglichweise so langsam hinzukommen. Was dann, mit dem Eintritt in die Postmenopause, allerdings noch nicht vorbei ist, sondern möglicherweise gerade erst so richtig anfängt, ist das eigentliche Älterwerden. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

5 Kommentare

  1. Moin 🙂
    so oft hab ich dich hier schon besucht und nu muss ich doch auch mal einen Kommentar
    hier lassen.

    Ich fühle mit dir, diese Alterspubertät (so nenn ich das) 😀 die nervt wirklich ganz schön mitunter.
    Auch wenns nur Kleinigkeiten sind die sich da zur Zeit ändern, sie nerven! Kann man echt nur hoffen das sich die Veränderungen schnell durchziehen und man dann endlich das Älter werden genießen kann.
    Was die weißen Haare betrifft die trage ich öffentlich zur Schau, nachdem ich heftigste allergische
    Reaktionen auf meine Haartönung bekommen habe. Der Übergang sah zwar Scheiße aus, aber noch blöder hätte es ausgesehen, wenn ich mich ständig kratzend und blutend durch die Gegend bewegt hätte 😀 nö die weißen sind. nu völlig ok und ich mag sie \o/

    Ich wünsche dir einen schönen Sonntag
    liebe Grüße
    Aurelia

    1. Vielen Dank, Aurelia. Alterspubertät ist in der Tat ein schönes Wort und sehr treffend. Und das, wenn man gerade denkt, man wäre jetzt endlich gereift und bereit, das Leben in vollen Zügen zu genießen.
      Toll, dass du zu deinen weißen Haaren stehen kannst! Dazu bin ich noch nicht bereit. Nein, nein, wirklich nicht!

  2. „Alterspubertät“ ist schön gesagt. Es passiert meinem Empfinden nach wirklich eine ganze Menge mit der Psyche. (Körperliche Beschwerden habe ich so gut wie keine, aber ich kann mich erinnern, dass meine Mutter sehr unter den Wechseljahren gelitten hat.)

    1. Hm, stimmt die Psyche habe ich ein bisschen außen vor gelassen. Hat vielleicht damit zu tun, dass ich psychisch sehr viel besser mit Veränderungen und Entwicklungen umgehen kann als physisch.
      Meine Mutter ist körperlich ein völlig anderer Typ als ich, insofern hat es mich nicht überrascht, dass meine Wechseljahre ganz anders verlaufen als bei ihr damals.

  3. Ja, ja, die Wechseljahre… taugen kein Schuß Pulver. Das Thema Haare, tja, ich lasse auch alle 3 Monate intensiv tönen. Und da ich ja die Haare habe wachsen lassen (seit nun 2 Jahren), bleibt mir da auch nichts anderes übrig. Oder ich müsste sie dann grau oder weiß färben lassen. Mach ich aber nicht 😉 Das hat noch einen Moment Zeit. Alle anderen körperlichen Auswirkungen hielten sich mehr oder weniger im Rahmen. Da hatte ich Glück. Und ich bin im Prinzip bereits durch mit der Chose 🙂 Und das mit 56! Ich drück dir die Daumen, dass du es auch bald geschafft hast 🙂

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