Ehe für alle (die Romantikscheiße wollen).

Natürlich freue ich mich darüber, dass der Bundestag am Freitag die Gesetzesänderung zur Einführung der Ehe für alle beschlossen hat. Schon fast mein ganzes Leben lang habe ich mit gleichgeschlechtlichen Paaren zu tun; bei vielen dieser Paare gab und gibt es so viel Liebe, Zugewandtheit, Verantwortungsbewusstsein und Beständigkeit, dass es auch noch für eine ganze Reihe nicht ganz so harmonisch operierender unterschiedlichgeschlechtlicher Paare im Umfeld durchaus gereicht hätte.

Ich freue mich für alle Menschen, die sich mit ihrer eingetragenen Lebenspartnerschaft bisher als Verheiratete zweiter Klasse gefühlt haben – auch wenn sie jetzt noch einmal zusammen zum Standesamt müssen, um dort zu erklären, ab sofort in einer gleichgeschlechtlichen Ehe leben zu wollen. Ich freue mich für die Paare, die sich mit ihrer eingetragenen Partnerschaft verheiratet genug fühlen und die darauf verzichten können, die aber darauf vertrauen, dass in nicht allzu ferner Zukunft auch diese Begrifflichkeiten keine Rolle spielen werden. Ich freue mich für die Paare, die nun gemeinsam ein Kind adoptieren dürfen statt irgendwelche Workarounds zu finden. Ich freue mich für alle, für die diese kleine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch (7 Wörter) einen großen Schritt zur Gleichstellung und grundsätzlichen Anerkennung darstellt.

Klar finde ich es prima, dass Angela Merkel nach langem Zaudern die  Abgeordneten im Bundestag vom Fraktionszwang befreit hat und sich bei der Abstimmung so jeder nach seinem eigenen Gewissen richten konnte. Da groß und breit „Gewissensentscheidung“ über der ganzen Angelegenheit steht, ist mein Eindruck, dass das persönliche Nein von Frau Merkel zur Ehe für alle auch ein bisschen mit Trotz zu tun hat, sicherlich ganz unrichtig. Sie bleibt sich im Grundsatz eben doch treu, auch wenn sie sich der notwendigen Wahlkampfmaßnahme „Jeder stimmt ab, wie er will, und dann wird schon das objektiv Richtige passieren“ nicht verschließen konnte und wollte.

Mit der längst fälligen Ehe für alle wird vielen Menschen etwas gegeben und niemandem etwas weggenommen. So weit, so gut. Ich find’s super.

Was aber nun ist mit denen von uns, die in einer stabilen, verantwortungsvollen, fürsorgenden, unbefristeten Partnerschaft – egal ob gleichgeschlechtlich oder nicht –  leben, die aber nicht heiraten können oder wollen? Aus privaten und persönlichen Gründen, die den Staat überhaupt nichts angehen? Den Staat, der ein unverheiratetes Paar deutlich benachteiligt im Hinblick auf z. B. Adoption, Steuer, Versicherung oder Erbrecht? Der uns aber latent ständig damit bedroht, uns als Bedarfsgemeinschaft im sozialrechtlichen Sinne zu betrachten und entsprechend sozialstaatliche Leistungen zu kürzen?

Natürlich, ein Paar, das sich hier gleiche Rechte und Pflichten wünscht, könnte zum Erlangen dieser Privilegien ja heiraten (und ab sofort eben auch das gleichgeschlechtliche Paar). Schön, aber möchte der Staat das wirklich? Paare, die aus rein praktischen  – um nicht zu sagen: finanziellen – Gründen heiraten? Und die Kirche? Darf die das überhaupt wollen? Irgendjemand muss doch noch glauben, dass die Ehe über Steuerklassen, Adoptionsrechte, Unterhaltspflichten und größere Freibeträge im Erbfall hinaus eine Bedeutung hat? Oder?

Es sieht nicht so aus, als ob ich in diesem Leben noch irgendwann heiraten würde (ich habe immerhin schon Katzen adoptiert, das macht mich ja wohl seriös genug). Aber falls es doch dazu kommen sollte, dann doch bitte aus privat-persönlich-romantischen Gründen, weil mein Partner und ich unserer faktisch bestehenden und funktionierenden Partnerschaft einen gänzlich unpraktischen, luxuriösen, symbol- und ritualträchtigen, weithin leuchtenden Überbau verpassen wollen!

Allen Mitmenschen, die die Ehe für sich und ihre Partnerin/ihren Partner wollen, vielleicht schon seit langer Zeit, und jetzt endlich heiraten dürfen, wünsche ich Glück. Das ganz große Romantikscheißeprogramm mit Glitzer und Einhörnern und Brennpunkt nach der Tagesschau. Und zwar für immer und ewig, das versteht sich.

1 Kommentar

  1. Hier gab es vor hunderten von Jahren (gefühlt) Jahren weder Glitzer noch Einhörner, dafür einen Mann der nienienie heiraten wollte und dann die Standesbeamtin kaum aussprechen lassen hat … aber wie geschrieben, jeder nach seiner Facon … und je mehr Menschen sich das selbstbestimmt aussuchen können um so besser!

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