So. Ich wäre jetzt bereit für den Frühling. Für Sonne, Wärme, Knospen, Blätter, Sommerfell, Helligkeit und all das. In meinen Augen muss der Winter niemanden etwas beweisen, er kann sich in aller Ruhe auf eine andere Erdhalbkugel zurückziehen und rumwintern. Hamburg ist bisher gut davongekommen, was den Winter angeht: Die Temperatur sank nur wenige Tage lang unter den Nullpunkt und geschneit hat es auch nur ganz wenig und ohne dass der Schnee länger liegengeblieben wäre.
Und das soll bitte auch so bleiben. Schließlich haben wir jetzt schon Mitte Februar, was angesichts der Kürze dieses Monats gleichzeitig auch fast schon Ende Februar bedeutet, das heißt, eigentlich schon so gut wie März und Frühlingsanfang. Der Winter hatte seine Chance, nun soll er bitte weggehen.
Dann gibt es die ersten Stiefmütterchen für den Balkonkasten, die Katzen werfen die Reste ihres Winterfells ab und wir probieren mal, ob man die Wäsche auch schon draußen trocknen kann. Bettwäsche in der Wohnung zu trocknen, wenn die Heizung aus Energiespargründen nur auf Stufe 1 läuft, macht nämlich wenig Freude. Ganz anders, als wenn sie draußen hängt, von milder Sonne beschienen, von mildem Wind bewegt und gelegentlich mild von einer Taube bekackt.
Jawohl, ich mag den Frühling und er könnte gerne jetzt schon beginnen. Stattdessen aber regnet es draußen, schon den ganzen Tag lang. Das ist schlecht für die Mülltüte, die in meiner Küche darauf wartet, endlich nach draußen zum Container gebracht zu werden. Und schlecht für mich, wenn der Müllcontainer dann plötzlich voll ist und nächste Woche vielleicht nicht geleert wird, weil plötzlich die Stadtreinigung streikt. Wenn der Balkon dann voll mit Mülltüten ist, kommen die Stiefmütterchen nicht mehr ganz so gut zur Geltung.
Während ich das hier schreibe, zieht übrigens eine Demo durch meine kleine Wohnstraße, kaum 100 Teilnehmende, aber laut. Nein, nicht die Stadtreinigung oder andere Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst (die für Lohnerhöhungen von 10,5 %, mindestens aber 500 Euro monatlich demonstrieren – als ob irgendjemand von denen, die da auf die Straße gehen, so ein hohes Gehalt hat, dass 10,5 % mehr als 500 Euro wären…). Es sind die Friedensbewegten, „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“ steht auf ihren Transparenten, „Frieden schaffen ohne Waffen!“ rufen sie. Gut, das habe ich früher auch auf Demos gerufen, aber da waren irgendwie noch mehr Leute unterwegs. Und ob „Frieden schaffen ohne Waffen!“ noch annähernd das meint, was wir damals glaubten, das es meint, sei sowieso dahingestellt. Die Demonstrierenden sehen auch irgendwie anders aus und das liegt nicht nur am strömenden Regen, glaube ich.
Auch Friedensdemos machen bei schönem Wetter mehr Freude. Deswegen fanden sie zu meiner Zeit traditionell zu Ostern statt, also im Frühling. Da gingen dann deutlich mehr Menschen mit und die meisten wirkten einfach dadurch pazifistisch, dass sie aussahen wie ganz normale Menschen. Es wurde auch mehr gesungen damals auf diesen Demos, die guten alten friedensbewegten Lieder, We shall overcome, Sag mir wo die Blumen sind und Dona nobis pacem. Heute müssen Demos vor allem laut sein, sonst guckt ja gar niemand mehr hin.
Die Katzen fänden eine Gehaltserhöhung auch gut, aber demonstrieren würden sie dafür nicht. Jedenfalls nicht draußen und mit fremden Leuten und so. Zu zweit, drinnen und direkt vor meinen Füßen schon eher, da dann aber eher für mehr Tütchen als für mehr Kohle. Man muss halt Prioritäten setzen, sagen sie. Für die Kohle sei ich zuständig, wenn ich dafür auf die Straße gehen wolle, bitte schön, aber bitte nicht zu spät zum Abendessen zu Hause sein. Zu ihrem Abendessen, versteht sich. Prioritäten, wissen schon.
Jedenfalls, Frühling, gute Idee. Gerne bald. Mit Stiefmütterchen und Sommerfell und Wäsche auf dem Balkon. Gerne auch in einer friedlichen Welt. Dafür summen die Katzen und ich jetzt wieder allabendlich Dona nobis pacem. Im Kanon.