Montserrat Caballé. Heldin meiner Jugend.

In diesem Blogpost breche ich mit einer – bisher nur still befolgten und nicht im Internet breitgetretenen – Regel, die ich mir vor Jahren selbst auferlegt habe: Mich nicht über das Ableben von Berühmtheiten äußern, egal wie sehr ich diese verehrt habe und wie traurig ich über ihren Tod bin. Aber keine Regel ohne Ausnahme.

Gestern morgen ist eine der großen Heldinnen meiner jungen Jahre gestorben: Montserrat Caballé, die dicke spanische Opernsängerin, die spätestens seit ihrem ‟Barcelona”-Duett mit Freddie Mercury auch jeder kennt, der mit klassischer Musik und gar Oper sonst nichts am Hut hat. 85 Jahre ist sie alt geworden. Von diesen 85 Jahren hat sie ungefähr 85 Jahre mit Musik verbracht, weil das ganz eindeutig ihr Ding war.
Montserrat Caballé konnte – zumindest für meine Ohren – singen wie keine andere. Bei ihr hörten sich selbst die schwierigsten Phasen, die Opernkomponisten sich zur Schikane von Sängern überlegt hatten, einfach an. Einfach und richtig, so als müsse die Gesangslinie genau so und nicht anders sein. Sie musste nie tief Luft holen und mit Glottisschlag und viel Peng einen schwierigen, meist hohen Ton in die Welt setzen. Sie öffnete einfach den Mund und der Ton war da. Das Großartigste an ihrer großartigen Gesangstechnik war, dass man die Technik eigentlich nicht bemerkte. Ihre Stimme war unglaublich schön und füllte den Raum, ohne Lärm zu erzeugen.
Meine erste Gesangslehrerin – die weder eine gute Sängerin noch eine gute Lehrerin war – war ein großer Fan von Montserrat Caballé und da sie meinte, ich würde auch mal ein jugendlich-dramatischer Sopran werden, hörte ich mir alle Aufnahmen dieser Sängerin an, die ich in die Finger bekam. Sie war – zumindest per Schallplatte – meine erste Aida, meine erste Manon Lescaut, meine erste Elisabetta in Don Carlo. Ich liebte ihre Stimme und ihre Art zu singen sofort und heftig.
Dass meine Lehrerin meinte, ich würde eines Tages wie Montserrat Caballé singen können, wenn ich nur schön übe und viel Geld in ihre ausgestreckte Hand lege, erfüllte mich sehr gemischten Gefühlen. Natürlich wollte ich gerne so großartig singen können, andererseits hatte ich ja auch – siehe oben – Ohren im Kopf. Und ich klang leider ganz und gar nicht so, wie ich hätte klingen sollen und wollen: Leichtigkeit war im Zusammenhang mit mir und meiner Stimme ein Fremdwort. Schwebende Piani brachen in schallendes Gelächter aus, wenn sie mich nur von Weitem sahen.
Was ich an Montserrat Caballé später, als ich dann zum Glück den Gedanken, selbst Opernsängerin zu werden, hinter mir gelassen hatte, ebenfalls sehr bewunderte, war die Tatsache, dass sie eine dicke Frau war. Eine erfolgreiche dicke Frau mit Selbstbewusstsein und so viel Witz, dass dieser auch noch für zehn dünne Sängerinnen gereicht hätte. Sie konnte über sich selbst lachen – und wie! – aber ohne sich dabei selbst schlecht oder klein zu machen. Sie kam immer sympathisch rüber, manchmal sogar albern, aber vor allem vermittelte sie Freude. Freude an dem, was sie tat. Freude an der Musik und am Gesang. Freude am Leben.
Ihr Zusammentreffen mit Freddie Mercury, der ein großer Opernfan war und sich sehr gewünscht hatte, Montserrat Caballé einmal persönlich zu begegnen, verlief bestens und die Zusammenarbeit an dem Song ‟Barcelona” für Olympia 1992 war dann ihre Idee. Sie kennen diesen Song natürlich, er ist fabelhaft, überlebensgroß und verrückt – und wer außer Montserrat Caballé und Freddie Mercury wäre wohl mit einer solchen Nummer davongekommen?
Zum Glück finden sich im Internet auch viele andere, seriöse Aufnahmen, die Montserrat Caballé im Laufe ihrer langen Karriere gemacht hat. Opern-Gesamtaufnahmen, Recitals und Best-Of-Zusammenstellungen. Es lohnt sich, da mal hineinzuhören. Während ich das hier schreibe, höre ich zum Beispiel ihre Aufnahme von Norma (mit Cossotto und Domingo unter Cillario) von 1973 und bin – erneut – sehr begeistert.
Ich werde Montserrat Caballé vermissen, aber ich werde – so hoffe ich wenigstens – nie ihre Stimme vergessen und genausowenig ihr Lachen. Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich heute bin.

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