Nachruf auf Jette. Von Jehan. (Gastbeitrag von @esistok)

Menno. Meine Schwester Jette ist nicht mehr da. Jetzt sind der Mensch und ich allein in der Wohnung. Männer-WG sozusagen.

In der letzten Zeit war Jette tatsächlich nicht mehr ganz so gut drauf wie sonst. Sie war – genau wie ich – zum Beispiel nicht mehr so standsicher.

Ihre diversen Geschäfte hat sie natürlich noch geregelt, allerdings fiel mir auf, dass sie zurückhaltend war, was neue Geschäftsbeziehungen betraf.

Jette und Jehan, gemütlich eingerollt.

Der Mensch sagte am Telefon schon vor ein paar Wochen, dass „Jette abbaut“. Was sie konkret abbaute, sagte er in dem Gespräch aber nicht. Stattdessen brachte er sie zu meiner Kollegin, Fr Dr. S. Sie ist Tierärztin ihres Zeichens. Jette war nämlich auf dem Weg von ihrem Fensterplatz über den Schreibtisch, den Schreibtischstuhl zum Sofa vom Stuhl geplumpst. Mehrfach. Und der Mensch dachte, dass das mit ihrer fehlenden Standsicherheit zu tun hat.

War aber nicht so.

Meine Schwester konnte nämlich nichts mehr sehen, der Blindfisch. War erstmal nicht so wild, solange der Mensch den Stuhl am Schreibtisch platzierte und den Kratzbaum auf der anderen Seite. Da Jette ja schlau war und die Wohnung sehr gut kannte, kam sie super klar.

Und für mich war der Vorteil, dass sie mich nicht mehr so oft vermöbelt hat. Nur noch ein paar Mal, wahrscheinlich aus purer Gewohnheit, weil sie mir ja immer – „schon aus Prinzip“ – ein paar geknallt hat (obwohl ich gar nix gemacht hatte).

Jette auf ihrem Fensterbank-Platz.

Jette hieß ja auch „die Klette“. Und sie machte ihrem Namen natürlich auch weiterhin alle Ehre. Sie pflanzte sich immer auf den Schoß unseres Menschen. Da ich da mittlerweile auch ganz gern sitze, gab es manchmal etwas Gedränge. Aber kein Problem, ist ja genug Platz.

Als Jette, die Klette, hatte sie sich bei Zoomkonferenzen und allen Arten der Videotelefonie einen Namen gemacht. Die Arbeitskollegen, Bekannten, Gruppenmitglieder etc. unseres Menschen kannten sie alle, weil sie spätestens nach 2 Minuten durchs Bild lief bzw. sich auf dem Schoß – für alle gut sichtbar – niederließ.

Allerdings sie war nicht mehr ganz so zielsicher beim Köpfeln. Manchmal musste sie schon mehrfach Anlauf nehmen, bis sie den Menschen per Kopfstoß am Kinn bewusstlos hauen konnte. Das hat früher immer sofort geklappt.

Jette verpasst dem Menschen Kopfnüsse, Jehan möchte auch auf dem Schoß sitzen.

Zum Schluss mochte meine Schwester auch nicht mehr so viel essen. Sie war ja immer schlank und für mich blieb mehr übrig, also Win-Win. Allerdings gar nichts essen oder trinken, wie an ihrem letzten Tag, ging ja auch irgendwie nicht.

Zu dem Menschen kamen wir vor 6 Jahren, 2017.

Wir kamen eigentlich aus einer Familie mit vielen Katzen oben in Friesland, allerdings ging unsere Menschin irgendwann in ein Krankenhaus und kam nicht mehr zurück. Ich als Doktor (für alles Mögliche) kann dieses „Krankenhaus“ nicht empfehlen!

Eine jüngere Frau, die sich uns als „Enkelin“ vorstellte, brachte uns alle ins Franziskus-Tierheim in Hamburg-Lokstedt.

Jette in der Kratztonne im Tierheim.

Dort saß ich leicht apathisch auf einem Regalbrett und Jette hockte in einer Kratztonne. Zur Sicherheit für alle hatte die Mitarbeitenden vor die Öffnung ein schützendes Handtuch gehängt. Wann immer dieses Tuch bewegt wurde, haute Jette zu. Damals war sie sehr schnell und konnte eine beachtliche Zahl an Kratzwunden für sich verbuchen.

Der Mensch und eine Menschin kamen ein paar Mal vorbei und wir lernten sie kennen. Und die Beiden wiederum uns.

Jehan auf dem Regal im Tierheim.

Einige Pflaster später kamen wir dann zusammen nach St. Pauli, wo der Mensch wohnte. Ich selbst war vorsichtig und blieb die ersten Monate unterm Bett. Im Gegensatz dazu war Jette natürlich neugierig und schaute sich die Bude recht bald an.

„Alles ok, Jehan. Kannst rauskommen.“ Naja, so schnell ging das bei mir logisch nicht. Aber es war beruhigend, dass Jette sich traute.

Irgendwann, ein Jahr oder so später, brachte uns der Mensch in eine andere Bude. Nach „Bremen“. Egal, ich habe gleich angefangen, einen Fluchttunnel zu graben, Richtung West-Berlin. War dann aber doch nicht nötig.

In „Bremen“ ist es viel ruhiger als in St. Pauli. Ganz schön eigentlich. Ab und zu haben wir sogar mal auf den Balkon geschaut.

Jette und die Weltherrschaft.

Jette konnte ihren Geschäften nachgehen (ihre „Hood“ in Oberneuland) und ich meppte so vor mich hin. Das Ziel von ihr war natürlich die Weltherrschaft und dem Vernehmen nach hat das in Oberneuland super geklappt.

Da der Mensch uns immer fütterte und begöschte, hätte es prima so bleiben können.

Natürlich waren wir schon etwas älter, als wir da im Tierheim in Lokstedt saßen. Wir wissen es nicht ganz genau, aber der Impfpass sagt, dass wir 2006 geboren wurden.

Und den Menschen lernten wir 2017 kennen, da waren wir also schon 11 Jahre alt.

Jette gähnt herzhaft.

Und nun sind wir 17 Jahre alt geworden. Was man so hört, ist das ja ein ganz schön stolzes Alter für Katzen.

Meine Kollegin, die Tierärztin, sagte wohl, dass es normal sei, in dem Alter „zu gehen“.

Jette kam nach dem Besuch bei meiner Kollegin noch mal wieder in die Bude und ich konnte sie noch einmal sehen. Sie lag ganz friedlich da, als ob sie schläft.

Jette sieht aus, als ob sie schliefe.

Am nächsten Tag hat der Mensch sie nach Hamburg gefahren, zu einem „Bestatter“.

Tja und so kam es, dass jetzt hier Männer-WG ist.

Alles Gute, Jette. Wir sehen uns.

Jette guckt schlau, hat aber vergessen, die Zunge reinzunehmen.

 

 

 

 

 

 

7 Kommentare

  1. mögen ihre pfoten freudig durch ihre neue hood streifen, noch viele kratzwunden verbuchen, frische tütchen aufreißen und zu weichen nestern führen, wenn jette müde ist

  2. @esistok @Keinzahnkatzen mögen ihre pfoten freudig durch die neue hood streifen, noch viele kratzer verbuchen sowie frische tütchen aufreißen und zu weichen nestern führen, wenn jette müde ist

  3. Ich hoffe sehr, dass sie nun frei von allen Krankheiten ein schönes Leben in einer anderen Welt führt. Auf jeden Fall hatte sie ein schönes Leben auf Erden bei ihrem Menschen.

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