Winterfell für alle oder: Energiekrise am Morgen

8 Uhr. Der Wecker klingelt. Er klingt verschnupft, was mir eigenartig vorkommt, denn ich habe ja gar keinen Wecker, sondern ein Smartphone, das freundlicherweise zur verabredeten Zeit für mich Cello spielt. Ich denke im Aufwachen noch darüber nach, ob so ein Cello-mp3 verschnupft klingen kann oder irgendwie weniger warm als sonst, da fällt es mir wieder ein: Wir sparen ja Energie. Die Heizung ist aus, dem Cello ist kalt. Oder dem Smartphone. Und mir.

Ob dem kleinen Grizzly, der hoffnungsvoll auf der Bettkante herumtrippelt, um mich zum Aufstehen zu ermutigen, auch kalt ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Bei näherer Betrachtung ist es auch gar kein Grizzly, sondern Frl. Leonie Mau. Die aber heute Morgen bedeutend flauschiger und puscheliger aussieht als gestern beim Schlafengehen, was wohl bedeutet, dass ihr Winterfell über Nacht weiter gewachsen ist.

Auch Frl. Lotti Miez, die wie immer um diese Zeit im Flur liegt und mit einer lässigen orange-weißen Pfote in Richtung Küche deutet, wirkt eher noch fülliger äh flauschiger als sonst. Interessanterweise bekommen die beiden Schwestern seit Tagen Winterfell, verlieren aber ihr Sommerfell nicht. Jedenfalls nicht auf dem Sofa und meinem schwarzen Pulli, so wie sonst immer. Vermutlich wollen sie es einfach behalten für den Fall, dass es noch kälter wird.

Ich bin ein bisschen neidisch, denn mein Winterfell wächst nur sehr zögerlich und vor allem an den falschen Stellen. Ich meine, was soll ich denn mit Fell am Kinn oder in den Ohren? Meine Füße sind kalt!

Nachdem ich den flauschigen Fräuleins ihr Frühstückstütchen verabreicht habe (das auch ohne Aufbewahrung im Kühlschrank gut gekühlt daherkommt, wahrscheinlich werden wir es demnächst vor dem Essen aufwärmen müssen), gehe ich ins Badezimmer. Duschen ist morgens sowieso immer ein Angang für mich, die Temperaturen im knapp zweistelligen Bereich im Bad machen es nicht besser.

Während ich mich einseife und mit knapp körperwarmem Wasser abspüle, fällt mir wieder ein, dass ich noch Legionellen googeln wollte, so wie jeden Morgen. Und wie jeden Morgen werde ich das wieder vergessen haben, sobald ich trocken bin und ein Smartphone in der Hand halte. Na ja, wird schon nicht so wichtig sein.

Ich trockne mich ab, mit einem noch etwas klammen Handtuch, das zwar seit gestern zum Trocknen auf der Leine hing, aber irgendwo in diesem Prozess offenbar die Energie zum Weitermachen verloren hat.

Während ich in der Küche mit Kaffee und Katzenklo beschäftigt bin, höre ich Gepolter aus dem Wohnzimmer und sehe aus dem Augenwinkel eine Katze mit einer Wärmflasche in der Pfote an mir vorbeieilen. Merkwürdig? Ach was. Ein bisschen wie bei Alice im Wunderland vielleicht, aber kühler.

Ob ich in der Küche kurz das Fenster aufmache? Das würde sicherlich gegen den Geruch des Katzenklos und des Mülleimers helfen, aber andererseits dazu führen, dass es im Kühlschrank wärmer ist als im Rest der Küche. Und das wiederum zieht immer so viele Umräumarbeiten im Lebensmittelbereich nach sich. Ich entscheide mich dagegen, habe ja auch erst letzte Woche gelüftet.

Mit Mühe widerstehe ich dem Drang, einfach den kochendheißen Espressomaker eine Weile in meinen zitternden Fingern zu halten und die Wärme in mich aufzunehmen. Die Brandblasen von vorgestern sind noch sichtbar und meine Vernunft siegt – aber es ist schon schade um die schöne Wärme! Immerhin ist der Kaffeebecher auch schön warm, ich werde ihn in der nächsten Viertelstunde keinesfalls loslassen.

Im Wohnzimmer sehe ich zunächst Frl. Leonie Mau, die auf dem Schreibtisch sitzt und aus einem Bettlaken ein Transparent bastelt: Sie malt nämlich mit meinem Lippenstift (den ich ja, seit ich in der Öffentlichkeit fast immer eine Maske trage, sowieso nicht mehr benutze) in großen Buchstaben den Slogan „Katzen gegen Energiesparen!“ auf den weißen Stoff. Eigentlich will ich ihr sagen, dass ich sie mit diesem Transparent nicht auf die Straße lassen werde, aber das entfällt mir wieder, als ich sehe, wie gut ihr mein Kapuzenpulli mit den türkisen Streifen und die Kombination aus Pudelmütze und Schal stehen.

Anmerkung von Leo: Ich wollte sowieso nicht auf die Straße mit dem Transparent. Da ist es nicht nur kalt, sondern regnet auch noch. Aber ich hänge es nachher vom Balkon, so dass es alle lesen können.

Auf dem Sofa balanciert Frl. Lotte Miez auf einem riesigen Stapel Kuscheldecken. Auf Nachfrage bestätigt sie, dass sie selbstverständlich alle verfügbaren Decken benötigt, weil die Kälte ja von unten kommt. Und ob ich ihr bitte die Wärmflasche anreichen könnte, die sie unten vergessen hat. Und wo die selbstwärmende Kuschelmatte im Fake-Lamm-Design bleibt, die sie bestellt hat.

Ich finde an der Garderobe im Flur einen vergessenen Baumwollschal, den ich mir um die verfrorenen Schultern lege: Besser als nichts. Dann setze ich mich aufs Sofa, lehne mich vorsichtig an Lottis Deckenstapel und schlürfe den herrlich heißen Kaffee aus dem angewärmten Kaffeebecher.

Ein Blick in die Wetter-App bestätigt meine Befürchtungen: Der Sommer kommt nicht zurück. Das Wetter wird so bleiben, wie es gerade ist, oder noch ungemütlicher werden. In die Nachrichten-App schaue ich lieber gar nicht erst; irgendwie sinkt hier jedes Mal, wenn ich das Wort „Energieknappheit“ lese, die Raumtemperatur gefühlt um ein weiteres Grad. Das Thermometer kann das leider nicht bestätigen, es ist schon letzte Woche eingefroren.

Egal, wir wollen ja auch nach vorne schauen. Es ist Anfang Oktober, das heißt: Der Herbst hat gerade erst begonnen. Er wird also noch eine Weile dauern, bevor dann der Winter kommt und eventuell noch viel mehr Kälte mitbringt, Eis und Schnee. Seufz. Was wollte ich noch googeln? Ob es die selbsterwärmenden Matten auch in meiner Größe gibt? Kuscheldecken mit Armen und Fußtaschen?

Haben wir im Sommer wirklich gemeckert, weil es zu warm war? Wie surreal das in der Rückschau erscheint. Und warum haben wir die überschüssige Wärme nicht irgendwie eingetuppert? Mein Hirn meldet, dass es zu kalt zum Denken sei. Okay, bloß keine Energie vergeuden. Ich muss sowieso ins Büro. Also: Schnell alles anziehen, was die Katzen noch nicht angezogen haben, und los.

2 Kommentare

  1. Also, ich habe mir eine Heizdecke in Form eines Capes gekauft. Für Rücken, Arme (man kann Ärmel knöpfen) und für vorne. Rumlaufen kann man nicht, man hängt ja quasi an der Steckdose. Aber ich kann auf dem Sofa sitzen, TV gucken oder am Laptop rummachen oder lesen. Der erste Test war vielversprechend.

    Das Dings verbraucht natürlich deutlich weniger Strom als meine doofen Nachtspeicher (es ist wie es ist). Wenn mein Plan aufgeht, muss ich an kalten Tagen die Heizkörper nicht mehr bis zum Anschlag aufladen lassen, damit sie nachts bis zum nächsten Ladezyklus noch einigermaßen Wärme abgeben (Ich merke an, ich bin ein Nachtmensch).
    Diese Zeit zwischen nicht mehr und noch nicht wieder warm, wird demnächst das Heizdeckchen übernehmen.
    Ich finde, das hört sich sehr durchdacht an. Also, dass es reichen muss, mich zu wärmen und nicht den kompletten offenen Wohnbereich.
    Ich werde allerdings den Spanier daran erinnen müssen, dass er Fell hat.

    Nachträglich noch allerliebste Glückwünsche zum wohlverdienten ‚Zerddifikod` mit dem beeindruckendem Titel.
    FF+Pepe

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