Das war so eine Woche, in der – meine Interpretation – Frl. Leonie Mau den Fritzekater gerne mit einem One-Way-Ticket nach Rumänien zurückgeschickt hätte. Oder wenigstens nach Wilhelmshaven in seine ehemalige Pflegestelle. Falls da nichts mehr frei ist, dann eben in ein Hamburger Tierheim. Irgendwohin eben, Hauptsache raus aus ihrer Wohnung.
Fritty McFrittface kann nämlich ein ziemliches Arschloch sein, sagt Leo. Nicht dass sie grundsätzlich was gegen ihn hätte, natürlich nicht, aber wenn er mehrmals täglich über sie herfällt, um sie zum Spielen aufzufordern, obwohl er genau weiß, dass sie so grobe Einladungen unmöglich findet, dann ist das eine Unverschämtheit, sagt Leo. Und was das überhaupt für komische Spiele seien, die er mit ihr spielen will? Im Kreis rennen, bis man von einer Wand abprallt? Mit Anlauf gegen die Balkontür springen? Die Staubmäuse unterm Bett jagen und zwar so, dass das Bett hinterher in einem anderen Zimmer steht?
Kommt alles nicht für sie in Frage, sagt Leo. Sie kann Mensch ärgere dich nicht und Mau-Mau und selbstverständlich auch verschiedene Ballspiele, die sie aber auf sehr damenhafte Weise spielt, also ohne Beulen am Kopf und Blutflecken an den Wänden.
Die sind aber langweilig, heult Frittbert, lautstark. Ein bisschen Blut schadet doch nicht und riecht lecker. Und Beulen heilen doch auch wieder ab. Und das ist doch alles nur Spaß.
Leo sagt dazu nichts, sondern feilt in aller Ruhe weiter ihre Krallen scharf und putzt ihre Zähne. Dass sie Zähne hat und Fritte nicht, das findet sie ziemlich in Ordnung. Und dass ich, nachdem Fritte auf mir auch mehrfach blutige Spuren hinterlassen hat, ihm die Krallen kürze und entschärfe. Es tut trotzdem ganz schön weh, wenn er mir mit ausgefahrenen Krallen auf die nackten Oberschenkel springt, nur weil ich ein Ladekabel in der Hand halte, ein Käsebrötchen oder ein Brillenetui oder irgendwas das aussieht, als könne man es jagen/fangen/erlegen (und die dicke freundliche Frau gleich mit).
In solchen Momenten könnte ich den kleinen Gangster auch auf den Mond schießen. Er versteht das immer gar nicht, wenn ich vor Schmerz schreie und ihn dann frage, ob es denn noch geht.
„Ja, bestens“, sagt er dann, „danke der Nachfrage. Ich wünschte nur, es würde jemand mit mir spielen.“
Vielleicht baue ich den Vogel am Gummiband, den man in den Türrahmen hängen kann, doch wieder an, auch wenn Fritte mit dem immer so wild spielt, dass er regelmäßig volle Kanne gegen die Tür oder eine Wand brettert und ich immer denke, dass ich den armen alten Kater da vielleicht vor sich selbst beschützen muss. Der humpelt dann manchmal einen halben Tag lang, aber das hält ihn nicht von weiteren Aktivitäten ab. Ein ganzer Kerl eben, der Fritte.
Und immer noch besser, er macht sich selbst blaue Flecken als Leo oder mir. Sagt Leo und ich bin geneigt, ihr zuzustimmen. Vielleicht baue ich den Vogel also nachher wieder an.
Vielleicht sollte ich mit Fritte auch mal auf den Hundeplatz zum Spielen oder – noch besser – ihn dem großen freundlichen Mann und dem kleinen freundlichen Mann mitgeben, wenn sie auf den Hundeplatz gehen.
Oh ja, sagt Leo, das ist eine gute Idee. Und: In Bremen soll es ja sehr schöne Hundeplätze geben.
Aber wenn Fritte bei Sean in Bremen einzieht, dann bist du wieder den ganzen Tag alleine, sage ich. Und das gefällt dir dann auch nicht.
Och…, sagt Leo, sag das nicht. Und wenn es mir wirklich zu langweilig wird, dann kann ich Fritte und Sean ja anrufen und ihnen per Videocall beim Spielen zugucken. Und am Wochenende kommt uns die Männer-WG dann besuchen. Zwei Tage mit den beiden Quatschköppen halte ich aus.
Aber ich kann mich noch gut an die sechs Wochen vor Frittes Einzug erinnern, in denen Leo wirklich sehr einsam war, wenn ich den ganzen Tag unterwegs sein musste. Das möchte ich ihr nicht noch einmal zumuten. Den Kummerspeck, den sie sich in dieser Zeit angefuttert hat, hat sie noch nicht ganz wieder abgeworfen – das gute angereicherte Seniorenfutter schmeckt einfach besser als die Diätvariante. Und auch wenn Fritti ihr oft auf die Nerven geht, so habe ich doch nicht den Eindruck, dass sie sich langweilt oder sonst irgendwie unglücklich wäre. Da ich nie, wirklich nie Kampfspuren in der Wohnung finde, wenn ich abends nach Hause komme, gehe ich auch davon aus, dass die beiden sich meistens vor allem um mich und meine Aufmerksamkeit streiten. Und wenn ich nicht da bin, sitzen sie vielleicht ganz sittsam auf dem Sofa und spielen Mensch ärgere dich nicht. Natürlich um Geld, aber das ist ja völlig in Ordnung.
Wenn der Fritzekater schläft, dann ist er übrigens ziemlich süß, das gibt sogar Leo zu. Völlig entspannt und selbstvergessen, egal was um ihn herum gerade los ist. Eigentlich sieht er dabei so harmlos aus, dass man ihm unbedingt mit Edding einen Penis auf die Stirn malen müsste, sagt Leo. Eines Tages wird sie sich das trauen und wenn der Fritti so weitermacht, dann sogar ziemlich bald. Und sie hat schon mal – rein prophylaktisch – immer einen Edding in der Bauchtasche dabei. Schließlich ist das doch alles nur Spaß.
Ich bin gespannt, sehr gespannt.
Herzliche Grüße an die beiden Fellnasen.
Andrea