Guten Morgen, ich möchte Ihr Frühstücksbuffet retten!

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe irgendwie immer weniger Lust zu kochen. Dabei esse ich mindestens genauso gerne wie früher – und wählerischer bzw. anspruchsvoller als früher bin ich, was mein Essen angeht, auch. Und trotzdem stehe ich nicht mehr gerne lange in der Küche. Das hat vielleicht damit zu tun, dass meine Küche klein und unfassbar unpraktisch ist. Und damit dass ich eine totale Lusche bin, was koordiniertes Einkaufen angeht – egal wie oft und wie viel ich einkaufe, ich habe nie ALLE Zutaten für ein bestimmtes Gericht da. Und natürlich auch damit, dass immer, sobald ich die Küche betrete, zwei hungrige Katzen schreiend vor und/oder auf meinen Füßen sitzen.

Auswärts essen ist eigentlich eine gute Idee, finde ich. Andererseits ist das ja in den allermeisten Fällen damit verbunden, mit anderen Menschen zu kommunizieren oder andere Menschen zumindest in der Nähe zu dulden. Außerdem ist es natürlich meistens vergleichsweise teuer.

In einer Großstadt wie Hamburg kann man natürlich auch alle Arten von Essen bestellen; Lieferando bietet mir immer ungefähr 180 Restaurants an, was schon eine gewisse Auswahl darstellt, auch wenn ich davon nur etwa 10 Restaurants tatsächlich nutze. Manche sind zu weit entfernt, manche sind nicht vegetariertauglich und manche sind einfach nicht gut. Auch eignet sich ja nicht jedes Essen dazu, zwischen Zubereitung und Verzehr rund zwanzig Minuten auf dem Fahrrad unterwegs zu sein. Außerdem ist das Essen im Allgemeinen beim Bestellen nicht günstiger als im Restaurant.

Ich bin also offen für neue Impulse. Sofern diese nicht darin bestehen, dass ich in der Küche stehen und kochen muss. Gleichzeitig finde ich ja alle möglichen Ansätze, Essen nicht wegzuschmeißen, wenn es nicht unbedingt sein muss, interessant. So kam es, dass ich zu Beginn meines Urlaubs auf die App „Too good to go“ aufmerksam wurde. Mit dieser App können Smartphonebesitzer „Essen retten“, will sagen zu einem mindestens um die Hälfte reduzierten Preis kaufen.

Es geht hier ganz überwiegend um fertig zubereitetes Essen, das am selben Tag verzehrt werden sollte, also Anbieter aus der Gastronomie sowie Bäckereien, Supermärkte und Verkaufsstände mit Vor-Ort-Verzehr, die ihre Reste, statt sie auf den Müll zu werfen, zum Ende ihrer Verkaufszeit zum verringerten Preis anbieten. Oft auch in überschaubaren Mengen bzw. wenigen Portionen. Mit diesem Konzept dürfte es relativ wenig Überschneidungen zu den Tafeln geben, die normalerweise keine fertig zubereiteten Speisen oder Waren mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum annehmen. – In der Liste der Hamburger Anbieter der TGTG-App findet sich übrigens auch die „Hamburger Tafel“ mit der Möglichkeit, einen kleinen Geldbetrag zu spenden. Was ich einen charmanten Einfall finde – so kann ich, wenn ich möchte, ein bisschen von dem mit der App gesparten Geld einem guten Zweck zuführen.

In der App kann man sich entweder eine Liste von Anbietern (sinnvollerweise nach der Entfernung zum Standort sortiert) anzeigen lassen oder verschiedene Rubriken wie „Frühstück“, „Abendessen“, „Vegetarisch“, „Verkaufszeit jetzt“ und „In deiner Nähe“. Außerdem kann man seine Favoriten kennzeichnen und damit eine eigene Rubrik eröffnen.

Ein Profil anzulegen, geht schnell. Wenn man, wie ich, die Zahlungsmethode Paypal wählt, will die App nicht wirklich viel von einem wissen. Auch sonst ist sie einfach und auf Anhieb zu bedienen. Es wird einem gesagt, was wann wo zu haben ist, was es kostet und was es sonst mindestens gekostet hätte. Manche Anbieter schildern etwas genauer, was – möglicherweise – zum Retten zur Verfügung steht als andere. Manche geben an, ob man sich selbst etwas aussuchen darf oder nicht, andere tun das nicht. Einige Anbieter weisen auch ausdrücklich darauf hin, dass man seine eigenen Verpackungen mitbringen darf/soll – für Unvorbereitete gibt es aber auch spezielle TGTO-Außer-Haus-Verpackungen aus umweltverträglichem Zuckerrohr. Manche Abholzeiten dauern nur 15 Minuten (und liegen am späten Abend), andere einen halben Tag. Man zahlt dann in der App und muss dann den dort erstellten Kaufbeleg beim Abholen per Swipe entwerten bzw. entwerten lassen.

Ich fand es richtig spannend, mich durch die in meiner Umgebung vorhandenen Möglichkeiten zu lesen. Wobei viele davon für mich dann doch nicht in Frage kommen, weil es keine Möglichkeit gibt zu wissen, ob sich in meiner Tüte zum Schluss ein vegetarisches Gericht findet. Und ich will ja nicht ein nicht-vegetarisches Essen „retten“, um es dann doch nicht zu essen. Die Rubrik „vegetarisch“ ist selbst in Hamburgs Innenstadt noch nicht so richtig gut erschlossen, leider. Dabei müsste der Anbieter einfach nur ein zweites virtuelles Restaurant erstellen, das ausschließlich vegetarisches Essen anbietet – manche haben das schon gemacht, aber längst noch nicht alle.

Ich beobachtete das Geschehen in der App im Urlaub ein paar Tage lang, bevor ich mich schließlich traute, selbst eine Portion Essen zu retten. Meine Wahl fiel auf einen netten individuellen Coffeeshop, in dem ich schon einige Male war, wo man mich aber nicht kennt. Für € 2,80 erwarb ich meine noch nicht näher bekannte Portion, die abends ab 19 Uhr für mich bereitstehen sollte. Ich war durchaus aufgeregt, als ich kurz vor sieben den Laden betrat, aber der junge Mann hinter dem Tresen fand nichts Ungewöhnliches an meinem Begehren, Essen zu retten. Er zeigte mir den Bereich im Kühltresen, in dem das zu rettende Essen untergebracht war, und ich durfte mir drei Teile aussuchen. Leider war nichts Süßes dabei – soll man Törtchen wirklich nachts in den Kühlschrank stellen und am nächsten Tag wieder in den Verkauf geben? – aber ich konnte mir zwei große vegetarisch belegte Brötchen und ein wirklich gutes Croissant sichern. Alles schmeckte äußerst köstlich.

Als nächstes benutzte ich die App für einen Salatladen in meiner direkten Nachbarschaft, den ich normalerweise immer nur geschlossen sehe, weil er nur über Mittag und nur an Wochentagen geöffnet hat. Hier gibt es sehr gute, frische und teure Salate. Mit Hilfe der App erwarb ich hier einen Salat für € 4,50, der zwischen 14.30 und 15.00 Uhr abgeholt werden durfte. Um 14.29 Uhr verließ ich mit meiner hübschen roten Kunststoff-Schüssel meine Wohnung und durfte mir um 14.30 Uhr eine Riesenportion frischen Salat („ich nehme alles, was vegetarisch ist“) aussuchen. Köstlich, gar köstlich.

Mein dritter Versuch führte mich in die Hamburger Innenstadt, in ein etwas versteckt liegendes Restaurant in der ersten Etage einer vornehmen Einkaufspassage. Meine Portion war bereits vorbereitet, als ich kam, und kostete nur € 2,70 – trotzdem war ich ein bisschen enttäuscht, dass es „nur“ zwei Croissants und ein Franzbrötchen gab… an dem Abend hätte ich gerne belegte Brötchen gehabt. Immerhin gab es als Zugabe noch ein sehr leckeres Ingwer-Zitronen-Cola-Erfrischungsgetränk, bei dem gerade das MHD abgelaufen war. Alles in allem also völlig okay.

Was ich noch nicht probiert habe, sind Supermärkte und große Bäckereien, wo man sich zum Ende der Geschäftszeit offenbar manchmal ganze Einkaufstaschen voll mit Fressalien abholen kann. Für wenig Geld. Einerseits, weil ich krüsch mit abgelaufenem Essen bin. Andererseits, weil ich kein nicht-vegetarisches Essen möchte. Und drittens, weil ich keine Möglichkeit zum Einfrieren von zu großen Portionen habe.

Probiert und für gut befunden habe ich aber noch das Retten von Frühstücksbuffets in großen Hamburger Hotels. Davon gibt es auch viele in meiner direkten Umgebung, das nächstgelegene ist nur etwa 150 Meter von meiner Wohnung entfernt. Am Wochenende kann man dort für € 3,50 zwischen 10.45 und 11.00 Uhr eine Außer-Haus-Verpackung am Buffet selbst befüllen, in der Woche eine Stunde früher. Die Auswahl ist sehr anständig und zumindest das getestete Rührei, das gegrillte Gemüse und der Käse auch erfreulicher Qualität. Ich habe mir vorgenommen, dieses Angebot häufiger zu nutzen, vor allem dann, wenn ich am Samstag alleine zu Hause frühstücke und am Sonntag zu meinem Freund nach Bremen fahre. Dann brauche ich nämlich eigentlich keine riesigen Käsestücke vom Wochenmarkt, denn in der Woche frühstücke ich ja nicht zu Hause.

Mein vorläufiges Fazit: Die App funktioniert und macht sogar Spaß. Ich habe bisher alles restlos gegessen, was ich gerettet habe, und es hat auch alles geschmeckt. Das Abholen war nie ungemütlich oder gar peinlich. Ich würde mir noch mehr ausdrücklich vegetarische Angebote wünschen, aber das wird ja hoffentlich noch werden. In Hamburg – mir ist klar, dass das (noch) nicht überall so ist – gibt es ein wirklich reichhaltiges Angebot. Too good to go wird mir das Rumstehen in der Küche auf Dauer nicht ganz ersparen und auch Lieferando wird mich weiterhin besuchen, aber ich finde das Konzept sinnvoll und bin freue mich darauf, weitere Lebensmittel zu retten. Indem ich sie esse.

Was ich unbedingt ausprobieren möchte, aber die ganzen sechs Urlaubswochen über nicht geschafft habe, ist das Feierabendpaket des bekannten Donut-Ladens am Hamburger Hauptbahnhof. Dieses kostet € 4,50 und enthält – hoffentlich! – so ziemlich alles an klebriger Süßigkeit, was mein perverses Naschkatzenherz sich so wünschen kann. Leider ist es erst ab 22.30 Uhr erhältlich, was bisher auch an den Tagen, an denen ich abends aus Bremen zurückkam, immer entweder zu früh oder zu spät war. Aber irgendwann schaffe ich das und weil es ja nicht um sinnlose Völlerei geht, sondern um das Retten von köstlichen Lebensmitteln, wird auch keiner was dagegen sagen können. Hoffe ich wenigstens.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.