Sie kennen das: Entweder es ist nichts los in Ihrem Leben oder die Ereignisse überschlagen sich und Sie wissen gar nicht, für welche Verpflichtung Sie sich zuerst eine Ausrede überlegen sollen. Bei mir ist es so und fast noch schlimmer, denn bei mir stehen jetzt lauter Sachen an, die ich gerne machen möchte und nun unter einen Hut bekommen muss.
Ich hatte ja jetzt drei Monate lang ein vergleichsweise ruhiges Leben, weil ich keinen Hospizgast besucht habe. Nach der letzten langen Begleitung, die im Februar endete, fand ich eine Pause sehr angenehm. Dass diese Pause jetzt etwas länger dauerte als zunächst angedacht, liegt in der Natur der Dinge: Auch im Hospiz sind entweder 16 Gäste, die alle mindestens eine*n Ehrenamtliche*n möchten, oder 16 Gäste, die das auf gar keinen Fall wollen. Dazwischen gibt es nix.
Die Pause war ganz schön: Ich ging zur Zahnreinigung, zum Friseur, in ein Konzert und erlaubte mir tatsächlich zwei- oder dreimal einen freien Nachmittag, um einfach nur zu Hause zu sein. Und jetzt im April, als sich noch immer nichts tat mit einem potenziellen neuen Hospizgast, da war ich sogar so mutig, mich für nächste Woche zu einer zweitägigen Messe- und Kongressgeschichte in Bremen anzumelden, „Leben und Tod“.
Als ich mir bereits im letzten September das Wochenende für diese Messe frei tauschte, wusste ich natürlich noch nicht, dass ich zwischen den beiden Messetagen in Bremen nachts zurück nach Hamburg fahren würde, um die Katzen ordnungsgemäß mit ihrem Diabetiker-Futter vollzustopfen. Damals dachte ich noch, ich würde gemütlich bei meinem Freund in Bremen übernachten und die Katzen mit Franny, der Haustiernanny, alleine lassen. Nun ja, falsch gedacht. Jetzt kommt Franny am Freitag und am Samstag jeweils einmal tagsüber zum Füttern rum und nachts fahre ich trotzdem nach Hause.
Was an dieser ganzen Sache aber das eigentlich Besondere ist, dass ich mir einen ganzen Tag freinehme (also: mit meinen zahlreichen Überstunden verrechne), um die Veranstaltung zu besuchen. An einem Freitag. So etwas ist, seit ich meinen Job mache, also seit 1996, einmal vorgekommen – und das auch nur, weil meiner damaligen Chefin wegen akuter Ladehemmung nicht schnell genug ein Grund einfiel, um mir den Tag nicht geben zu müssen. Alle anderen Versuche meinerseits, auch mal einen Brückentag zu nehmen oder einen Ausgleichstag für jahrelang nicht genommene Brückentage, wurden abgeschmettert. Und für den einen Tag damals habe ich dann lange gebüßt, weil man meinen unbewachten Schreibtisch während meiner Abwesenheit so mit Arbeit vollschiss, dass ich wochenlang nicht mehr bis zu meinem Monitor gucken konnte.
So repressiv werden meine Versuche, neben der Arbeit auch ein Privatleben zu pflegen, heutzutage nicht mehr geahndet. Andere Zeiten, andere Vorgesetzte. Zum Glück. Aber trotzdem will ich selbstverständlich nicht, dass meine Kollegen unter meiner Abwesenheit leiden müssen, und versuche, alles Vorhersehbare zu sehen und abzuarbeiten, bevor ich am kommenden Freitagmorgen verschlafen in den Zug nach Bremen krieche.
Der Plan war also, die ersten vier Tage der Woche möglichst ohne Ablenkung und Unterbrechung voll zu arbeiten. Die Realität war, dass am Montag- und am Mittwochabend schon Termine in meinem Kalender standen. Die Partyeinladung für den Montag sagte ich ab, aber unseren Hospiz-Austauschabend am Mittwoch wollte ich gerne besuchen – gerade wenn ich gerade keinen Gast habe, ist es mir doch wichtig, Kontakt zu halten. Also gut, sagte ich mir, Mittwochabend. Aber sonst nix.
Klar, dass am Mittwoch dieser Woche mein Telefon klingelte, das Hospiz dran war und ich jetzt doch einen neuen Gast habe. Am Donnerstag habe ich meinen Antrittsbesuch gemacht, es lief fröhlich und entspannt und nun muss/darf ich wieder zweimal in der Woche früh Feierabend machen, um meinen Gast besuchen zu können. Ab übernächste Woche geht das problemlos und bis dahin müssen wir halt improvisieren.
Klar auch, dass die Interviewanfrage einer Frauenzeitschrift zum Thema „Wie freunde ich mich mit meinem Körper an“ ebenfalls jetzt kommen musste. Na gut, dachte ich, dann telefoniere ich eben am Montagabend mit der netten Journalistin und sage völlig unvorbereitet druckreife, geistreiche und originelle Dinge. Aber sonst nix.
Klar, dass die Frauenzeitschrift nun auch ein Foto von mir machen möchte. Offenbar sind meine Selfies im Maisfeld, mit Handtuchturban und/oder Katze vorm Gesicht nicht gut genug. Pah. Aber natürlich plane ich total gerne auch noch ein Fotoshooting in der Mittagspause ein. Dienstag oder Donnerstag ginge doch noch was. Kein Ding. Aber sonst nix.
Meinen neuen Gast besuche ich dann ja wohl am besten am Mittwoch direkt vor dem Austauschabend im Hospiz. Allerdings muss ich dann wohl doch den ganzen Nachmittag freinehmen, um vorher die Katzen zu füttern, denn sonst kann ich ja nicht bis halb neun oder länger wegbleiben. Aber sonst nix. Versprochen.
Das alles vor mich hinbrabbelnnd kam ich am Freitagabend nach Hause und fand dort die Aufforderung eines Tischlers, doch bitte am kommenden Donnerstag von zehn bis vierzehn Uhr anwesend zu sein, damit er meine Fenster ausmessen kann. Juhu. So langsam brauche ich ein Double, glaube ich, das ich ab und zu für ein paar Stunden ins Büro schicken kann. Aber sonst nix.
Falls Ihnen bei Twitter was merkwürdig vorkommt, liegt das vermutlich daran, dass ich den Account in dieser Woche den Katzen übergeben werde. Die machen das schon. Vielleicht auch das Interview. Und den Tischler. Ihr Zeitmanagement ist ja so viel besser als meins. Sie müssen nämlich hauptsächlich essen. Und rumliegen. Und sonst nix.