Einsen schreiben und warum das eigentlich völlig egal ist.

Ich habe eine Eins geschrieben. Schon wieder. Die achte Eins in Folge. Wer mich nicht kennt, könnte mich glatt für eine Streberin halten. Dabei ist die traurige Wahrheit: So viele Einsen hatte ich in meiner knapp vierzig Millionen Jahre zurückliegenden regulären Schulzeit nicht. Nicht mal annähernd. Und schon gar nicht in Folge.

Es dreht sich hier natürlich um mein Fernstudium im Studiengang „Vorbereitung auf die amtsärztliche Prüfung nach dem Heilpraktikergesetz zum Heilpraktiker für Psychotherapie“. Nein, das kann ich mir natürlich auch nicht merken, sondern muss den genauen Namen des Studiums immer wieder nachschauen. Es ist aber durchaus wichtig, sich anhand des unhandlichen Namens immer wieder zu vergegenwärtigen, dass dieses Studium bzw. der erfolgreiche Abschluss desselben (ich könnte, wenn es gut läuft, auf 14 Einsen in Folge kommen) mich als Studierende nicht automatisch zur Heilpraktikerin für Psychotherapie macht, sondern nur auf eine amtsärztliche Prüfung vorbereitet. Nur die Behörde kann mir nämlich den Titel „Heilpraktikerin für Psychotherapie“ verleihen.

Von meinem Fernlerninstitut bekomme ich, wenn ich brav alle Studienhefte durchgearbeitet und die dazugehörigen Einsendeaufgaben eingereicht und „bestanden“ habe, zwar auch ein Zertifikat, aber das macht mich nicht zur „Kleinen Heilpraktikerin“, wie die/der HP Psych auch genannt wird. Mit dem Zertifikat könnte ich mich aber immerhin „Psychologische Beraterin“ oder „Psychologischer Coach“ nennen. Was für mich nicht sehr relevant ist, denn ich möchte ja weder Psychotherapeutin noch Personal Coach/Psychologische Beraterin (noch Heilpraktikerin, übrigens) werden, sondern Trauerbegleiterin. Die Qualifikation, die ich für diese Arbeit benötige, erwerbe ich nicht in diesem Fernstudium, sondern in einer anderen Weiterbildung bei einem anderen Anbieter und natürlich praktisch in „meinem Hospiz“, z. B. durch die Einführung in die Mitarbeit an den dort stattfindenden Trauergruppen.

Und wozu dann die amtsärztliche Prüfung für den Titel „Heilpraktikerin für Psychotherapie“?

Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass ich als Psychologische Beraterin, die ich nicht werden möchte, aber auch als Trauerberaterin, die ich unbedingt werden möchte, ohne weitere Qualifikation nur psychisch gesunde Menschen beraten (nicht behandeln) darf. Diese psychisch gesunden Menschen können in einer Krise sein, zum Beispiel nach einem Todesfall, diese Krise darf aber was Symptomatik und vor allem Dauer angeht, nicht die Merkmale einer offiziell diagnostizierbaren psychischen Störung annehmen.

Die Behandlung von diagnostizierbaren psychischen Störungen ist in Deutschland psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeut*innen (also Menschen mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium) oder – mit zahlreichen und auch sehr sinnvollen Einschränkungen – Heilpraktiker*innen für Psychotherapie (nach einer amtsärztlichen Überprüfung) vorbehalten. Psychotherapie gilt nämlich als Krankenbehandlung.

Für Beratungen, Coachings und Begleitungen brauche ich diese Qualifikationen nicht, ich darf sie aber ausschließlich psychisch gesunden Menschen anbieten.

So einfach ist das in der Theorie. In der Praxis sind die Grenzen natürlich, wie fast immer, fließend. Der Unterschied zum Beispiel zwischen der Bezeichnung „heftige Trauerreaktion“ und der Diagnose „Anpassungsstörung nach einem belastenden Ereignis“ definiert sich manchmal gar nicht über die Art und Intensität der Krise, sondern „nur“ über den Zeitfaktor.

Außerdem geraten natürlich auch Menschen mit bereits bestehenden psychischen Störungen, z. B. Depressionen, in akute Krisen, ausgelöst durch einen Todesfall zum Beispiel. Hier ist es dann meist schwierig, die akute Krise, also die Trauerreaktion, isoliert zu betrachten. Also müsste ich als gute Beraterin, die ihre Grenzen kennt und achtet, diese*n Klient*in vielleicht schon prophylaktisch an eine besser qualifizierte Kollegin weiterverweisen, die dann behandelt und therapiert.

Eine Heilpraktikerin für Psychotherapie darf übrigens nicht viel mehr als eine psychologische Beraterin oder Trauerberaterin, aber doch ein bisschen. Ein ganz wesentlicher Teil der amtsärztlichen Überprüfung zielt nämlich darauf ab, die eigenen fachlichen Grenzen zu kennen, keinen Schaden anzurichten und gegebenenfalls medizinisches, psychiatrisches oder (studiertes) psychotherapeutisches Fachpersonal hinzuziehen bzw. Klient*innen direkt dorthin zu schicken.

Es ist wirklich ein bisschen verrückt: Ich erwerbe gerade einen großen Haufen Fachkenntnis, denn ich dann später auf gar keinen Fall anwenden darf. Mindestens die Hälfte der in meinem Fernstudium thematisierten Erkrankungen und Störungen darf ich als Heilpraktikerin für Psychotherapie nämlich nicht behandeln. Ich darf bzw. muss sie nur erkennen und wissen, wer dafür zuständig ist. Nach allem, was ich so höre, gibt es in der behördlichen Überprüfung auch mindestens eine Situation, in der ich genau das laut und deutlich kundtun muss. „Das ist ein medizinischer Notfall, da darf ich gar nichts außer einen Notarzt rufen. Das ist was aus der Gruppe der schizophrenen Erkrankungen, dafür bin ich auch nicht qualifiziert. Das hier ist eine affektive Erkrankung, z. B. eine Depression, da darf ich ganz vielleicht in Absprache mit Arzt und/oder Psychiater, aber natürlich übernimmt die Krankenkasse die Kosten nicht.“

Wenn ich das nicht laut und deutlich sagen kann, dann bin ich durchgefallen. Punkt.

Ich bin schon sehr gespannt auf diese Prüfung, die ich wohl im nächsten Jahr ablegen werde. Hoffentlich erfolgreich – meine ganzen Einsen für meine Fernstudiums-Einsendeaufgaben interessieren in der prüfenden Behörde nämlich leider niemanden. Und vor allem für den mündlichen Teil der Prüfung, so munkelt man in den einschlägigen Lerngruppen, muss man entsetzlich viel Stoff pauken und dann abrufbar im Kopf mit sich herumtragen. Mal sehen, ob mein alter Kopf das noch kann. Nebenbei muss er ja auch noch die Dinge lernen, die ich für die Tätigkeit als Trauerbegleiterin/Trauerberaterin wirklich brauche. Die „Heilpraktikerin für Psychotherapie“ wird dann eine zusätzliche Qualifikation sein, aber in meinem Fall keine Berufsbezeichnung.

1 Kommentar

  1. liebe Bettina,
    ganz herzlichen Glückwunsch zu den sehr guten Noten. das sind doch tolle Erfolgserlebnisse, auf die sie mit Recht stolz sein können. Sowas macht doch Mut und gibt Selbstvertrauen. Ich freue mich für sie.

    Liebe Grüße auch an die beiden süßen (brandgefährlichen) Mitbewohnerinnen:)
    Gitte

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