Mein G20-Tagebuch (zu lang, wie diese Woche)

Montag, 3. Juli 2017

Keine besonderen Vorkommnisse. Es ist geradezu besorgniserregend ruhig in meiner Straße. Offenbar sind alle meine Nachbarn verreist. Auch die kleinen Läden in meiner Straße sind zu oder eine Zwangspause spätestens ab Mittwoch an.

Im Büro beschließend wir nach kurzer Beratung, ein für den Donnerstagnachmittag geplantes Vorsingen, zu dem 18 Kinder und Jugendliche angemeldet sind, lieber auf nächste Woche zu verlegen. Die Donnerstagsdemo „Welcome to Hell“ kommt nämlich direkt an der Staatsoper vorbei. Geplanterweise zwar erst am Abend, aber wer weiß das schon mit Sicherheit?

Ich schreibe 18 Familien eine entsprechende E-Mail mit Erklärungen, Befürchtungen und Alternativvorschlägen. Schließe mit der Bitte um baldige Rückmeldung.

Bis zum Abend haben sich 9 Leute gerührt und einen neuen Termin ausgemacht.

 

Dienstag, 4. Juli 2017

Ich schreibe weitere E-Mails an die 8 Menschen, die noch nicht auf die Bitte um Verschiebung geantwortet haben, und mache es dringend.
Bis zum Nachmittag bekomme ich Nachrichten von 2 Personen.
Ich rufe 2 weitere Personen an und bespreche die Terminverschiebung.
Noch 2 andere versuche ich anzurufen und verhalle in einer Leitung ohne Mailbox. Also schiebe ich noch eine „Der Termin ist hiermit abgesagt“-Mail hinterher.
Mal sehen, ob sich die 2 letzten Teilnehmer bis zum Feierabend noch melden.

Heute Abend ist „Hedonistisches Massencornern“ überall in Hamburg angesagt, aber außer den Katzen möchte in meinem Haushalt niemand mitmachen. Zum Glück kann ich die Katzen zum Indoor-Cornern zu Hause überreden, denn im Freien kommt es im Laufe des Abends zu in meinen Augen ziemlich unangemessenen Polizeieinsätzen mit Wasserwerfern und allem Drum und Dran. Im Wesentlichen gegen Menschen, die biertrinkend an Straßenecken stehen. Darüber hinaus gibt es noch die eigenartige Sache mit den Protestcamps, in denen aufgrund entsprechender Gerichtsbeschlüsse nicht übernachtet werden darf, weil Schlafen, wie man ja weiß, die Brutstätte des Bösen ist. Ein Schlaf-Simulationscamp, das gegen das Verbot der Übernachtungscamps protestiert, wird zunächst von der Polizei geduldet – aber nur solange, bis dem ersten Schlafsimulanten tatsächlich die Augen zufallen. Dann verwandelt sich das Schlaf-Simulationscamp automatisch in ein Schlafcamp und ist nicht länger zulässig.

 

Mittwoch, 5. Juli 2017

Natürlich haben sich die letzten zwei Vorsingteilnehmerinnen, die inzwischen drei Mails mit der Bitte um schnelle Rückmeldung von mir habe (und eine von ihnen meine Nummer mehrmals in ihren Anrufprotokollen) nicht über Nacht gemeldet. Ich starte einen letzten Verzweiflungsversuch und erreiche die Dame, deren Nummer ich habe, doch endlich. Check. Von der letzten Sechzehnjährigen, die ihre Mails nicht liest, habe ich keine Nummer, aber einen Lebenslauf. Ich rufe verschiedene Musikschulen in Schleswig-Holstein an, an denen sie Unterricht hat bzw. an denen ihre Mutter unterrichtet, und bekomme endlich eine Telefonnummer. Hoffentlich verstößt das – Anrufen fremder Menschen, auch in Notsituationen – nicht gegen die Twitter-Statuten.
Letzte Teilnehmerin erreicht. Hurra, ich kann das Vorsingen morgen endgültig abblasen und mache damit verschiedene Kollegen sehr glücklich.

In der Dammtorstraße, wo sich der Eingang der Staatsoper befindet, verrammeln sich die ersten Geschäfte mit Holzplatten in den Fenstern und kündigen für Freitag einen Schließtag an.

Während ich im Büro bin, holt mein Freund zum letzten Mal für diese Woche das Auto raus und erledigt weitere Hamsterkäufe, damit wir und vor allem die Katzen nicht verhungern, falls wir auf unserer Neustadt-Insel eingekesselt werden sollten. Wir haben jetzt ca. 70 Tütchen Katzenfutter.

In der Mittagspause sehe ich aus der Ferne, wie eine ältere Dame über ihre eigenen Füße stolpert (es war aber dann doch nicht meine Mutter) und stürzt. In Sekundenbruchteilen halten mit rauchenden Reifen mehrere Polizeiautos neben ihr und eine halbe Hundertschaft eilt zu Hilfe. Ist es das, was die Menschen meinen, die immer sagen, sie wünschen sich mehr Polizeipräsenz in der Stadt?

Auf Anweisung der Weisungsbefugten noch einmal genau nachgezählt: 74 Tütchen Katzenfutter.

Obwohl Mittwoch ist und mittwochs mein Lieblings-Aquafit-Kurs stattfindet, werde ich heute Abend zu Hause bleiben. Der Metrobus 3, den ich benutzen müsste, fährt genau durchs „Krisengebiet“ und ich bin nach dem Sport einfach zu müde, um mich noch mit der Machete durch den verbarrikadierten Park zu kämpfen, falls der Bus plötzlich nicht mehr weiterfahren kann.

Heute Abend findet die „Lieber tanz ich als G20“-Nachttanzdemo statt, die natürlich auch am Johannes-Brahms-Platz vorbeikommt und in Hörweite meiner Wohnung, am Gängeviertel, ihren Abschluss findet. Bunte, fröhliche Menschen, die keinen politisch motivierten Eindruck machen, hören grässliche Musik, die viel zu laut wäre, wenn die Hubschrauber, die am Himmel gerade wieder Formationsfliegen üben, nicht noch viel lauter wären.

Ich finde draußen einen Haufen Pferdeäpfel, 100% Bio und von zur Deeskalation ausgebildeten Polizeipferden. Ich überlege kurz, in den am höchsten gelegenen Ködel ein kleines Schild mit „Das ist doch der Gipfel!“ zu stecken und das Arrangement für meinen Instagram-Account zu fotografieren. Dann fällt mir ein, dass ich gar keinen Instagram-Account betreibe.

 

Donnerstag, 6. Juli 2017

Ich wache auf und habe Schnupfen. Unverschämtheit. Andererseits eröffnen mir Halsschmerzen und Triefnase die Möglichkeit, den Tag im Büro deutlich abzukürzen und bereits am Nachmittag nach Hause zu gehen, bevor die Staatschefs nacheinander am Airport Hamburg landen und diverse Straßen in der Innenstadt, auch für Fußgänger und Radfahrer, gesperrt werden, bis endlich alle Gipfel-Teilnehmer sicher in ihren Hotels eingetroffen sind.

Wussten Sie, dass die Air Force One aus Sicherheitsgründen immer im Doppelpack (zwei gleiche Flugzeuge!) einfliegt, es Donald Trump aber zum Glück nur einmal gibt?

Mein Freund, die Katzen und ich verfolgen das weitere Geschehen dieses Tages vom Sofa aus, weil ich erkältungsbedingt wirklich etwas lahm bin. Wie sich im Verlauf des Abends zeigt, ist das eine gute Entscheidung, denn spätestens mit dem Beginn von „Welcome to Hell“ beginnt in der Stadt der Ausnahmezustand – auch wenn die Polizei sich später am Abend zu einem Tweet hinreißen lässt, in dem sie eben das dementiert: Es wurde weder der Notstand noch ein Katastrophenfall ausgerufen!

Wir sind bei 68 Tütchen. Nein, ich habe die Katzen nicht auf Diät gesetzt, aber noch zwei Tütchen, die hinter die Absperrung im Regal gefallen war, gefunden. Die Stimmung bei den flauschigen Mitbewohnerinnen ist entsprechend gut.

Schon heute Morgen habe ich Einschätzungen von kundigen Menschen gelesen, die vermuteten, dass die Demo „Welcome to Hell“ von der Polizei schneller ausgebremst werden würde, als sie hätte losziehen können. Die wichtigsten Anzeichen dafür, so befand man, waren, dass die Demo von Stadt und Polizei komplett ohne Auflagen genehmigt worden war, gleichzeitig aber als die Demo mit dem größten Gewaltpotenzial gehandelt wurde. Man warnte vor bis zu 8.000 gewaltbereiten Autonomen, die zum Teil extra aus dem Ausland anreisen würden. Und, so ließen die Oberen wissen, man würde mit der nötigen Härte gegen diese Autonomen vorgehen und Gewalt im Keim ersticken. Gleichzeitig, nämlich noch am Mittwochnachmittag, wurde der Demo der gewünschte Ort für die Abschlusskundgebung, in direkter Nähe der Messehallen, genehmigt.

Doch, ich finde, wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen lässt, kann man darauf kommen, dass die Polizei einen viel konkreteren Plan hat, als sie uns, die Öffentlichkeit, wissen lässt.

Mich persönlich macht ja auch stutzig, dass die Straße „Drehbahn“, die direkt gegenüber von der Staatsoper liegt und in der das „Side-Hotel“ residiert, gerade komplett abgesperrt wird, als ich morgens dort vorbeigehe. Offenbar wird ein sehr wichtiger und sehr gefährdeter Gast erwartet. So weit, so gut. Eigenartig finde ich nur, dass die Drehbahn zur Route von „Welcome to Hell“ gehört…

Es läuft genauso, wie die Experten am Morgen prophezeit haben: Die Demo kommt keine hundert Meter weit, bevor sie von der Polizei mit Hundertschaften und Wasserwerfen gestoppt wird. Die Forderung an den Schwarzen Block, der sich innerhalb der Demo, die im Großen und Ganzen aus ganz normalen Demonstranten zu bestehen scheint, materialisiert hat: Entmummung.

Die Polizei setzt dann alles daran, den Schwarzen Block vom Rest der Demo zu trennen. Sie ist dabei nicht zimperlich, wahrlich nicht. Ich bin gleichermaßen entsetzt und fasziniert davon, dass das Internet voll von Livestreams ist, die zeigen, wie schlecht sich einige Demonstranten, aber auch viele Polizisten benehmen. Natürlich bekommt man über Livestreams, Tweets und die Newsticker verschiedener Medien keinen wirklich objektiven Überblick, aber mein Eindruck der letzten Tage, dass die Rangeleien zwischen Aktivisten und der Staatsmacht keineswegs nur von den Aktivisten ausgehen, verfestigt sich. Deeskalation ist wirklich etwas ganz anderes als das, was die Kolonnen mit Blaulicht, Räumpanzer und Wasserwerfer hier betreiben.

 

Freitag, 7. Juli 2017

Aus den Auseinandersetzungen der letzten Nacht sind richtige Ausschreitungen geworden. Ich habe Glück, die nördliche Neustadt scheint bisher verschont geblieben zu sein und auch am Gänsemarkt und rund um die Staatsoper ist nichts passiert. Andere Stadtteile, St. Pauli und die Schanze natürlich, aber auch das bürgerliche Altona bis zur Elbchaussee und Eimsbüttel haben ordentlich was abgekriegt.

Wobei die Gewalttäter, die Autos abgefackelt und Scheiben eingeschmissen haben, ganz offensichtlich nicht politisch motiviert und darüber hinaus auch Deppen waren: Oder warum mussten sie ausgerechnet auf ein Pflegedienst-Dienstfahrzeug einen Anschlag verüben?

Ich habe immer noch Schnupfen und stelle mich wieder auf einen halben Tag im Büro ein. Viel zu tun habe ich so kurz vor den Sommerferien ohnehin nicht mehr. Nur früh genug losgehen, um nicht mit den Kolonnen von Gipfelteilnehmern auf dem Weg in die Messehallen ins Gehege zu geraten. Das klappt sehr gut. Auf den Straßen ist es, von den unaufhörlich über unseren Köpfen kreisenden Hubschraubern mal abgesehen, leer und entspannt. Das Wetter ist schön.

Ich habe allerdings Angst, dass ich nächste Woche, wenn die G20-Belagerung endlich aufgehoben wird, vielleicht ohne Hubschraubergeräusch nicht mehr einschlafen kann. Dann muss Katze 1 ran und mit Megaphon schnurren oder so.

Im Büro ist alles entspannt und es gelingt mir, um halb drei Feierabend zu machen. Auch der Heimweg ist kein Problem, allerdings bemerke ich auf dem Johannes-Brahms-Platz eine große Ansammlung von Polizei mit diversen Mannschaftswagen und auch ein paar Sonderfahrzeugen. Ich mache ein paar Fotos und denke mir nicht viel dabei – vielleicht machen die gerade mal Pause. Mein Freund kommt eine knappe Stunde später auch noch ohne Probleme von St. Pauli in die Neustadt und auf mein Sofa, aber etwas später wird der Lärm in meiner ruhigen Einbahnstraße plötzlich immer größer und es scheinen sich draußen Menschen anzusammeln. Wir stehen eine Weile wie die Fensterrentner auf dem Balkon, bis wir kapieren, dass die Menschen nicht mehr über den Brahms-Platz dürfen. Keine Ahnung warum, aber die Polizisten bilden plötzlich eine Kette und lassen niemanden mehr durch.

Da wir weder eine Sitzblockade noch irgendwelche Auseinandersetzungen eventuell anwesender Demonstranten mit der Polizei entdecken können, wundern wir uns, machen weitere Fotos und vermuten, dass die Sperre gleich aufgehoben wird. Was aber nicht passiert. Stattdessen kommen immer wieder dieselben Leute vorbei, denn anscheinend ist mehr oder weniger die ganze nördliche Neustadt abgeriegelt und sie kommen nicht weg. Im Internet ist wenig zu finden, offenbar sind alle Journalisten entweder rund um die Elbphilharmonie oder in St. Pauli im Einsatz, wo der Straßenkampf offenbar den ganzen Tag lang fortgesetzt wird. Wir vermuten, dass es um Transferkorridore von den Messehallen bis zu Elbphilharmonie geht, aber wirklich wissen tun wir das nicht. Die Menschen laufen hin und her, auch die Polizisten übrigens („Jetzt demonstrieren die auch noch!“), die einige Male hin und her und um den Block traben. Reines Imponiergehabe, lautet meine Interpretation. Wartenden Menschen stehen vorne an der Einmündung der Poolstraße in den Johannes-Brahms-Platz; die Stimmung erinnert mich an den Grenzübergang Bornholmer Straße am 9. November 1989: Keiner weiß, was los ist, aber die Leute wollen raus und die Polizisten wissen, dass sie das auf Dauer nicht verhindern können. Tatsächlich ist es aber so, dass die Sperre erst nach dem Ende des Konzerts in der Elbphilharmonie, kurz vor 21 Uhr, aufgehoben wird.

Die Anzahl der Katzenfutter-Tütchen hat sich auf 63 reduziert und Katze 2 erwägt, einen Wachschutz für die roten Tütchen zu engagieren.

Ich mache jetzt das Internet aus und gehe ins Bett. Hoffentlich steht die Stadt morgen früh noch.

 

Samstag, 8. Juli 2017, spätabends

Es ist vorbei, Halleluja! Das Schanzenviertel liegt in Schutt und Asche. Es waren zwar Massen an Polizei vor Ort, als die durchgeknallten Gewalttäter sich dort stundenlang auslebten, aber erst eingreifen konnten diese, als sie – Stunden später – von einer Spezialtruppe mit der passenden Ausrüstung, nämlich Sturmgewehren, verstärkt worden war. Bis dahin standen die verängstigten und wütenden Anwohner den Krawallmachern und einer Horde offensichtlich gehirnamputierter Schaulustiger, die tendenziell eher mit den Übergriffigen sympathisierte, ohne Unterstützung gegenüber.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe überhaupt kein Verständnis für militante Straftäter, denen der G20 möglicherweise piepegal ist, die ihn aber als Anlass für Randale der miesesten Art nutzen. Auch hält sich meine Sympathie für linke Aktivisten und Autonome in engen Grenzen, die sich offiziell von dieser Art des „Protestes“ distanzieren, dabei aber sehr wohl wissen, dass sich diese Arschlöcher, für die die Bezeichnung „Krawalltourist“ wahrlich zu harmlos klingt, natürlich auch in ihrem Schwarzen Block finden werden und alle Chancen nutzen werden, ihr Gewaltpotenzial auszuleben.

Trotzdem habe ich persönlich nicht das Gefühl, dass der Bürgermeister, der Innensenator oder der Polizeipräsident bisher besonders gut erklärt hätten, warum zwar fast nichts von dem geklappt hat, was Hamburg seinen Bewohnern und seinen Gästen an Sicherheit und kluger, konsequenter und überlegener Polizeiarbeit zugesagt hatte, die Polizei und die Politik aber trotzdem alles richtig gemacht haben sollen. Ich zumindest habe das noch nicht kapiert.

Ich bin sehr froh, dass wir am Donnerstag kein Vorsingen für Kinder gemacht haben. Zwar ist die Demo „Welcome to Hell“ nicht mal in der Nähe der Staatsoper vorbeigekommen, aber ich habe trotzdem Zweifel, dass alle Teilnehmer und ihre Familien ohne Probleme nach Hause gekommen wären. Die Einschränkungen, denen der öffentliche und der private Nahverkehr an diesem Nachmittag, an dem ja die ganzen Delegationen vom Flughafen in die Stadt verfrachtet werden mussten, waren doch nämlich immens.

Überhaupt, der Verkehr und das Leben in der Stadt. Tot, beide. Drei Tage lang, mehr oder weniger. Man hatte uns vorher auf „kurzfristige Sperrungen der Transferkorridore wegen der Kolonnenschleusung“ hingewiesen. Ereignet hat sich dann das, was der ADAC vorhergesagt hatte: Der totale Verkehrsinfarkt. Umsteigen auf U- und S-Bahnen klappte auch keineswegs in allen Fällen, viele Strecken wurden vorübergehend stillgelegt, Stationen nicht mehr angefahren und Informationen darüber fand nur, wer genau wusste, wo er danach zu suchen hatte. Über die vom HVV geplanten Shuttle-Busse in der Innenstadt, die alle anderen Busse ersetzen sollten, habe ich immer nur gelesen, dass sie nicht fahren können, und keinen einzigen gesehen.

Viele Geschäfte in der Innenstadt stellten spätestens am Freitagmittag statt, dass sie wohl zu optimistisch gewesen waren, als sie ihren Mitarbeitern nicht frei gegeben hatten und ihre Läden geöffnet halten wollten: Erstens hatten sie keine Kunden mehr und zweitens hatten sie Angst. Und so wurden zwischen Freitagmorgen und Freitagnachmittag zahlreiche Geschäfte geschlossen und noch schnell verrammelt. Am Samstag haben die meisten dann gar nicht erst wieder aufgemacht.

Ich habe immer noch Schnupfen, war aber heute Morgen mal kurz draußen. Der Samstagswochenmarkt am Großneumarkt ist nie sehr groß, aber normalerweise bekommt man dort alles, was man braucht. Heute bestand er aus einem einzigen Obststand. Zum Glück war der Edeka-Markt geöffnet – auch wenn diese Filiale leider unser Katzenfutter nicht führt.

Ich habe in dieser Woche genügend Polizeisirenen gehört, um mir mein ganzes restliches Leben lang die Ohren zuzuhalten, sobald ich Blaulicht sehe. Die elendigen Hubschrauber, die übrigens noch immer, es ist jetzt 22.10 Uhr, kreisen, möchte ich nur noch anschreien („Haut ab!“) oder mit faulen Eiern bewerfen.

Im Fernsehen bemühen sie sich jetzt, nicht nur über die Ausschreitungen im Rahmen des G20 zu sprechen, sondern auch über die Ergebnisse. Außerdem möchten sie uns auch ein paar schöne Bilder mit auf den Weg geben: Das mag vielleicht außerhalb Hamburgs funktionieren, bei mir verfehlen die bunten, friedlichen Demobilder von Polizisten, die ihre Helme abnehmen und dafür Applaus bekommen, ihre Wirkung.

Wer mir außerdem noch so richtig auf die Ketten geht, sind die Politiker, die heute Abend ihren nächsten Wahlkampf einläuten und ihre Themen benennen, um sich damit dann in den nächsten Wochen und Monaten in Szene zu setzen. Unterste Schublade, wirklich.

Wir haben noch 56 Tütchen Katzenfutter. Bis Montagmorgen werden die wohl reichen und dann ist der Spuk ja wohl hoffentlich endgültig vorbei. Bis wir ihn vergessen haben, wird es allerdings noch sehr viel länger dauern.

 

 

 

 

 

 

1 Kommentar

  1. Liebe Bettina,
    das ist ja echt heftig. Ich wünsche, dir, dass ihr bald alles verkraftet habt. Denn vergessen wird man so etwas wohl nicht so schnell. Ich habe von der ganzen Geschichte übrigens gewolt gar nichts mitbekommen, außer natürlich über Twitter. Wir haben während unseres Urlaubs den Fernseher einfach ignoriert und die Natur genossen. Nichtsdestotrotz ist es trotzdem auch für mich heftig, im Nachgang darüber zu lesen.
    Alles Liebe, Manuela

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