Tierfilme? Lieber nicht.

Kennen Sie das, wenn Sie abends relativ wahllos einen schönen Film oder eine freundliche Serienepisode sehen wollen, einfach um den Tag zu einem guten Ende zu bringen? Keinen Mord, keine Verschwörungen, keine kaputten Beziehungen, auch nicht, wenn Ihre normale Glotzkost durchaus in diesen Bereichen zu finden wäre? Aber an diesen bestimmten Abenden, da suchen Sie etwas anderes, etwas Gemütliches und Bestätigendes, das Sie nach knapp zwei Stunden Streamingvergnügen entspannt ins Bett gehen lässt?

So ging es mir diese Woche mehrfach nach anstrengenden Tagen und so ließ ich die üblichen Film- und Serien-Verdächtigen außen vor und schaute beim großen N, was es denn so Neues gibt. Und stieß auf einen Hundefilm, „Dog gone“.

Ein verschwundener Hund, so sagte die Kurzbeschreibung. Ein verschwundener kranker Hund, der seine Medikamente braucht und von seiner Familie mit einem riesigen Aufwand gesucht wird. Hm, sagte ich, aber findet die Familie den Hund und wenn ja, rechtzeitig, um ihm seine Medikamente zu verabreichen? Mit anderen Worten: Überlebt der Hund?

Ein kurzer Check auf der Seite doesthedogdie.com beruhigte mich: Der Hund stirbt in diesem Film nicht. Sehr gut.

Kennen Sie doesthedogdie.com? Eine Seite, wie für mich gemacht. Keine langen mühsamen Filmbeschreibungen und -kritiken, sondern die Konzentration auf das Wesentliche: Stirbt in diesem Film ein Hund? Oder eine Katze? Oder ein anderes Tier?

Eine sehr nützliche Seite aus zwei Gründen. Erstens weil sich relativ schnell überprüfen lässt, ob ich mich darauf gefasst machen muss, dass in einem Film ein Tier ums Leben kommt. Zweitens weil ihre Existenz mir auf tröstliche Weise versichert, dass ich mit meinem Unwillen, fiktionale Tiere sterben zu sehen, ganz und gar nicht alleine bin. Die Website ging vor einigen Jahren klein an den Start, wurde vom Inhaber und wenigen Menschen aus seinem Umfeld mit Daten versorgt, ist inzwischen aber riesengroß geworden und eine Crowdfeed-Angelegenheit geworden. Jede*r Interessierte kann dazu beitragen, dass die Film- und Seriengeschichte (vor allem natürlich die der englischsprachigen Welt) hinsichtlich der Überlebensrate von Haustieren (und anderen Triggern) dokumentiert wird.

Sehr hilfreich, wenngleich ich es schade finde, dass es die Seite noch nicht so lange gibt, dass die frühen Ludwigshafen-Tatorte, in denen mal wieder Lena Odenthals Katze ums Leben kam, erfasst sein könnten. Ich meine mich zu erinnern, dass in den knapp 80.000 Jahren, in denen Kommissarin Odenthal ermittelt, drei ihrer Katzen ein schlimmes Ende gefunden haben – aber in welchen Folgen die beiden ersten Katzen nun abgemurkst wurden, kann ich nicht mehr sagen.

Ansonsten aber ist die Website, die es auch als App für unterwegs gibt, echt nützlich.

Ich schaute mir also den „Dog gone“-Film an, ganz okay insgesamt, der Hund wird nach einer wochenlangen Suche auf dem Appalachian Trail gefunden und es geht ihm gut. Damit ist meine Hauptanforderung erfüllt. Darüber hinaus ist der Film sehr amerikanisch, sehr moralisch und sehr familienbetont. Tat mir nicht weh, aber tat auch nicht sehr viel für mich. Immerhin konnte ich anschließend gut schlafen.

Warum mögen wir es eigentlich nicht, wenn Tiere in Filmen (und Büchern) ums Leben kommen? Nicht einmal in Krimis und Actionfilmen, in denen Menschen reihenweise den Geist aufgeben? Ein immer wieder interessantes Thema, zu dem es mittlerweile sogar schon wissenschaftliche Untersuchungen gibt. Die durchaus interessant sind, aber ich für mich kann es auch ohne Untersuchung relativ leicht auf den Punkt bringen: Ich finde es übergriffig und manipulativ, zum „Vergnügen“ von uns Menschen Geschichten zu erfinden, in denen Tiere leiden und sterben.

Das ist in meinen Augen eine ziemlich billige Methode, bei den Zuschauenden/Lesenden starke Emotionen zu erzeugen, die sehr häufig mit der eigentlichen Story gar nicht viel zu tun hat, und somit ein Regelbruch bzw. gegen die Verabredungen, die die Kreativen mit uns Konsumierenden eingehen oder eingehen sollten: Eine Story braucht einen Anfang, eine Mitte mit Höhepunkt und ein Ende. Eine Story braucht Charaktere, die die Story tragen. Eine nachvollziehbare Handlung, Entwicklungen. Emotionen, die die Geschichte voranbringen. Und und und. Wer gegen diese Regeln und Verabredungen verstößt, z. B. indem er die Hauptfigur nach zehn Minuten sterben lässt oder ein Tier, das kein Mitspracherecht beim Drehbuch hatte, killt, braucht dafür einen sehr guten Grund. Wer keinen sehr guten Grund gelten machen kann, sollte mit dieser Art Selbstverwirklichung sehr zurückhaltend sein.

Ein Tier in die Handlung einzuführen, ihm eine Geschichte zu geben, es sowohl den fiktiven Charakteren als auch den Zuschauenden/Lesenden ans Herz wachsen und dann sterben zu lassen, das ist eine große Sache. Für die es in meinen Augen nur sehr wenig Rechtfertigungsmöglichkeiten gibt und die ich, selbst wenn ich die Gründe für dieses Handlungselement nachvollziehen kann, möglicherweise nicht miterleben möchte. Und in den allermeisten Fällen geht es, in meinen Augen zumindest, vor allem darum, auf unlautere Weise starke Emotionen zu erzeugen. Bei den handelnden Personen der Geschichte und bei mir. Und das möchte ich noch viel weniger. Will sagen: Auch in mir erwachen dann möglicherweise starke Emotionen, die dazu führen, dass ich den Fernseher ausschalte oder das Buch in die Ecke werfe.

Sogar wenn ein Tier in einem Film auftaucht und dann, ein bisschen wider Erwarten, doch nicht ermordet wird, verdirbt mir die Anspannung oft den Spaß am Gucken. So als hätten die Filmemacher jetzt einmal um die Ecke gedacht beim Spielen mit meinen Gefühlen. Wer mag schon Manipulation?

Mein Fazit: So gerne ich im wirklichen Leben Tiere um mich und so schön und wichtig mir die damit verbundenen Gefühle sind: Im Film ist es mir lieber, wenn keine Tiere mitspielen. Wer nicht auf der Besetzungsliste steht, wird auch nicht umgebracht. Und wer ohne solche Schachzüge keine Geschichte erzählen kann, der verdient auch meine Aufmerksamkeit nicht. Meine Meinung.

3 Kommentare

  1. Was hat mich das damals geschockt als ich Bambi das 1. mal gesehen habe. Habe rotz und Wasser geweint. kann mir heute tierfilme immer noch schwer anschauen.

  2. Danke! Damit ist alles gesagt.
    Ich fasse das Thema immer zusammen mit: Ich lese kein Buch, in dem ein Tier vorkommt. Ich gucke keine Filme und keine Serien in denen Tiere mitspielen. NIEMALS! Nicht mehr seit Lassie, Fury und Flipper. Da war ich noch zu jung und meine Empathie erst rudimentär entwickelt.
    Also…lasst mich alle damit in Ruhe. Das ist nicht verhandelbar.

    Liebe Grüße
    noch immer von der anderen Seite

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