Stoppi in the Name of Love. Der Auftrag.

Die riesigen braunschwarzen Monster mit den glühenden Augen waren eigentlich ganz nett, wie ich wenig später feststellte. Sie waren Schwestern, nicht mehr ganz jung, und ziemlich friedfertig. Und – ich meine das nicht despektierlich, aber so war es nun einmal – sie hatten mindestens genau so viel Angst vor mir wie ich vor ihnen. Und sie waren im Grunde bereit, mir meine angeborene Führungsrolle zuzugestehen, auch wenn sie schon länger in der Wohnung und mit der Frau zusammenlebten.

Schließlich trug ich die güldene Krone und sie nicht.

Schon nach kurzer Zeit saßen wir friedlich zusammen auf dem Sofa und plauderten. Die Frau, so erfuhr ich, hieß Bettina. Die riesigen braunschwarzen Monster nannten sich Olga und Ida. Sie waren nicht aus einem Spielzeuggeschäft zu Bettina gezogen, sondern aus einer sogenannten Pflegestelle. Das war aber schon so lange her, dass sie sich nicht mehr sehr gut daran erinnern konnten, wie es dort gewesen war. Außer dass geraucht wurde und das den ganzen Tag lang Radio Schlagermusik spielte.

Olga und Ida liebten Bettina sehr. Und Bettina liebte sie. Das wurde mir sofort klar. Die drei waren ganz eng miteinander verbunden und wahnsinnig glücklich miteinander.

„Und genau das könnte ein Problem werden“, erzählte mir Ida, als wir eines Nachmittags gemütlich zu dritt im Wohnzimmer saßen, Olga, Ida und ich.

Bettina war, wie fast immer, ins Büro gegangen. Was genau das bedeutete, wo das Büro war und was Bettina dort den ganzen Tag machte, hatten Olga und Ida noch immer nicht herausfinden können. Es gab offensichtlich keine Katzen in diesem Büro, jedenfalls roch Bettina abends nicht nach anderen Katzen. Normalerweise war sie morgens müde, wenn sie dorthin ging, und abends auch, wenn sie zurückkam. Kein Wunder, wo sie doch den ganzen Tag ohne Katzen verbringen musste!

„Was könnte ein Problem werden?“ fragte ich. Ich saß wie üblich auf der 10-CD-Box „Harenbergs Opernführer“ an der Wohnzimmertür und tat so, als würde ich arbeiten. Also, die Tür stoppen. Olga und Ida lagen vor mir auf dem Holzfußboden und warteten auf Bettinas Heimkehr und ihr Abendessen. Über das Stadium, in dem sie so taten, als würden sie etwas Nützliches tun, waren sie offenbar schon lange hinaus.

„Naja“, erwiderte Ida. „Wir haben einen Deal. Und den können wir vermutlich nicht einhalten.“

„Einen Deal?“ fragte ich neugierig. „Was denn für einen Deal?“

„Wir waren ja, als wir jung waren, sehr krank“, erzählte Ida. „Und wir mussten fast jede Woche zum Tierarzt. Das war sehr anstrengend für uns alle. Und sehr teuer für Bettina, denn wir hatten ja damals kein eigenes Geld.“

„Und wenn wir welches gehabt hätten“, setzte Olga hinzu, „dann hätten wir es nicht für Tierarztbesuche ausgegeben.“

„Das stimmt“, sagte Ida. „Ganz sicher nicht. Aber Bettina hat alles bezahlt. Und sich nie beschwert. Nur irgendwann mal, als wir dann endlich ohne Zähne und gesund waren, da hat sie gesagt, wir dürften jetzt bitte die nächsten 45 Jahre nicht krank werden, um uns zu amortisieren.“

„Wir wussten nicht ganz genau, was das hieß.“ Olga nun wieder.

„Du wusstest nicht, was das hieß“, erwiderte Ida, „aber ich schon. Und ich habe ihr versprochen, die nächsten 45 Jahre keine Tierarztkosten zu verursachen. Und du auch.“

„Natürlich“, sagte Olga. „Wer will schon zum Tierarzt?“

Die Argumentation leuchtete mir sofort ein. Natürlich will keine Katze, die auf sich hält, zum Tierarzt. Nicht dass ich jemals bei einem gewesen wäre – ich bin ein durch und durch gesunder Plüschkater! – aber man hört und liest ja so dies und das in diesem Internet.

„Dummerweise sind wir aber ein bisschen krank“, erklärte Ida weiter. „Und wir werden wohl bald wieder zum Tierarzt müssen.“

„Vielleicht sterben wir sogar“, warf Olga ein und machte ein dramatisches Gesicht.

„Ihr sterbt?“ fragte ich völlig entsetzt. „Das könnt ihr doch nicht machen!“

„Möglicherweise müssen wir. Man kann sich das nämlich nicht aussuchen.“ Ida überlegte sich sehr genau, was sie jetzt sagen wollte, das merkte ich. „Wir müssen nämlich alle sterben. Ob wir wollen oder nicht.“

„Und wir wollen nicht!“ bekräftigte Olga.

„Nein. Und was wir noch weniger wollen, ist, Bettina alleine zu lassen. Das wird nämlich ziemlich schlimm für sie. Deswegen lassen wir es uns auch nach Möglichkeit nicht anmerken, wenn es uns mal nicht so gut geht.“

„Das funktioniert?“ fragte ich, etwas ungläubig.

„Das funktioniert!“ sagte Ida. „Katzen sind nämlich Meister der Tarnung.“

Das stimmt. Das weiß ich auch selbst. Ich habe schließlich so was von einem Pokerface; ich verziehe kaum jemals eine Miene, egal was passiert.

„Außerdem will Bettina ja auch am liebsten nicht sehen, dass es uns nicht so gut geht. Sie beobachtet uns zwar mit Argusaugen, sogar mit der Catcam, wenn sie nicht zu Hause ist, aber sie hofft immer, dass sie nur zu sehen bekommt, dass wir gut und viel essen und gemütlich in der Gegend rumliegen.“

„Was normalerweise auch kein Problem ist“, fügte Olga hinzu. „Gut und viel essen können wir nämlich.“

„Allerdings nicht mehr ganz so viel wie vor einem halben Jahr“, gab Ida zu bedenken. „Bettina weiß das auch. Deswegen steht hier ja auch der Futterautomat rum, der sich am Nachmittag öffnet. Damit wir hoffentlich zwischendurch noch ein bisschen was essen. Und dabei guckt sie uns immer über die App auf ihrem Smartphone zu.“

Wow, dachte ich. Ganz schön aufwendig. Natürlich war der Futterautomat im Wohnzimmer mir schon aufgefallen – das Katzenfutter roch ganz schön streng! Und ich winkte auch immer in die Kamera, wenn Olga und Ida da waren und der Bewegungsmelder das rote Licht einschaltete.

„Mit der Tierärztin ist besprochen, dass wir jetzt im Herbst wiederkommen sollen. Dann will sie nochmal unser Blut untersuchen“, erzählte Ida weiter. „Ich glaube, das schiebt Bettina im Moment gerade schon seit zwei oder drei Wochen vor sich her.“

„Das ist auch schrecklich!“ schimpfte Olga. „Sie zapft uns einfach Blut ab. Dafür müssen wir uns die Pfote rasieren lassen und dann piekst sie uns mit einer Nadel. Das tut weh und ein bisschen schwummerig wird mir davon auch.“

Aua. Mir wurde schon etwas übel, wenn ich mir das nur vorstellte!

„Und dann ist Bettina tagelang angespannt, während sie darauf wartet, dass die Tierärztin sie anruft und ihr sagt, was sie in unserem Blut gefunden hat oder auch nicht“, erklärte Ida. „Bisher waren die Ergebnisse noch nie sehr gut und die Tierärztin hat sich und Bettina immer damit getröstet, dass es uns ja noch gut geht und wir supergut aussehen.“

„Natürlich sehen wir gut aus!“ rief Olga dazwischen und warf sich in eine Model-Pose. „Sowas von gut!“

Das stimmt. Wenn man sich an diese komische unordentliche Fell-Muster-Farbkleckserei erst einmal gewöhnt hat. Vorher kann man davon auch schwindelig werden.

„Wenn wir also demnächst zum Tierarzt müssen“, fuhr Ida fort, „und das Ganze nicht so richtig gut ausgeht, dann bist du gefragt, Stoppi!“

Stoppi? Das bin ich. King Türstoppi ist auf die Dauer zu umständlich, deswegen werde ich im Allgemeinen Stoppi genannt. Aber wieso bin ich gefragt?

„Weil du Bettina beistehen musst. Sie trösten. Für sie da sein.“ Ida sah mich mit ernstem Gesichtsausdruck an. „Das wird wahrscheinlich nicht so einfach. Aber du kriegst das schon hin. Und du musst sie daran erinnern, dass sie mir versprochen hat, sich neue Katzen zu organisieren. Nicht erst irgendwann viel später, sondern bald. Sonst wird sie es nämlich alles nicht mehr aushalten.“

„Okay“, sagte ich. „Das klingt nach einer anspruchsvollen Aufgabe. Aber ich bin schließlich King Türstoppi, der verzauberte Kater für alle Fälle. Du musst mir das alles noch genauer erklären, dann kriege ich das schon hin.“

„Natürlich“, versicherte mir Ida. „Wir haben ja noch Zeit. Aber nun müssen wir mit diesen traurigen Geschichten aufhören. Gleich geht nämlich der Automat mit unserem Nachmittagssnack auf und dann wird Bettina uns mit der Catcam beobachten. Also los: Fröhliche Gesichter!“

Keine Sekunde zu früh. Wir hatten uns gerade alle drei gut sichtbar hingesetzt und breite Lächeln auf unsere Gesichter gezaubert, da ging auch schon das rote Licht an und der Automat klappte auf. Olga und Ida stürzten sich auf ihr stinkendes Futter und ich winkte fröhlich in die Kamera. Das klappte problemlos, auch wenn ich eigentlich gerade sehr nachdenklich war und viele Fragen hatte. Aber nun war erst einmal Lächeln und Winken angesagt. Lächeln und Winken.

Fortsetzung folgt.

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