Vier Katzen, vier Wochen. Katzenvergesellschaftung, Teil 4

Nun sind die Bremer Katzen schon vier Wochen bei Lotti und Leonie und mir zu Gast und ich bin von Herzen froh, denn es läuft nach wie vor alles sehr, sehr entspannt und stressfrei. Sowohl für mich wie auch für sämtliche Katzen, zumindest soweit ich das zu beurteilen vermag.

Wir alle sind bei bestem Appetit, verdauen prächtig (und in die dafür vorgesehenen „Möbel“), schlafen viel und können sehr gut den ganzen Tag miteinander verbringen.

Jette und Jehan vermissen zwar ihren Menschen (wie ich auch!), sind aber megatapfer und lassen es sich nicht anmerken. Nur abends, wenn wir mit meinem Freund telefonieren, dann sitzen sie andächtig auf meinem Schoß, schnurren sehnsüchtig ins Telefon und machen mehr als deutlich, dass das hier bitte kein Dauerzustand werden soll.

Den restlichen Tag aber sind sie lieb und zugewandt mir gegenüber sowie neugierig und entspannt gegenüber Lotti und Leonie. Sie haben keinerlei Berührungsängste – wobei vor allem Leonie ein bisschen mehr Scheu vor Nähe wahrscheinlich gar nicht so schlimm finden würde. Sie ist vor allem von Jettes an Distanzlosigkeit grenzende Kontaktfreude gelegentlich etwas genervt. Sie nennt sie auch immer „ADHS-Jette“. Die allerdings lacht darüber nur.

Es ist schon lustig, dass ausgerechnet Jette, die ja schon 15 Jahre alt und Alterspräsidentin der versammelten Katzenschaft ist („Mein Bruder Jehan ist zwar körperlich größer als ich, aber ein geistiges Leichgewicht, deswegen bin ich die große Schwester, klar?“), immer wieder die Bude aufmischt und dafür sorgt, dass wir alle regelmäßig einmal pro Stunde aufstehen und Gymnastik machen.

Jehan sagt dazu nicht viel außer: „Mepp?“

Wenn ich mich zurückerinnere an die Zeit unseres Kennenlernens im Tierheim… Ich hätte niemals gedacht, dass Jette und Jehan sich zu so entzückenden und aufgeschlossenen Katzen entwickeln.

Im Tierheim saß Jehan auf einem hoch an der Wand angebrachten Regalbrett und starrte vor sich hin. Den ganzen Tag lang, jeden Tag. Er kam nur zum Essen und Kacken runter, und das auch nur nachts, wenn niemand zusah. Er ließ sich von meinem Freund, der sich ganz ruhig und vorsichtig an ihn heranbewegte, zwar am Rücken streicheln und bürsten, reagierte sonst aber eigentlich überhaupt nicht auf ihn.

Jette saß nicht auf einem Regal, sondern in einer Kratztonne, deren Öffnung mit einer Decke verhängt war. Wenn man mit ihr sprach oder versuchte, sie mit der Katzenangel zum Spielen zu animieren, schoss manchmal eine weiße Pfote mit ausgefahrenen Krallen aus der Öffnung und schlug nach allem, was sich bewegte.

Mein Freund und ich besuchten die beiden ja tage- und wochenlang, bis wir sie dann endlich mitnehmen durften, saßen einfach ruhig im Zimmer, lasen was vor, ließen uns kratzen und fragten uns manchmal, ob wir nicht doch lieber einen Hund adoptieren sollten („Nein, das stimmt gar nicht. Wir hatten euch von Anfang an an der Angel!“ gez. Jette).

Der Umzug in die Wohnung meines Freundes erfolgte unter dramatischen Umständen: Wir durften die beiden direkt nach der obligatorischen Zahnsanierung bei der Tierheim-Tierärztin abholen. Sie waren noch in Narkose in die Transportkörbchen verfrachtet worden und noch nicht wieder ganz wach. Es war aber – aus gutem Grunde – entschieden worden, dass dies wahrscheinlich die mit dem wenigstens Stress verbundene Variante sei, weil die Katzen so nur einmal eingefangen und eingepackt werden mussten. Und selbst das war – wie wir dann beim Abholen erfuhren – extrem schwierig gewesen, weil der arme Jehan in seiner Panik komplett ausrastete, wie ein Wilder durchs Zimmer tobte und mehrmals gegen eine Glasscheibe sprang. Boing.

Nun kamen die armen Kerlchen in einer fremden Wohnung wieder zu sich, hatten Wundschmerzen (sowie, im Fall des Herrn Jehan, Kopfschmerzen von der Glasscheibe) und verschwanden für die nächsten drei Tage unter dem Bett. Ihnen die mitgegebenen Schmerzmittel zu verabreichen, war undenkbar, sie fraßen nicht von dem bereitstehenden Futter und hatten auch kein Interesse an Leckerchen.

Von den Schmerzen erholten sie sich zum Glück schnell und so trauten sie sich wenigstens, wenn sie alleine in der Wohnung waren oder wenn mein Freund fest schlief, in die Küche zum Fressen und um das Katzenklo zu benutzen. Allerdings kam es an einem der ersten Tage auch gleich zu einem folgenreichen Missverständnis, als der arme Jehan noch in der Küche war, während mein Freund morgens sein Bett verließ. Weil ihm der Weg zurück zu Jette unterm Bett versperrt schien, floh Jehan ins Badezimmer, hinter den Duschvorhang. Da saß er dann, mehrere Tage lang, und fauchte jeden an, der aufs Klo wollte (vom Duschen reden wir hier gar nicht erst, okay?).

Es dauerte dann noch eine Weile, bis Jehan in der Wohnung auch tatsächlich sichtbar wurde. Jette hingegen war schneller, sie fing nach wenigen Tagen an, die Bude zu erkunden und auch Kontakt zu meinem Freund aufzunehmen. In der extra für sie angeschafften Kratztonne (mit Decke drüber) saß sie übrigens nicht ein einziges Mal. Dafür aber bald auf dem Sofa, natürlich nur, solange mein Freund die Luft anhielt und sich nicht bewegte.

Noch heute sind beide Katzen sehr vorsichtig, wenn man zum Beispiel neben ihnen vom Sofa aufsteht oder sehr dicht an ihnen vorbeigeht, wenn sie irgendwo ruhen. Wenn unsere Bewegungen ihnen verdächtig erscheinen, gehen sie lieber schnell in Deckung. Aber sobald wir sitzen, sind sie auch wieder da. Allen voran natürlich Jette, die Klette, aber auch Jehan ist auf seine stille Art sehr präsent.

Vor einigen Tagen bin ich ja, nach drei Wochen auf dem Gästesofa, wieder in mein Bett umgezogen. Erstaunlicherweise ist es da so, als hätten wir keinen Katzenbesuch. Das Bett gehört Lotti und das wird von allen anderen Katzen im Haushalt respektiert. Sie entscheidet, ob am Fußende vielleicht noch jemand sitzen darf oder eben nicht. Wegdrängeln lässt sie sich auch von der aufdringlichsten Jette nicht.

Und so schlafen Jette und Jehan jetzt nachts überwiegend auf dem Sofa im Wohnzimmer, von wo aus sie die ganze Wohnung im Blick haben.

Einzig bei Leonie denke ich manchmal, dass sie vielleicht ein bisschen zu kurz kommt, wenn ich nicht aufpasse. Sie schmust ja auch am liebsten auf dem Sofa mit mir, aber Jette ist immer – IMMER! – schon da, wenn sie kommt. Ich muss dann, egal wie beschäftigt oder müde ich gerade bin, unbedingt daran denken, Leonie ausdrucksvoll, lautstark und deutlich Willkommen zu heißen… und gleichzeitig Jette ein bisschen zur Seite zu schieben. Es geht aber dabei wirklich nur um die Pole Position auf meinem Schoß. Ansonsten sitzen Jette und Leonie nämlich oft zusammen irgendwo rum, zum Beispiel auf der Fensterbank, oder sie futtern auch zusammen Jettes RentnerInnenfutter.

Leonie ist tatsächlich auch die einzige Katze, die ich aktiv zum Schmusen aufsuche. Sie freut sich dann immer sehr und haart mich in Sekundenschnell voll („Das hält jetzt wieder ein paar Stunden vor.“)

Alles in allem läuft es großartig mit den kleinen Tieren. Zum Glück. Es wäre schrecklich, wenn ich das Gefühl hätte, dass eins von ihnen hier nicht auf seine Kosten käme. Aber sie sind alle fröhlich und entspannt – und nur das zählt schließlich. Mepp.

PS: Dass Leo auf ihrem Smartphone eine Countdown-App mit dem Termin, zu dem mein Freund endlich zurückkommt, installiert hat, ist natürlich ein Gerücht. Keine Ahnung, wer das aufgebracht hat.

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