Hefte raus, Aufsatz: Mein schönstes Ferienerlebnis

Mussten Sie früher auch immer zu Beginn des neuen Schuljahres einen Aufsatz „Mein schönstes Ferienerlebnis“ schreiben? Ich eigentlich nicht. Dabei hätte ich doch viel lieber über lange Ausritte am Strand und das Einbrechen ins Freibad in der Nacht geschrieben als eine Erörterung des Ehrbegriffs der Katharina Blum oder des Karl Moor. Aber ich ging ja in Schleswig-Holstein aufs Gymnasium und da fand man, dass Ferien ohnehin Zeitverschwendung sind und dass auf gar keinen Fall hinterher noch darüber gesprochen oder geschrieben werden darf. Tja.

Heute kann mich niemand mehr davon abhalten, über mein schönstes Ferienerlebnis zu berichten. Außer vielleicht Anstand, der Rest meines Sinns für Wahrheit und die Angst, mich eines Tages mit Betonschuhen in der Elbe wiederzufinden. Oder im Spiegel.

Mein Problem heutzutage besteht eher darin, mich zu entscheiden, was denn nun mein schönstes Ferienerlebnis war. Was auch nicht unbedingt daran liegt, dass ich einen Sommer voller Höhepunkte hinter mir habe.

Mit Sicherheit weiß ich, dass die drei Tage (nicht hintereinander), die ich mit meiner Mutter verbracht habe, nicht vorne auf der Hitliste stehen. Weder der Besuch beim Augenarzt (der erst beim zweiten Versuch stattfinden konnte, weil der Aufzug der in der dritten Etage gelegenen Praxis mal wieder kaputt war), noch der achtzigste Geburtstag meiner Tante oder der Geburtstag meiner Mutter selbst qualifizieren sich als Höhepunkte. Eher die drei Tage (hintereinander), an denen meine Mutter es – aus technischen Gründen – nicht schaffte, bei mir anzurufen und sich über irgendwelche Missstände zu beschweren. Aber auch darüber kann ich nicht viel schreiben, denn sonst: Betonschuhe. Oder Beschwerden aus dem engeren Familienkreis.

Insgesamt führte ich diesen Sommer ein eher zurückgezogenes Leben und verbrachte viel Zeit mit Katze 1 und Katze 2 auf dem Sofa, lesend und essend. Was auch sehr schön war. Außerdem konnte ich mich bei den Menschenmengen draußen nicht wirklich dafür begeistern, unterwegs zu sein. Es waren unglaublich viele Menschen in der Stadt; ich würde schätzen, dass auf jeden verreisten Hamburger zwei angereiste Touristen kommen. Aus dem Alter, in dem ich das in irgendeiner Weise reizvoll fand, bin ich definitiv raus. Ich hasse volle Straßen, Busse, Fähren und Bahnen. Und selbst auf meinem Balkon kommt zu viel Außenwelt an, um sich dort längere Zeit aufzuhalten.

Ein früher Höhepunkt war auf jeden Fall ein Ausflug nach Zarrentin am Schaalsee, den ich ganz alleine am zweiten Urlaubstag unternahm. Der Schaalsee ist mein Sehnsuchts- und Kraftort, besonders die Ostseite und hier das Städtchen Zarrentin und das inzwischen eingemeindete Dorf Lassahn haben es mir angetan. Bis vor Kurzem war die Ostseite des Schaalsees nur mit dem Auto zu erreichen (und so für mich unerreichbar), aber nun hat sich der Hamburger Verkehrsverbund, der bisher nur bis zum Westufer fuhr und dann so tat, als gäbe es die innerdeutsche Grenze noch immer, endlich dazu durchgerungen, Zarrentin auch anzufahren. Das heißt erstens, dass man jetzt mit einer HVV-Gesamtnetzkarte nach Zarrentin fahren kann (die Tageskarte kostet zurzeit etwa 16 Euro), und zweitens, dass es tatsächlich Busverbindungen von verschiedenen „westdeutschen“ Orten nach Zarrentin gibt.

Auf der Hinfahrt versuchte ich es komplett mit dem Bus: Hamburg-Wandsbek bis Ratzeburg und dort umsteigen nach Zarrentin. Das klappte schon mal nicht, der Hamburger Bus hat sich auf der Strecke nach Ratzeburg so viel Verspätung eingehandelt, dass der Anschlussbus nach Zarrentin nicht warten konnte. Auf den nächsten Bus hätte ich zwei Stunden warten müssen, was mir zu lange war (Ratzeburg fand ich, keine Ahnung warum, schon immer komplett trostlos). Also leistete ich mir, quasi als erste Ferienreise, ein Taxi nach Zarrentin.

Auf der Rückfahrt wollte ich sowieso eine andere Verbindung ausprobieren. Diese bestand aus einem „Rufbus“, der zwar einen festen Fahrplan hat, aber nur fährt, wenn man ihn mindestens zwei Stunden vorher telefonisch bestellt, einem normalen Linienbus (zumindest auf dem Papier) und einem Regionalzug. Das mit dem Rufbus klappte hervorragend. Bereits zehn Minuten vor der verabredeten Zeit wurde ich per Allrad-Limousine von einem schmucken Fahrer mit teurer Sonnenbrille abgeholt und exklusiv vom Zarrentiner Markt an eine Kreuzung in der Nähe der Ortschaft Gudow gebracht. Dort stand ich eine Weile mutterseelenallein an der Bushaltestelle herum, bis ein Linienbus, der aussah wie ein ungarischer Speisewagen in den 80er Jahren, mich einsammelte – wieder war ich der einzige Fahrgast – und zum Bahnhof nach Büchen fuhr. Diese Busfahrt war sehr abenteuerlich und lustig, weil der Bus ziemlich groß und viele Straßen ziemlich eng waren. Aber wir erreichten den Bahnhof ohne Zwischenfälle und pünktlich, was den Regionalzug nach Hamburg nicht beeindruckte – er war zu spät dran, so wie man es kennt.

In Zarrentin war es wunderschön, ich besuchte die Kirche und das Kloster und ging eine Weile am See entlang, wo es auch bei schönem Wetter und in den Ferien nie viel Betrieb ist. Ich glaube, wenn man alle Hotel- und Ferienwohnungsbetten dort zusammenzählt, kommt man höchstens auf hundert. Am Wochenende kommen dann natürlich Tagesausflügler aus Hamburg und aus Berlin dazu, aber wirklich voll habe ich diese Stadt bisher nur beim Weihnachtsmarkt und beim jährlichen Neptunsfest erlebt. Nach Lassahn habe ich diesmal nicht geschafft. Dafür hätte ich einen weiteren Rufbus ordern können, aber das habe ich auf ein anderes Mal verschoben. Auf jeden Fall war dieser Ausflug ein wunderbarer Einstieg in den Urlaub. Und wenn Zarrentin jetzt an den HVV angeschlossen ist, kann ich ja vielleicht doch eines Tages dort wohnen.

Ansonsten waren vor allem wieder meine Besuche in Bremen sehr schön. Katze 3 und Katze 4 (Kater 1) sowie mein Freund sind echt coole Leute, mit denen man hervorragend abhängen kann. Und Bremen bzw. das Umland sind auch richtig nett. Wir probierten einige neue Lokale mit Spätaufsteherfrühstück (bis ich morgens aus Hamburg angereist bin, ist es – wenn ich gut bin – ja immer schon zwölf) und erkundeten weitere Ecken der Stadt.

Dass ich mit einem gemieteten E-Bike über den Deich gerauscht bin, während mein Freund auf seinem normalen Fahrrad nur noch gerade eben so mithalten konnte, habe ich ja schon berichtet. Dieser Ausflug hat wirklich Spaß gemacht und nun hätte ich natürlich gerne ein eigenes E-Bike. Zumindest zu Hause in Hamburg wird dies auf absehbare Zeit nicht möglich sein, weil ich dort keine Möglichkeit habe, so ein teures Teil sicher unterzubringen. Keller und Fahrradkeller sind in meinem Haus nicht einbruchssicher (tatsächlich ist in meinen Keller schon so oft eingebrochen worden, dass ich die Tür jetzt offen lasse) und die Treppe zu meiner Wohnung würde ich mit einem 20-Kilo-Fahrrad nicht schaffen. In Bremen ginge es vielleicht schon eher, vorausgesetzt, mein im Erdgeschoss wohnender Freund würde seine Abstellkammer zur Verfügung stellen. Aber ob ich ein teures E-Bike kaufen möchte, das ich dann nur am Wochenende sehe… ich weiß es nicht.

Unser schönster Ausflug rund um Bremen fand allerdings mit dem Auto statt, natürlich an einem der richtig schweineheißen Tage des Jahres. Und dann war die blöde Nordsee, die wir besuchen wollten, nicht da. Ebbe. Was ist das eigentlich für eine alberne Erfindung? Wir glotzten eine Weile in Dangast auf den Schlick und die Menschen, die trotzdem am Strand rumgammelten, und beschlossen dann, dass wir irgendwo ein kleines Stückchen Meer finden würden. Auch ohne auf die – Stunden später angekündigte – Flut zu warten.

Wir fanden Wasser in Carolinensiel. Ein sehr hübsches Örtchen, das wegen Schleuse und Deich im Vorland auch bei Ebbe noch Wasser in einem sehr hübschen Hafenbecken bieten kann. Sogar mit Schatten, was bei 38 Grad ja sehr direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität hat. Wir verbrachten einige nette Stunden und nahmen uns vor, wiederzukommen. Und vielleicht vorher herauszufinden, ob es auch irgendwo in diesem netten Örtchen ein gutes Restaurant gibt und nicht nur die typischen Touristenabzockläden…

So besonders lang sind sechs Wochen Urlaub übrigens gar nicht. Eigentlich sind sie immer in dem Moment vorbei, in dem ich gerade beginne, mich zu erholen. Und dann fällt mir ein, was ich alles hätte machen wollen und doch nicht geschafft habe. Aber immerhin war ich sechs Wochen lang raus aus dem Alltag und habe so gut wie fast gar nicht an meinen Job gedacht. Das ist vielleicht kein spektakuläres Ferienerlebnis für meinen Aufsatz, aber doch zumindest ein gutes Ergebnis. Und einen Anlass, mir Betonschuhe zu verpassen, habe ich auch niemandem gegeben. Glaube ich wenigstens.

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