Aufräumen. Im Innen wie im Außen.

Neulich, zum Geburtstag, habe ich viele tolle Geschenke bekommen. Mein Freund zum Beispiel fuhr mit mir zu Ikea und ich durfte mir so viele schöne Sachen aussuchen, wie ich nach Hause tragen konnte. Das war echt super. Ich habe zwar ziemlich gestöhnt und geschwitzt unter den zwei Paketen Servietten, den acht Duftkerzen und dem Kissenbezug, aber das war es wert. Was ich bei Ikea nicht fand und deshalb auch nicht tragen musste, war schönes neues Geschirr. Das kaufte ich mir dann später online bei einem italienischen Hersteller.

Neues Geschirr hatte ich mir schon länger gewünscht, das alte, unvollständige Fürstenberg-Schlossgarten-Service, das ich vor fünfzehn Jahren von meiner damaligen Chefin geschenkt bekam, gefällt mir inzwischen überhaupt nicht mehr. Gefunden hatte ich keins, bisher, jedenfalls keins, das mir in Form, Material und Farbe gefiel… und auch noch bezahlbar wäre. Außerdem – und das ist fast das größere Problem – habe ich mir schon vor einiger Zeit fest vorgenommen, keine Anschaffungen mehr zu tätigen und nichts Neues in die Wohnung zu bringen, wenn ich nicht gleichzeitig etwas Altes loswerde. Egal ob über ebay, Flohmarkt oder die Müllabfuhr: Ich will nicht noch mehr Besitz anhäufen.

Das klappt so mittel. Am besten vielleicht noch bei Lebensmitteln. Wenn ich am Wochenende für die kommende Woche einkaufe, werfe ich meistens alles, was im Kühlschrank steht und nicht mehr essbar aussieht, weg. Meistens. Bei Pfandflaschen ist es schon schwieriger, weil Bierflaschen einfach furchtbar schwer sind und so wenig Pfand dabei rumkommt. Bei Klamotten bemühe ich mich immerhin um Konsequenz („Für jedes Teil, das in den Schrank hineinwandert, fliegt auch eins raus!“), was dazu führt, dass alle in den letzten zwei Jahren angeschafften Klamotten draußen vor dem Schrank hängen. Bei Einrichtungsgegenständen und Möbeln scheitern sowohl Neuanschaffung sowohl die Entsorgung von Altware am Gewicht und daran, dass ich nicht wirklich viel tragen kann.

Machen wir uns nichts vor: Wenn mein normaler Hausmüll nicht immer so stinken würde, hätte ich tausend Ausreden parat, ihn nicht runterbringen zu müssen.

Aber das ist ein anderes Problem. Zurück zum Thema: Ich bestellte Geschirr. Klugerweise ins Büro, so dass ich einen großen Teil der Verpackungsmaterialien direkt dort entsorgen konnte (ein anderer großer Teil verstopft jetzt meinen Materialschrank). Das Geschirr ist wunderschön und ich freue mich sehr darüber.

Das alte Geschirr steht noch zu Hause im Schrank. Ich muss mich jetzt entscheiden, ob ich mir die Mühe machen will, es für eine Weile über ebay Kleinanzeigen anzubieten, oder ob ich es gleich wegwerfe. Auf jeden Fall muss es weg, und das möglichst bald.

Neben dem Vitrinenschrank im Wohnzimmer steht ein kleines Sofa, das man zum Schlafen ausklappen kann. Man schläft aber nicht besonders gut darauf, Sitzen ist auch nicht gemütlich und außerdem ist es voller Katzenhaare. Da mein auf dem neuen Sofa ganz gut liegen kann, ist das kleine alte Sofa eigentlich komplett überflüssig. Vielleicht passt es sogar in den VW Lupo meines Freundes. Wir müssten es dringend mal vermessen, dann könnte es schon bald auf den Recyclinghof. Der Vitrinenschrank gefällt mir eigentlich auch nicht mehr, aber darin wohnen ja auch die von meiner Oma geerbten Sammeltassen. Von denen kann ich mich noch nicht trennen, glaube ich, auch wenn ich sie niemals benutze.

Links von dem kleinen überflüssigen Sofa steht das völlig vollgestopfte Bücherregal. Ich habe zwar in den letzten Jahren schon vereinzelte Bücher in Verschenkschränke gebracht und auch weggeworfen, insgesamt trenne ich mich aber noch schwer von Büchern. Schließlich habe ich mich über fast alle irgendwann mal, beim Kaufen oder beim Lesen oder beim Kaufen und beim Lesen, sehr gefreut. Ähnlich ist es mit CDs und DVDs. Selbst eine VHS-Cassetten stehen noch im Regal.

Ich muss diesen ganzen Kram irgendwann mal – bald! – in den Griff bekommen und radikal aussortieren! Schließlich möchte ich mich nicht mit immer mehr und noch mehr eigentlich bedeutungslosen Dingen, zu deren Entsorgung ich mich nur leider nicht aufraffen konnte, umgeben. Noch weniger möchte ich, dass irgendwann jemand anderes diese Ansammlungen und Überreste meines irdischen Seins für mich entrümpeln muss.

Natürlich hat auch die Tatsache, dass mein Bruder und ich (also hauptsächlich mein Bruder) ja derzeit viel Spaß mit der Wohnung unserer Mutter haben. Im Moment sind wir noch hauptsächlich damit beschäftigt, unsere Mutter dazu zu bringen, sich die Sachen auszusuchen, die sie auch im Seniorenheim noch benötigt und um sich haben möchte. Dann aber müssen wir den Rest des Hausrats loswerden. Kurze Rückblende: Erst vor zwei Jahren ist meine Mutter vom Haus in die kleinere Wohnung umgezogen, auch das war keine Kleinigkeit. Immerhin sind alle Dokumente mittlerweile sortiert und bei mir, so dass wir nun sehr viele Kartons meiner Mutter auch einfach unbesehen wegwerfen können. Hoffe ich wenigstens.

Jedenfalls möchte ich nicht, dass irgendjemand meinetwegen irgendwann so viel Nervkram durchleben muss. Falls ich mal plötzlich sterben oder nicht mehr in der Lage sein sollte, meine Angelegenheiten selbst zu regeln oder die Regelung zumindest zu überwachen, dann möchte ich nicht, dass jemand deswegen mehr Mühe als notwendig hat.

Ich habe keine Kinder. Beerben wird mich also entweder mein ebenfalls kinderloser Freund oder mein Bruder bzw. dessen Tochter. Nicht, dass es viel zu erben gäbe. Momentan würde ich an wichtigen Erbstücken auflisten: Zwei Katzen. Einen Twitteraccount. Etwas Geld auf dem Sparkonto. Und vielleicht das neue Geschirr.

Der ganze Rest? Kann weg. Wer außer mir braucht denn Jeans in siebzehn verschiedenen Übergrößen und hundert schwarze T-Shirts mit Krallenlöchern? Wen außer mir interessiert denn noch, wie großartig es war, als ich 1993, in einem Antiquariat im englischen Falmouth, eine Taschenbuchausgabe von Robert Shaws Roman „The Hiding Place“ von 1960 fand, nach der ich jahrelang gesucht hatte? Für wen haben zwei Kaffeebecher aus Stettin, eine staubige Stoffkatze namens Fra Diavolo, mein erster Vibrator oder meine ersten Schreibversuche auf Schulheftseiten und in Ringbüchern denn irgendeine Bedeutung?

Vieles von diesem ganzen Zeug kann weg. Oder in den großen Karton, auf den dann der Aufkleber „Nach meinem Tod (oder wenn ich blöd im Kopp bin) unbesehen wegwerfen bitte!“ kommt. Diesen Karton finde ich eine sehr gute Idee, die Anregung stammt von der schwedischen Dame, die den neuen Trend „Death Cleaning“ erfunden hat. Eigentlich bin ich ja nicht so ein Fan von Trends und außerdem bin ich auch viel zu faul, aber:

Als wer oder was möchte ich wahrgenommen und später vielleicht erinnert werden? Möchte ich, dass mein Erbe mich noch posthum hasst, weil er Stunden, Tage und Wochen damit zubringen musste, meine Mitgliedschaften bei obskuren Vereinen zu kündigen, völlig überflüssige Newsletter abzubestellen, vergammeltes Gemüse aus meinem Kühlschrank zu räumen, durchgescheuerte Jeans in fünfundzwanzig verschiedenen Größen aus meinem Schrank zu zerren und mein Twitter-Passwort auszukundschaften, damit endlich das Smartphone aufhört zu vibrieren?

Außerdem: Ist es nicht vielleicht auch für mein Leben, das jetzige wie auch das zukünftige, ganz gut, wenn ich mich und das, was zu mir gehört, ein bisschen sortiere? Mich von Verbrauchten, unwichtig Gewordenem verabschiede, Neuem oder der Hoffnung auf Neues Raum gebe? Auch im Außen anerkenne und manifestiere, dass ich mich im Innen weiterentwickle?

Sind vielleicht Dinge, die mir einst wichtig waren, es heute aber nicht mehr sind und die ich aus Faulheit und/oder Pietät aufbewahre, gar nicht die „Summe meines Lebens“? Trage ich diese oder zumindest ihre Essenz nicht möglicherweise doch in mir und zeigt sie sich nicht viel mehr in meinen Interaktionen und Kommunikationen als in Regalen und Kartons mit verstaubten Erinnerungsstücken?

Eigentlich gefällt mir mein „Selbstbild als die mit den Katzen, dem in Ehren ergrauten Twitteraccount, die sich neues Geschirr kaufte und dafür ein paar Jeans in die Altkleidersammlung steckte, weil Ballast ansammeln nicht ihr Ding war“ doch ganz gut. Ich bin zwar noch ein paar Lichtjahre davon entfernt, aber man braucht ja auch Ziele, nicht wahr?

Also: Falls Sie Interesse an altem Geschirr, durchgescheuerten Jeans oder CDs mit klassischer Musik haben sollten: Sagen Sie was – und schnell. Sonst ist der Kram weg. Hoffentlich.

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Also, ich finde das neue Geschirr schön.

 

13 Kommentare

  1. Hallo! Es ist schwer, sich zu trennen. Bücher – sowas wirft man doch nicht weg! Dachte ich lange. Bis sie einfach nur noch Platz wegnahmen. Einstaubten. Eben KEIN zweites Mal gelesen wurden. Und so habe ich sie entsorgt. Es war ein Kampf bis dahin, aber ich habe es nicht bereut.

    Dieses Death Cleaning – seltsam, wenn jemand sowas zu einem Trend macht, was mir seit geraumer Zeit selbst durch den Schädel wabert: was, wenn ich sterbe? Wer soll sich dann durch all das durchwühlen?

    Hier, an meinem Wohnort, ist es um Sperrmüll schlecht bestellt. Eher bringt man das Zeug samstags zur Entsorgungsstelle; aber die ist teuer. Dennoch: auch diesen Widerwillen habe ich überwunden. Häppchenweise trage ich unnütz gewordenes Zeug in den Kofferraum, und nach ein paar Tagen, wenn der Wagen voll ist, wird die Fuhre weggebracht. Etwas Mühe, etwas Geldausgabe – aber dafür zu Hause durchatmen können. Das Außen wie auch das Innen werden übersichtlicher, pflegeleichter, unbeschwerter.

    Übrigens: auch ich habe bergeweise Kleidung in unterschiedlichen Größen. Und ich kann mir nicht merken, was aktuell passt. Da sollte ich mal sortieren….

    1. Das mit dem Sammeln im Kofferraum ist natürlich super. Leider war mein Auto so ziemlich das erste, wovon ich mich getrennt habe… Zum Glück ist mein Freund Autobesitzer und sehr hilfreich. Wann welche Klamotten passen und warum möglicherweise auch nicht, ist ein Mysterium. Und vielleicht sogar ein Thema für einen weiteren Blogpost. Danke dir für deine Gedanken. <3

  2. Ich habe mir vor ein paar Wochen zum Geburtstag einen Termin mit einer Aufräumcoachin geschenkt. Wichtig war mir bei dem Termin, halbwegs gut sortierten Papierkram aus alten Ringordnern und völlig unsortierten Papierkram aus alten Kisten loszuwerden. Es war ein guter Termin, die Coachin sachlich, effektiv und sympathisch, und ich habe besagten Bereich auf ca. ein Drittel des vorigen Volumens verkleinert – zum Glück war die Papiertonne im Hof gerade ziemlich leer. Interessant für mich war, was der Termin ausgelöst hat: dass ich seitdem – unregelmäßig und in kleinerem Maßstab – auch andere Bereiche meiner Wohnung angehe und durchsortiere und eher in der Lage bin, mich von Sachen zu trennen. Die innere Haltung ist dann auch der vor einem Umzug, vor dem man sich ja auch viel leichter von Sachen trennt als sonst. Es gibt in Berlin mehrere solcher Aufräumleute, ich bin schlicht nach Sympathie gegangen und bei http://www.aufraeumcoach-berlin.de/index.htm gelandet, in Hamburg gibt es bestimmt auch welche. Und für mich war es bestimmt nicht der letzte Termin, den ich bei ihr gemacht habe, auch wenn ich jetzt erstmal alleine weiterwurschtele.

      1. Ich habe mir mehrere Webseiten angeschaut – und dann nach Sympathie entschieden. Allerdings habe ich etwas „Gewöhnung“, weil ich schon seit über 2 Jahrzehnten einen „Aufräumpakt“ mit einer Freundin habe, die ähnlich kramig/unordentlich wie ich ist. Wir haben uns gegenseitig bei so Sachen wie Kellerausmisten, Zimmer umräumen (und dabei etwas ausmisten), packen für Umzug etc. unterstützt. Den Papierkram wollte ich ihr nicht zumuten, und wir sind auch nicht immer effektiv, weil wir uns auch verquatschen beim Pause machen usw.
        Mit das erste, was die Aufräumcoachin zu mir sagte (freundlich und sachlich): „Wissen Sie, ich habe schon alles gesehen. Und ich vergesse sofort alles wieder, es ist für mich nicht wichtig.“ Und das konnte ich ihr gut glauben. Es waren auch einige Sachen dabei, die mir peinlich waren – ungeöffnete Post z.B. Aber die Erleichterung, wenn man sich dann damit auseinandergesetzt hat, mit dieser Unterstützung!
        Und die Entscheidung, was wegkommt und was nicht, die trifft man immer noch selbst. Die Coachin hat in meinem Fall Anleitung und Anregungen gegeben, mitsortiert, mich bei der Sache gehalten…

  3. Über Dinge, die man aus Ungeduldsgründen nicht bei ebay einstellen will (ich habe mir immer eine Frist gesetzt – was nach einer Woche nicht weg ist, kommt eben anders weg. Hauptsache raus.), freuen sich oftmals Sozialkaufhäuser. Das bringt Dir zwar kein Geld, anderen vielleicht eine Freude oder einfach etwas Benötigtes und Du bist es los.
    Bei Möbeln kommen oftmals die Mitarbeiter solcher Läden auch in Haus und holen die Sachen ab. Also wieder wenig Arbeit für Dich und ein Gewinn für alle Seiten.

    Nur die Entscheidung, was weg kann/darf/soll/muss – die kann Dir wohl keiner abnehmen.

    In diesem Sinne,
    sonnige Grüße
    Nicole

  4. WIE HEiSST DAS GESCHIRR UND WO GIBTS DAS???
    Ich suche seit Jahren allerdringendst genau so was!

    Ich sortiere übrigens seit fünf Jahren das Erbe meiner Ma, der Königin des Hortens (kein Messie, ein ganzes Haus voller hochwertiger Antiquitäten etc.) es ist schier zum verzweifeln.

    Liebe Grüße,
    Juli

  5. Also die Sammeltassen die ich von meinen Großeltern geerbt habe, stehen öde/schnöde beim restlichen Geschirr und werden benutzt. Oft für einen Nachmittagstee, gerne im Advent. Sieht ziemlich schnöselig aus, zB kobaltblaue Tasse eher Tässchen mit üppigem Goldrand, zaubert mir dann aber doch jedesmal ein Ginsen ins Gesicht.
    Und die von der Nachbarin geerbten Goldrandteller und -schüsseln beherbergen schon mal Kartoffel- oder Obstsalat, werden also auch nicht für `Gut` aufgehoben.
    Was ich sagen will: Benutzen oder weg – radikal – gilt für alles im Leben! (Geschirr, Bücher…Kerle…)

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