Warum Hospize auf Spenden angewiesen sind.

Nun habe ich schon drei Treffen der Trauergruppe moderiert und ich muss sagen: Es ist toll. Es macht mir Spaß, ich bin zwar vorher noch ein bisschen nervös, aber währenddessen kaum. Ich finde die Teilnehmerinnen an der Gruppe großartig, mutig und offen und bereit, Ideen zu entwickeln und Vorschläge auszuprobieren. Sie hören sich gegenseitig zu und nutzen jede Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Es läuft insgesamt ganz gut, glaube ich. Für mich auf jeden Fall.

Natürlich habe ich im Rahmen der Moderation auch Dinge zu tun, die mir nicht ganz so leicht fallen: Zum Beispiel Listen abhaken, Impfzertifikate und Textergebnisse überprüfen, Verspäteten hinterhertelefonieren. Und: Spenden erbitten. Die Teilnahme an der Trauergruppe erfolgt nämlich auf Spendenbasis, nicht zu einem Festpreis. Die TeilnehmerInnen werden zu Beginn (und immer mal wieder) darüber informiert, dass die gesamte Trauerarbeit des Hamburger Hospiz e. V. spendenfinanziert ist und was so eine Trauergruppe konkret kostet. Und sie werden gebeten, im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten einen für sie angemessenen Betrag zu spenden.

So weit, so nachvollziehbar. Und trotzdem fällt es mir, die ich als typische Hamburger Mittelschichtlerin ja verinnerlicht habe, dass man über Geld nicht mehr spricht als nötig, gar nicht so leicht, im Verlauf der Gruppentreffen das eine oder andere Mal darauf hinzuweisen, dass eine Spende erwünscht ist.

Und dabei ist mir, die ich ja in den letzten Jahren gierig alles gelesen, gefragt und erfahren habe, was es im Zusammenhang mit Hospiz- und Trauerarbeit zu lesen, fragen und erfahren gibt, ja sehr bewusst (anders vermutlich als der durchschnittlichen Hamburger Mittelschichtlerin), dass Spenden im hospizlichen Zusammenhang absolut kein Thema sind, über das nicht gesprochen werden darf. Im Gegenteil. Es darf, soll und muss sogar sehr viel darüber gesprochen werden.

Wussten Sie, dass ein Platz im Hospiz täglich zwischen 250 und 300 Euro kostet? Mindestens. Und dass davon nur 95% durch die (gesetzliche) Kranken- und Pflegeversicherung übernommen werden? Und dass die verbleibenden 5% nicht durch die*den Betroffene*n/Versicherte*n getragen werden, sondern vom Hospiz selbst bzw. seinem Träger?

Für Hospizgäste fällt kein Eigenanteil mehr an den durch ihren Aufenthalt entstehenden Kosten an. Das ist noch gar nicht so lange so, erst seit August 2009. Vorher wurde ihnen tatsächlich ein Teil der Kosten in Rechnung gestellt. Heute zahlen sie nur noch, klar, die üblichen Zuzahlungen für Medikamente und Hilfsmittel, sofern sie davon nicht befreit sind.

Wussten Sie zum Beispiel, dass im „Konzept Hospiz“, also in seiner strukturellen und gesetzlichen Verankerung in Gesellschaft und Gesundheitssystem sowie den Vorgaben zur Finanzierung, nicht – unter gar keinen Umständen nicht – vorgesehen ist, dass ein stationäres Hospiz kostendeckend oder gar wirtschaftlich erfolgreich arbeitet?

Für diese eigenartige und im deutschen Gesundheitssystem einmalige Richtlinie gibt es zwei oder vielleicht sogar drei wesentliche Begründungen:

  1. Der Tod, auch nicht das selbstbestimmte, würdevolle Sterben, das im Hospiz angestrebt wird, ist kein Geschäftsmodell und soll es auch nicht werden. Deswegen darf ein Hospiz zum Beispiel nicht mehr als 16 Zimmer haben – und das trotz eines Personalschlüssels, der fast dem einer Intensivstation entspricht. Obwohl im Hospiz keine abrechenbaren (und teuren) intensivmedizinischen Maßnahmen stattfinden. Damit ist das Erwirtschaften eines Profits eigentlich schon ausgeschlossen.
  2. Das „Konzept Hospiz“ ist auf Sichtbarkeit in der Gesellschaft angelegt. Es soll nicht still, heimlich und vor einem Großteil der Gesellschaft verborgen stattfinden. Das „Konzept Hospiz“ lebt von Öffentlichkeit, von Unterstützung, Anteilnahme und Beteiligung durch die Gesellschaft. Von Zeitspenden, also vor allem dem Ehrenamt (denn Sterbebegleitung ist nichts, wofür viel Spezialistentum notwendig ist), und Geldspenden, also in harter Währung. Aber auch – und das finde ich fast noch wichtiger – vom Wissen darum, dass es so etwas wie Hospiz und Palliativmedizin überhaupt gibt. Die Hospizbewegung ist eine Bewegung, die aus der Mitte der Gesellschaft entstanden ist, die dort sichtbar bleiben und auch dorthin zurückwirken muss. Sterben, Tod und Trauer sind – in meinen Augen – gar nicht mehr die Tabuthemen, die sie vor dreißig Jahren vielleicht noch waren. Es wird heutzutage doch ganz schön viel über das Sterben gesprochen, geschrieben, gesungen und gerungen. Die Sterbenden aber, die konkret sterbenden Menschen, die stehen noch immer sehr am Rande unserer Wahrnehmung. Wir halten Abstand von ihnen, wollen nicht zu viel von ihnen wissen – als wäre der Tod ansteckend oder so. Und dabei ist doch vollkommen klar, dass – ganz ohne dass wir uns irgendwo angesteckt hätten – auch wir eines Tages sterben werden. Und das führt schon zu Punkt 3.
  3. Ich bin fest davon überzeugt, dass es gut, hilfreich und heilsam für uns Menschen ist, wenn wir uns gelegentlich mit dem Tod befassen. Gedanklich und auch praktisch. Wenn wir nicht verstohlen die Straßenseite wechseln, um nicht unbeholfen „Herzliches Beileid!“ stammeln zu müssen. Wenn wir unsere alten und kranken Verwandten fragen können, wie sie sich das Sterben vorstellen und ob ihnen das Angst macht. Wenn wir nicht denken: Mir kann, mir darf das nicht passieren. Wenn wir unsere Eltern und Partner*innen bitten, ein Testament und eine Vorsorgevollmacht/Patientenverfügung aufzusetzen. Sie fragen, ob sie Wünsche für ihre Bestattung haben. Wenn wir jemandem Zeit und Raum geben, von seiner Trauer zu erzählen. Wenn wir merken: Es ist vielleicht gar nicht so entscheidend, keine Angst vor dem Sterben oder dem Tod zu haben. Viel wichtiger ist, nicht so viel Angst vor dem Leben zu haben.

Nicht so viel Angst vor dem Leben. Guter Satz, oder? Mir gefällt er ausgesprochen gut und ich spüre auch, dass es bei mir wirklich so ist: Seit ich weniger Hemmungen habe, den Tod in mein Leben zu lassen, bin ich viel weniger ängstlich und mutlos. Ich traue mir viel mehr zu und bin optimistischer geworden.

Ich glaube, wenn es gut läuft, traue ich mich sogar, die Teilnehmerinnen der Trauergruppe an ihre Spenden zu erinnern. Schließlich dienen diese Spenden einem guten Zweck, hinter dem ich voll und ganz stehe. Und es ist völlig okay, in diesem Zusammenhang über Geld zu reden.

Von Ihnen, also meinen LeserInnen, will ich im Moment übrigens kein Geld fürs Hospiz (die Betonung liegt hier natürlich auf „im Moment“). Stattdessen teile ich einen Teil meines Wissens mit Ihnen. Sie können damit natürlich etwas machen, Sie müssen aber nicht. Aber irgendwo in Ihrem Schädel abspeichern, wo Sie im Bedarfsfall rankommen, das wäre schon ganz gut. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Ihnen irgendwann einmal nützlich sein wird, ist groß. Sehr groß.

2 Kommentare

  1. Liebe Bettina,
    das du dich auf den Weg der ehrenamtlichen Hopizbegleiterin gemacht hast, beeindruckt mich, seitdem ich von dir das erste Mal las. Das du das einfach so machst und jetzt zu einrm großen Teil deines Lebenszweckes gemacht hast finde ich bewundernswert. Großartig, dasd du den Zugang dazu hast. Herzlichst Norma

  2. Liebe Bettina,
    Ich liebe alle Deine Texte, aber dieser ist besonders. Mein Vater ist Steinmetz, der eigentlich bis zur Rente nur Grabsteine gemacht hat. Der Tod war bei uns immer Thema. Meine Oma durfte daheim sterben. Weil die Familie es tragen konnte, und weil sie eine Patientenverfügung hatte. Es ist wichtig zu wissen, was die Lieben-was man selbst- möchte, wenn es ans Sterben geht. Und dass es dann möglich ist, dass es „gut“ läuft. Mit Ruhe, mit Zuwendung. Ich habe so großen Respekt vor Dir und Deiner Arbeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.