Maske und Schnelltests. Endlich mal wieder.

Wissen Sie, was ich mir noch vor Kurzem nicht vorstellen konnte? Also, außer dass Jette stirbt und die Weltherrschaft ausgerechnet auf Lotti übergeht? Nein? Ich verrate es Ihnen: Ich konnte mir nicht vorstellen, mich je wieder völlig unbefangen und ohne eine Maske zu tragen in einen engen Raum mit vielen Menschen zu setzen, die auch keine Maske tragen. Noch vor einigen Wochen vermied ich es, mit vielen Menschen – egal ob mit oder ohne Maske – in einem Raum zu sein, egal wie eng. Wenn meine Anwesenheit unbedingt erforderlich war, trug ich meine Maske, auch wenn ich damit die einzige war.

Dann ging lange Zeit alles gut und ich entspannte mich ein wenig. Schließlich war ich letztes Frühjahr einmal mit Corona infiziert, bin fünfmal geimpft und die Menschen, mit denen ich zu tun hatte, verhielten sich auch eher vorsichtig. In öffentlichen Verkehrsmitteln trug ich meine Maske noch immer, beim Einkaufen nur noch, wenn es voll war oder ich länger als dreißig Sekunden in einer Kassenschlange anstehen musste.

Über ein Jahr lang ging alles gut. Es gab relativ wenig Ausbrüche in meiner unmittelbaren Nähe und wenn, dann hatte ich immer gerade keinen Kontakt zu den betroffenen Personen gehabt oder eben die gute alte Maske vor der Nase. Ich entspannte mich weiter. Ich warf sogar die Corona-Warn-App von meinem Smartphone und manchmal, wenn ich nur ein kleines Stück mit dem Bus fuhr und dieser nicht voll war, setzte ich meine Maske auch mal nicht auf.

Es ging weiterhin alles gut und so konnte es geschehen, dass ich am Mittwoch dieser Woche, als ich bei der Team-Supervision im Hospiz plötzlich mit 20 Kolleg*innen zwei Stunden lang in einem viel zu kleinen Raum saß, nicht einmal auf die Idee kam, meine Maske aufzusetzen. Obwohl ich diese in der Tasche hatte.

Bis dann am Donnerstagmorgen eine Mail der Geschäftsführung kam, die das Team darüber informierte, dass eine der bei der Supervision anwesenden Kolleginnen sich an diesem Morgen positiv getestet hatte. Dass alle Anwesenden bitte sofort eine Maske aufsetzen und sich täglich testen sollten.

Ich las diese Mail, als ich schon in meinem anderen Büro in unserem anderen Hospiz war. Und schrie erst einmal laut Scheiße! Es war Donnerstag und an dem Abend hatte ich einen Vortrag zum Thema Trauer zu halten. Dann sprach ich mit der Hospizleitung, die mich zunächst mit ein paar frischen Masken und Schnelltests erstversorgte. Um den Vortrag abzusagen, sei es zu spät, befand sie. Ich könne, selbst wenn ich mich am Mittwochnachmittag angesteckt haben sollte, jetzt auch noch nicht ansteckend sein. Auch nicht am Abend, also gut 24 Stunden nach dem Kontakt mit der Positiven. Trotzdem solle ich den Vortrag bitte mit Maske halten. Den Zuhörenden wurde es freigestellt, eine Maske zu tragen.

Auf Veranstaltungen zu sabbeln und dabei eine Maske vor dem Mund und der Nase zu haben… das hatte ich in den letzten Monaten wirklich nicht vermisst. Aber was soll’s, dachte ich mir. Ging ja früher auch, ich werde es noch einmal überstehen.

Mach dir keine Sorgen, sagte die Hospizleitung noch. Du bist ja fünfmal geimpft und hast am geöffneten Fenster gesessen. Mit dem Testen fängst du am Samstag an, vorher bringt es eh nichts. Und wenn du irgendwelche Symptome bekommst, schicken wir die Leute heute Abend halt wieder nach Hause.

Na ja, sagte ich, so schnell geht das doch wohl nicht mit den Symptomen. Oder?

Ach, sagte die Hospizleitung, du kannst davon ausgehen, dass sich dein Körper jetzt schon mit den Viren auseinandersetzt und sich überlegt, wie er damit umgehen möchte.

Zack. Schon spürte ich Corona im ganzen Körper. Natürlich.

Ich verbrachte einen gestressten und aufgeregten Tag alleine in meinem Büro, trug bei Klogängen meine Maske und hielt einen vermummten Vortrag über Trauer. Der ganz okay war, denke ich. Dann fuhr ich mit Maske im Taxi nach Hause und ließ den Tag noch einmal Revue passieren. Mein erster Eindruck, dass es sich um einen Kacktag handelte, bestätigte sich. Vor allem beim abendlichen Telefonat mit dem großen freundlichen Mann und Jehan in Bremen.

Der große freundliche Mann hat es ja bisher geschafft, sich nicht mit Corona anzustecken, ist insgesamt noch ein bisschen vorsichtiger als ich und möchte sich auch nicht mehr infizieren. Wofür ich volles Verständnis habe. Was aber leider bedeutet, dass er mich dieses Wochenende ganz sicher nicht sehen möchte, weder in Hamburg, noch in Bremen. Dass wir eigentlich die Asche von Jette beim Tierbestatter abholen wollten, dass ich mir gerne die Bisswunde an der Hand des großen freundlichen Mannes genauer anschauen wollte und Jehan ein bisschen damit drohen, dass wir ihm alle Zähne ziehen lassen, wenn er mit den gewalttätigen Liebesbissen nicht aufhört… alles abgesagt. So ein Scheiß.

Zum Glück kann ich ja, für beide Hospize, gut von zu Hause aus arbeiten. Das habe ich am Freitag gemacht und das werde ich wohl auch am Montag wieder tun. Wenn ich bis dahin negativ bleibe, ist die Gefahr wohl vorüber. Dann bleibt noch die Frage, ob auch alle anderen Kolleginnen negativ geblieben sind, um zu entscheiden, ob ich am Dienstag wieder ins Deich-Hospiz gehen kann. Mal sehen.

Die Symptome, die mich am Donnerstagmorgen befielen, egal ob eingebildet oder real, sind abgeklungen. Ich hoffe, das bedeutet, dass mein Körper sich entschieden hat, weder positiv noch krank zu werden. Die Schnelltests, die ich seit gestern mache, sind jedenfalls negativ.

In Zukunft, das versichere ich Ihnen, werde ich meine Maske bei Veranstaltungen mit mehreren Personen in einem engen Raum nicht nur in der Handtasche haben. Egal, ob ich die einzige bin, die das Ansteckungsrisiko gerne so gering wie möglich halten möchte. Ich möchte nicht noch einmal an Corona erkranken, ich möchte am Wochenende meinen Freund und seinen Kater sehen und dass die Asche von Jette jetzt noch ein paar Tage auf dem Schreibtisch der Tierbestatter verbringt, bis wir sie dann zusammen abholen können, ist doch auch doof. Und müsste nicht sein.

Was ich mir vor Kurzem auch nicht vorstellen konnte? Dass ich noch mal einen Blogpost über Corona schreiben würde und nicht über Lotti und die Weltherrschaft. Das ist doch erschütternd, oder?

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